SOHO DOLLS

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Pleasureheads of Soho

Die Stilblüten der englischen Musikpresse, wenn sie sich erst einmal ungebremster Euphorie hingibt, sind mitunter von nicht zu vernachlässigendem Unterhaltungswert. Bei den SOHO DOLLS aus London hat man das treffsicher bewiesen: "In lead singer Maya von Doll, they even have the best rock'n'roll name we've come across this year. They're burlesque glamour and sleaze, wrapped up in clothes they've raided from the dressing up box while trying to decide whether tonight they're going to be THE HORRORS, STRAWBERRY SWITCHBLADE or a circus troupe of young Keith Richards look-a-likes." Die Bands, mit denen die SOHO DOLLS bereits in jüngere Vergangenheit auf Tour gewesen sind oder zusammengespielt haben, sind gut geeignet, die musikalischen Reminiszenzen abzustecken: auf der NME Rock'n'Roll Riot Tour spielten sie mit THE HORRORS aber auch bereits mit SHE WANTS REVENGE, den KLAXONS, LADYTRON und HANOI ROCKS. Imageträchtig haben sie bereits auf Hugh Hefners Playboy-Party in Moskau gespielt und natürlich zitiert die Band auch gerne Alexander DeLarge, den Protagonisten aus dem Film "Clockwork Orange", und Patrick Bateman, den Antihelden aus "American Psycho", dem Roman von Bret Easton Ellis, als Inspirationsquellen. Die charismatische und unbedingt "Cabaret Chic"-beeinflusste Sängerin Maya von Doll beantwortet kurz vor ihrem Abflug zum ersten Asienkonzert in Tokio einige Fragen.



Gegenwärtig gibt es einige Bands wie THE HORRORS, THE VIOLETS oder ROBOTS IN DISGUISE, die mehr oder minder starke Einflüsse von 80er-Jahre-Bands wie den X-RAY SPEX oder SIOUXSIE & THE BANSHEES verarbeiten. Ist das auch Teil eurer Einflüsse? Welche Sängerinnen haben speziell für dich eine große Bedeutung?

Ein zentraler Einfluss für uns ist die Art und Weise, wie wir mit Synthies arbeiten. Die Art, wie wir diese Instrumente einsetzen, prägt unsere Musik maßgeblich. Sobald du ihnen ein paar Töne oder eine Hookline entlockst, weckt es sofort das Bedürfnis, einen ganzen Song auf Basis dieser zunächst rudimentären Vibes zu schreiben. Das war beispielsweise die Ausgangsbasis für unsere Songs "Prince Harry", "1724" und "The rest for the wicked". Was konkrete Bandeinflüsse anbelangt, war ich immer großer Fan von SOFT CELL, KRAFTWERK aber auch den etwas chaotischeren Sachen von THE PRODIGY. Ich glaube, ich kenne überhaupt nur einen Song von SIOUXSIE & THE BANSHEES. Ich denke, sie sind mehr klassischer Gothic Rock und weniger Synthie-inspiriert. Als Sängerin bin ich stark von Persönlichkeiten wie Marilyn Monroe, Ella Fitzgerald und Marlene Dietrich beeinflusst.

Wie kam es eigentlich zum Bandnamen?

Hängt das zusammen mit dem Club, in dem Nick Cave sein aktuelles Video zum Song "More news from nowhere" gedreht hat, der Londoner Soho Revue Bar?

Nick Cave hat ein Video dort gedreht? Witzig, denn wir haben bereits 2006 unser Video zum Song "Stripper" in diesem Club gedreht. Ich glaube, wie waren sogar die Ersten, die überhaupt in diesem Club ein Video gemacht haben. Ich mochte immer den Bandnamen der NEW YORK DOLLS und ich habe das mit meiner Affinität zu dem kosmopolitischen und vielschichtigen Lebensgefühl kombiniert, das den Stadtteil Soho prägt und irgendwie auch ausmacht.

Das Image, auch optisch, einer Band wird immer wichtiger. Wie wichtig ist es für euch?

Es ist unverkennbar, dass dein Outfit bei Konzerten sehr bewusst gewählt ist.

Natürlich ist Image sehr wichtig für die SOHO DOLLS, aber eben im Kontext mit der Musik und unseren Texten. Es ist unser Verständnis, die Intentionen und Aussagen der Lyrics in unser Outfit zu transportieren und als Gesamtbild wirken zu lassen. Das geht als Gesamtkonzept Hand in Hand. Deshalb sind wir meist monochrom gekleidet mit einzelnen Farbeffekten: wenn du so willst, dunkle Musik mit einer Prise Humor.

Ich kann nicht beurteilen, ob ihr bereits von den Bandaktivitäten leben könnt. Habt ihr ein Leben neben der Band?

Gegenwärtig können wir ganz gut davon leben. Wir haben alle lediglich wenig Zeit, neben den Bandaktivitäten noch andere Dinge voranzutreiben, wenn überhaupt, dann nur in den Tourpausen. Wir waren kürzlich in Deutschland und werden in Japan und Korea spielen. Neben der Band betreiben wir noch ein eigenes Tonstudio in einer Art Verlies nahe der Tower Bridge in London, das auch viel Zeit in Anspruch nimmt.

Euer Debütalbum "Ribbed Music For The Numb Generation" habt ihr mit Steve Lyon (THE CURE, THE CREATURES und DEPECHE MODE) sowie Robert Harder produziert ( BABYSHAMBLES). Wie war die Zusammenarbeit?

Die meisten Songs hat eigentlich Robert Harder produziert. Mit Steve Lyon habe wir nur wenige Songs eingespielt, aber er war verantwortlich für das finale Abmischen sämtlicher Songs. Beide sind sehr nette und professionelle Typen. Aber mit Robert war die Atmosphäre einfach besser, weil er genau verstanden hat, was wir wollten. Wir haben Steve während der Aufnahmen zum Album in unsere eigene Metaphernsprache eingeweiht, die wir "The Filthy Beast" genannt haben. Wie auch immer, beide waren sehr wichtig in der Produktion: Steve Lyon war verantwortlich für die "Eier" und Robert Harder ergänzte die "Titten". Unsere gesamte Terminologie während der Aufnahmen zum Album war dementsprechend, sagen wir mal, speziell: "hairy", "meaty", "slippery", "vicious", "offensive" etc.

Gibt es von eurer Seite Interesse an Kollaborationen mit anderen Bands? Ich könnte mir euch gut zusammen mit THE KILLS vorstellen.

Das Interesse gibt es in der Tat. Wir haben viele Ideen, aber das ist etwas, über das ich im gegenwärtigen Stadium noch nicht sprechen möchte, weil noch nichts spruchreif ist. THE KILLS wären natürlich großartig, ich mag die Band sehr und bin großer Fan.

Wähle spontan die für dich wichtigsten fünf Songs und kommentiere sie kurz.

SOFT CELL "Tainted love": Eigentlich der perfekte dunkle Pop-Song. Ich mag diese distanzierte Leere und die Art und Weise, wie die Synthies nur sehr punktuell und sporadisch eingesetzt werden. Die "billigen" Drums passen perfekt dazu, aber sie erzielen ihre Wirkung und sie sind teilweise besser als ein echter Schlagzeuger.

THE KNIFE "Heartbeats": Ein großartiger Song, von dem ich wünschte, ich hätte ihn selbst geschrieben und produziert. Auch hier dominieren die Synthies die Melodie und den gesamten Groove. Obwohl es ein langsamer Song ist, verspürst du den unmittelbaren Drang, dich dazu zu bewegen.

NIRVANA "Smells like teen spirit": Ich bin ein Kind der 90er Jahre, schon allein deshalb hat der Song enorme Bedeutung für mich. Er wurde quasi auf jeder Party gespielt, auf der wir damals waren. Es ist wohl der beste "Teenage Angst"-Song, der jemals veröffentlicht wurde. Etwas, auf das wir uns alle irgendwie beziehen können. Ich denke, Kurt Cobain war einfach ein wunderbarer Künstler und Sänger.

Snoop Doggy Dog "What's my name": Ich mag diesen 70er-Jahre-Style und die Jazz-Anleihen, speziell in diesem Song, obwohl das sonst nicht mein Ding ist. Aber die Bassline ist großartig. Die Musik und der Text sind irgendwie "schmutzig" und sehr unverhohlen direkt und geradeaus. Der Song klingt ein wenig wie jemand, der gerade auf einer bizarren Party die Treppe herunterfällt - aber mit viel Stil hinfällt - und nicht wieder aufsteht.

Britney Spears "Toxic": Vermutlich der am perfektesten arrangierte Pop-Song des Jahrzehnts. Wer auch immer ihn produziert hat, hat Großartiges geleistet. Ich mag die Art der Gitarre und die satten Vocals: einfach großartig. Im Übrigen ist auch der Text ziemlich gut.