SOLITOS

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Sonnengötter aus Berlin

Davon träumt so mancher Musikfan, der die wilden Geschichten aus dem London Ende der 70er Jahre kennt: Eine Band treffen, die du gleich bei ihrem ersten Auftritt siehst und die sofort der Hammer ist. Und du wusstest das schon vom ersten Takt an. Merkwürdigerweise klappt so etwas heute nur noch bei den Popstars-Casting-Shows auf RTL 2 oder Pro 7 – und das ist ja eher lachhaft. Bei den echten Punk- oder Ska-Combos wirst du so ein hohes, kreatives Potential nicht mehr finden. Die SHOCKS sind keine zweiten SEX PISTOLS. Die BEATSTEAKS keine CLASH. Die BUSTERS nicht MADNESS. Genauso wenig wie die MONOCHORDS an THE JAM heranreichen. Dennoch gibt es solche Momente – zwar nicht im großen Stil, dafür aber im kleinen, persönlichen Rahmen. Für mich sind das SOLITOS aus Berlin. Eine großartige Ska-Combo, stilistisch ungefähr zwischen MOTHER’S PRIDE, SLACKERS und BABYLON CIRCUS. Im Frühjahr war auch ihr erster Tonträger „Just Arrived“ fertig , den sie in Eigenregie herausbrachten. Im Berliner Thommy-Weißbecker-Haus traf ich mich mit Sänger Marius und Bassist Jan zum ungezwungenen Plausch auf ein paar Biere an einem Donnerstag im Dezember.

Ihr seid ja nicht aus dem Nichts gekommen. Eure Vorgängerband hieß CALDO BAGNO, die ihren Abschieds-Gig am 24. 5. 2002 hatte. SOLITOS hatten ihren ersten Gig am 30. 4. 2003.

Marius:
„Ich würde CALDO BAGNO und SOLITOS komplett voneinander trennen. Es sind zwar noch vier Leute von der alten Band dabei, aber die Musik und die Einstellung dazu sind völlig anders. Als CALDO BAGNO gerade auseinander fiel, waren wir auch kurz davor, eine Platte aufzunehmen. Die Konzerte wurden größer. Deshalb war eigentlich allen klar, dass dies nicht das Ende gewesen sein konnte. Wir hatten einfach alle Lust darauf. Die Leute, die ausstiegen, sah man nachher auch nie mehr.“

Glaubt ihr, dass die neuen Bandmitglieder SOLITOS stark beeinflusst haben?

Marius:
„Schwer zu sagen, da wir eigentlich schon sehr unterschiedliche Typen sind. Vom geradlinigen Jamaican Ska bis zu Roots Reggae-Verfechtern. Auf RUDE RICH & THE HIGHNOTES, COURT JESTER’S CREW und SLACKERS stehen wir eigentlich alle.“

Ich kenne eure Vorgängerband ja auch recht gut, und das war ja eher
Schüler-Ska. Bei SOLITOS seid ihr jedoch sofort von Null auf Hundert gestartet. Wie erklärt ihr euch, dass die Melodien, die Rhythmen und die Eingespieltheit plötzlich so perfekt klappten?

Marius:
„Als wir von unserem ersten Auftritt als Vorband für RUDE RICH & THE HIGHNOTES erfahren haben, haben wir uns einfach tierisch den Arsch aufgerissen.“
Jan: „Ja, wir haben richtig dafür gearbeitet, weil wir keine Lust hatten, vor dieser Band unser allererstes Konzert in den Sand zu setzen.“
Marius: „Uns war auch klar, dass wir keine Zeit mehr verschwenden wollen. Eine Platte aufnehmen, große Konzerte und gute Musik spielen. Wir studieren alle, und wir werden nie wieder so viel Zeit haben. Wenn wir in den Proberaum gehen, ist klar, dass auch gejammt wird, aber ansonsten wollen wir etwas reißen.“

Kann es vielleicht sein, dass sich bei SOLITOS einfach Leute zusammengefunden haben, die die Band wegen der Musik und nicht aus Freundschaft machen?

Jan:
„Gerade bei den neuen Bandmitgliedern stand zuerst die Musik im Vordergrund. Danach haben wir uns sehr schnell angefreundet.“
Marius: „Bei CALDO BAGNO war das anders. Da hatten wir die Band, damit die Mädels von der Schule zu unseren Auftritten kommen – und uns bewundern ... Bei SOLITOS ist das anders. Wir wollen von der Szene, von anderen Leuten, ernst genommen werden. Wir sind nach dem Ende von CALDO BAGNO auch erst richtig in die Szene eingetaucht. Wir haben Leute kennen gelernt, die auflegen, die Bands brauchen, waren viel auf Gigs und haben uns Anregungen für unsere Bühnenshow geholt.“

Zurzeit ist doch Latino Ska/Punk wie PANTEON ROCOCO und LA VELA PUERCA sehr angesagt. Trotz eures Bandnamens habt ihr kein einziges Stück, das in die Richtung geht.

Marius:
„Na, erstmal kann ich kein Spanisch. Auf der Fete De La Musique haben wir mit LA VELA PUERCA gespielt. Mir war das zu rockig. Der Name SOLITOS ist auch vollkommen ungrammatisch.“
Jan: „Das soll einfach für ein ‚sonniges Gemüt‘ und Spaß an der Musik stehen. Ich meine, dass wir in ein paar Liedern einen leichten Latino-Touch haben, aber es ist jetzt kein klassischer Skapunk. Ob wir wirklich noch einmal Punk in unsere Musik einbauen, bezweifle ich im Moment. Dafür haben wir uns einfach zu sehr an Ska gewöhnt.“
Ihr habt einen hervorragenden Live-Ruf und alle waren gespannt auf eure Debütplatte – mit entsprechendem Erwartungsdruck. Wie geht ihr mit dieser neuen Herausforderung als Studio-Neulinge um?
Jan: „Das Studio ist ein sehr gutes, eins, das wir uns eigentlich nicht hätten leisten können. Wir konnten nur rein, wenn sonst keiner aufnimmt. Deshalb zieht sich das.“

Euer erstes veröffentlichtes Stück „Sad clown“ auf der Hauptstadt-Ska-CD ist also keine Studioversion?

Jan:
„Nein, das haben wir in einer Nacht- und Nebelaktion im Proberaum der GINSENGBONBONS aufgenommen. Zu der Zeit kamen gerade zwei Sampleranfragen, da haben wir das Stück einfach schnell eingespielt.“

Wie waren eure ersten Auswärtserfahrungen?

Marius:
„Druckluft, Oberhausen. Punkfestival. Dank meiner Mithilfe um sieben Uhr morgens losgefahren, angekommen nachmittags, Soundcheck, gespielt haben wir um elf Uhr abends. Neben uns nur Punkbands. Das nächste war schon Holland. Nijmegen, finanziell desaströs, Konzert geil, Unterkunft genial, Leute super, tolles Wochenende. Samstag war das Konzert in Holland, am Sonntag waren wir um sechs Uhr beim Berliner Radiosender Fritz! zum Interview eingeladen. Die Meute eingeladen, direkt aus Nijmegen zurückgekachelt, nettes Interview, war schön!“
Jan: „Wir haben zwar mächtig draufgezahlt, aber es hat tierischen Spaß gemacht. Das ist die Hauptsache.“
Marius: „Das Wochenende danach waren wir in der Nähe von Wolfsburg.“

Das war doch das Ska-Festival in dem Rocker-Club.

Marius:
„Ja, Born To Be Wild. Das war grenzwertig. Hinter der Bar verfassungsfeindliche Zeichen. Die Leute von DYNAMO SKA waren sehr engagierte Organisatoren, aber wir haben uns in den Räumlichkeiten einfach unwohl gefühlt.“

Es war wohl einfach der falsche Club für Ska.

Marius:
„Ja, eine Bühne mit Go-Go-Stange und Totenköpfe. Die Bands an sich waren gut. MASKAPONE, HICCUPS und DYNAMO SKA eben. Und in Magdeburg sind wir am 4. 12. eben mit THE SPECIAL GUESTS mit ihren neuen Sänger aufgetreten. Gute Stimme, macht den Sound dichter.“

Was auffällt: ihr selbst geht viel auf Konzerte. Die Bandmitglieder von anderen jungen Ska-Combos sieht man recht selten auf Gigs. Könnt ihr euch das erklären?

Marius:
„Ja, das ist uns auch schon aufgefallen. Keine Ahnung warum. Mehr Geld haben wir bestimmt nicht.“
Jan: „Es ist einfach so, dass wir Bock auf die Musik haben. Wenn wir nicht weggehen, lernen wir auch nichts dazu.“

Eure Band ist eher musikalisch als textlich angelegt. Ihr habt fast keine Songs, bei denen euer Publikum mitsingt.

Jan:
„Das liegt daran, dass Marius’ Stimme auch eher als Instrument für unseren Sound eingesetzt wird.“
Marius: „Ich sträube mich auch ein wenig, den klassischen Frontmann zu spielen, der lange Ansagen bringt und die Leute zum Mitsingen animiert. Entweder die Leute tanzen zu unserer Musik oder sie lassen es bleiben. Da bedarf es keines Marktschreiers mehr.“

Trotzdem gilt Marius als charismatischer Frontmann ...

Marius:
„Aber wenn ich auf die Bühne gehe, fällt bei mir so eine Klappe herunter. Ich weiß, dass ich mir nachher backstage zwei Schellen von meinen Bandkollegen für den Stuss einfange, den ich auf der Bühne wieder produziert habe. Ich habe halt auch keine Lust auf Standardansagen.“
Jan: „Es kommt jedoch häufig vor, dass Leute uns nach dem Konzert erzählen, dass sie immer noch Bläsermelodien von uns im Kopf haben. Darin scheint bei uns mehr Potenzial zu stecken als in den Texten.“