STOFF GEWORDENER ROCK - Teil 2

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DIE FÜNF PENETRANTESTEN BANDSHIRT-MOTIVE

1. RAMONES

Keine Frage: eine absolute Kultband, diese RAMONES. Aber in gewisser Hinsicht laufen sie Gefahr, wie die ROLLING STONES zu enden: Deren Zunge hat ja jeder Asi über 55 irgendwo auf seinen Körper tätowiert. Sie grinst einen von Autoaufklebern an. Und sie ist millionenfach auf Shirts gedruckt. Entsprechend tragen Millionen von Menschen die Zunge mit sich herum, viele von ihnen, weil sie dummerweise meinen, sie könnten damit ihr Revoluzzertum nach außen transportieren. Und auf genau diesen Umstand läuft es auch mit dem Logo der RAMONES hinaus – was weh tut, weil die Amerikaner ja immer noch als Speerspitze des Punk und damit einer Subkultur gelten: Keine andere Band aus dem musikalischen Untergrund ist mittlerweile so präsent auf Shirts wie die von Joey, Johnny, Dee Dee und Tommy. Große Modeketten legen das von Arturo Vega einst so genial konzipierte Adler-Logo reihenweise auf. Justin Bieber und Nena tragen es obenrum, diese sogar gerne mal in der goldglitzernden Variante. Und RAMONES-Fans der ersten Stunde haben mittlerweile Angst, ihre alten Hemden überzuziehen, sie könnten ja plötzlich als Mainstream gelten. Und Mainstream – das wissen wir alle – ist das Uncoolste überhaupt. Dreht sich die Spirale weiter so rasant, dann wird der Adler im Kreis der zu einem Dreiviertel verstorbenen Bandmitglieder irgendwann zum Federvieh inmitten von Toten.

2. MISFITS

Den MISFITS-Totenkopf – oder Ghoul, um genauer zu sein – tragen ja alle, weil er so schön hässlich grinst und Mama und Papa schockiert und an Halloween so wunderbar als Kostüm durchgeht. Ein Bezug zum Genre Horrorpunk ist indes schon lange keine Voraussetzung mehr dafür, das Logo dieser einstigen Legende offen zu zeigen. Bis auf die alten Fans der Band, die die MISFITS-Fahne nach wie vor und natürlich aus absolut verständlichen Gründen als Shirt hochhalten und hochhalten dürfen, wissen die übrigen 90% der Zur-Schau-Steller denn auch gar nicht, dass sie nicht nur einen Untoten vorne auf der Brust haben, sondern dass die MISFITS selber mittlerweile eher untot als lebendig sind – weil sich die ehemaligen Mitglieder gegenseitig zerfleischen (siehe auch BLACK FLAG), in alle Wiinde verstreut sind und die heutigen MISFITS nur noch aus dem Bassisten der ersten Stunde bestehen. Der heißt Jerry Only – ein Name, der sich hervorragend für ein Wortspiel eignet, denn man kann auch sagen: die MISFITS heute sind only Jerry. Immerhin: Der freut sich über jedes Shirt „seiner“ Band, das ihm entgegen kommt. Ex-Sänger Glenn Danzig würde jedem Träger wahrscheinlich lieber eins in die Fresse hauen. Und Glenns Nachfolger Michale Graves macht mittlerweile zusammen mit Marky einen auf – genau: RAMONES (siehe 1.).

3. THE EXPLOITED

Also: Nichts gegen THE EXPLOITED. Aber nervig sind sie ja schon. Und das Logo mit seinem Totenkopf-Irokesen ist vor allem aus diesem Grund obernervig: Es prangt meist am Körper von Menschen, die erst noch erkennen müssen, das Punk nicht nur aus Hansa-Pils, billigem Fusel und stumpfem Rumgeknüppel besteht. Oder es prangt am Körper von Menschen, die es nicht geschafft haben, dies zu erkennen und ihr Dasein als Straßenköterpunks fristen, deren ganze Sozialkritik aus dem berühmt-berüchtigten „Haste mal ’ne Mark/’nen Euro“ besteht. THE EXPLOITED waren immer schon Hardcore für die, die noch nie etwas von Hardcore gehört haben, die aber England für den Nabel der Hardcore/Punk-Welt halten – obendrein die Tatsache ignorierend, dass THE EXPLOITED aus Schottland kommen. Die andere Hälfte der EXPLOITED-Shirts-Träger besteht aus Vierzehnjährigen in ladenneuem Punkoutfit (Docs, Bondage-Hose, Nietengürtel, Stachelarmbändern, Seifeniro), die es einfach nicht besser wissen und weltweit, wie einem geheimen Kommando folgend, ihre „Karriere“ mit den „Punks not dead“-Slogan- Erfindern beginnen. Jeder fängt eben mal klein an.

4. WIZO

Auch bei WIZO muss man gar nicht lange um den heißen Brei herumreden: Ihr Fall ist vergleichbar mit THE EXPLOITED. WIZO-Fans sind nicht wirklich Punks, und wenn, dann nur bis so circa zum 17. Geburtstag. WIZO-Shirts werden von Mädchen mit bunten Doc-Martens-Boots ohne Schnürsenkel getragen, die sich die Haare wild stylen und manchmal sogar ein bisschen färben, die alte Bundeswehrrucksäcke mit Janosch-Enten-Anhänger tragen. Sie sind irgendwie süß, aber im Grunde doch nur Teenies, die sich statt richtigem Bravo-Trash-Pop eben eine Bravo-Punkband als Objekt ihrer Teenagerliebe ausgeguckt haben (apropos: jugendliche DIE ÄRZTE- und DIE TOTEN HOSEN-Fans gehören in die gleiche Kategorie). An Punk jenseits ihrer verehrten Band interessiert sie nicht viel, maximal Bands, die von ihren Helden mit auf Tour genommen oder von denen empfohlen werden. Bemerkenswert an diesem Phänomen ist, dass solche Fans in diesem jugendlichen Alter ständig nachwachsen, obwohl die Band der Begierde (WIZO) eigentlich nur noch reaktiviert wird, wenn seitens der Akteure die Urlaubskasse einer Auffüllung bedarf.

5. BLACK FLAG

Die Mutter aller Hardcore-Bands (außer für die THE-EXPLOITED-Hardliner). Könnte also auch irgendwann einmal als Antwort auf eine Frage bei Günther Jauch auftauchen. Über das Vier-Balken-Logo dieser Band gibt es sogar ein eigenes Buch – es handelt von Vier-Balken-Tattoos (Stewart Dean Ebersole: „Barred For Life“). Ein Buch über die vier Balken auf T-Shirts gibt es hingegen nicht. Noch nicht. Wird aber irgendwann mal soweit sein, denn das BLACK-FLAG-Logo könnte textiltechnisch bald zum neuen RAMONES-Logo werden – immerhin lief „Twilight“-Sternchen Kristen Stewart schon mit so einem Shirt vor den Kameras herum. Weil BLACK FLAG die Mutter aller Hardcore-Bands sind, denken viele, dass die vier Balken auf einem Shirt der ultimative Ausdruck von ultimativer Härte sei. Und hart sein wollen sie ja alle, die Leute. Dass 99% von ihnen aber keinen BLACK-FLAG-Song kennen – noch nicht mal „Six pack“ oder „TV party“ (nein, die sind nicht von WIZO!) – scheint diese 99% nicht zu interessieren. Cool aussehen ist alles. H&M ist wahrscheinlich schon hellhörig geworden.