SKATOONS

Foto

Highnoon am Hansaplatz und das Mysterium Heimspiel

Ihre ausverkauften Clubshows nennen THE SKATOONS kurz Jahresauftakt-Konzerte. In diesem Jahr wurde damit das Hamburger Grünspan, unweit der Reeperbahn, an zwei Abenden gefüllt. Trotz überragender Vorbands DAS PACK und den Rostocker Traditionspunks DRITTE WAHL konnten sich THE SKATOONS noch überzeugend absetzen. Die ungebrochen hohe Popularität der Band findet demnach ihre Basis im Hamburger Heimathafen. Szenenwechsel. St. Georg, in unmittelbarer Nähe des Hansaplatzes. THE SKATOONS haben sich mit uns verabredet. Ihr Proberaum, unter einer Kneipe gelegen, ist das Ziel. Nach Anruf aufs Handy holt uns Gitarrist und Gründungsmitglied Henning aka Hens ins Reich des „Hamburger Ska-Punk“, so wie sie selbst ihre Musikrichtung bezeichnen. Die Entstehungsstätte der meisten SKATOONS-Tracks. Der goldene Tempel ihrer Kreativität. Im Ausschank: Holsten Edel. Es hat den Anschein, im Proberaum einer Band zu sein, die es sich leisten kann, Probe, Aufnahme, Geselligkeit und Fernsehzimmer in einem gemeinsamen „Anwesen im Keller“ zu vereinen. Lars, Gitarre links, und Henning, Gitarre rechts, beantworten meine Fragen. Es wird deutlich, es mit einem Kombinat von Künstlern zu tun zu haben, die für Hamburger Verhältnisse etwas Besonderes darstellen. Finanziell, künstlerisch und kreativ befinden sich die zehn unterschiedlichen Charaktere der SKATOONS in einer Ausnahmerolle.

Verdient hat man sich diese Rolle mit Schweiß und unterm Strich auch mit richtigen Entscheidungen im strategisch umkämpften Musikgeschäft. Wichtige Entscheidungen trifft man selbst. Ist dieses D.I.Y.-Dingens Erfolgsgarant und Überlebenselixier für die SKATOONS? Dazu Gitarrist Henning: „Gewissermaßen schon. Wir halten die Zügel in den eigenen Händen. Man muss halt effektiver vorgehen als ein Label, das den ganzen Tag dafür arbeitet. Mit Ska kann man nicht das große Geld machen. Von den Grünspan-Konzerte beispielsweise ist kein Geld zurückgeblieben.“ Hohe Ausgaben für Lichttechnik und relativ teuere Supports waren die Gründe.

Der Fußballverein FC St. Pauli spielt eine nicht unbedeutende Rolle für THE SKATOONS. Der Song „Wir gehen zu St. Pauli“ ist ihr Beitrag zum St. Pauli Sampler, im einhundertjährigen Jubiläumsjahr des Vereins. 100 Songs von 100 Bands, auf fünf CDs. Unglaublich. Trotzdem wirkt Henning eher desinteressiert an den sportlichen Erfolgen des Kiez-Clubs. „Ich bin gar nicht so der Fußballfan, verbinde aber mit dem Verein eine Menge. Das Leben im Viertel, dem Kiez und allem drumherum. Ich arbeite für den Laden, der den Sekt macht, die ,St. Pauli Perle‘. Insofern besteht eine enge Verbindung. Wenn, dann will ich dahin gehören, und nicht zum Volkspark. Von dem geht ja auch nicht viel aus. Das ist ja das Geile an St. Pauli, dass der Verein das Viertel prägt und andersherum. An den Tagen von Heimspielen vibriert das gesamte Viertel.“

„Ich habe früher mal für St. Pauli gespielt. Das war dann halt die Jugend“, erzählt Gitarrist Lars und denkt an die alten Zeiten. „Dann hatte ich eine Knieverletzung und das Dingen war gegessen. Endstation D-Jugend. In der Band sind wir alle Pauli-Fans, mit einer Ausnahme.“ Wer das ist, lassen wir offen.

Man leistet sich seit dem letzten Release „Highnoon am Hansaplatz“ ein eigenes Label, namens Rotlicht Records, hinter dem steckt Lars und sein Aktionismus. Unangenehme, zeitaufwendige Aufgaben wurden outgesourcet. Booking, örtliche Koordinierung der Konzerte, Terminabsprachen. Darum kümmert sich ASS Promotion. Eine professionelle, kommerzielle Booking Agentur, auch aus Hamburg. Das Portfolio der Agentur passt nicht wirklich zu den SKATOONS. Christina Stürmer, TEXAS LIGHTNING oder ALPHAVILLE gehen halt irgendwie andere Wege.

Nicht zufällig stammt auch die Vertriebsagentur Broken Silence aus der freien und Hansestadt Hamburg. Man legt wert auf kurze Wege in Sachen Kommunikation. Gemeinsam werden wichtige Absprachen getroffen. Die Band scheint sich einig, was das Entscheiden betrifft. Gitarrist Lars übernimmt die Rolle des Hauptakteurs, wenn es darum geht, die Band Label und Homepage betreffend bestens zu positionieren. Sein Hinweis, dass sie fast alles selbst machen und noch dazulernen, wirkt fast zurückhaltend. Keine Sprüche über Vorreiterrollen, kein großkotziges Gelabere über Status und Image, kein Geprahle mit dem Erfolg in Hamburg. Lars zeichnet ein bescheidenes Bild der Band-Attitüde „Wir sind als Hobbyband aufgewachsen, semi-professionell, sage ich mal. Schon mit Ansprüchen, aber nicht so, dass wir auf Erfolg aus sind. Auf Teufel komm raus in die Charts und Alben verkaufen, so sind wir halt nicht.“

Die wichtigsten Eckdaten der Band in Kürze: 1999 gründen sich THE SKATOONS aus den Bands PENNERSCHICKERIA und ARD. 2005 veröffentlichen sie mit „Einmal Ska und zurück“ ihr erstes Werk auf Mad Butcher Records. Ein hochgelobtes Debüt, mit dem man die eingestaubte Hamburger Ska-Punk-Szenerie aufmischt. 2007 folgt auf dem Münsteraner Nachwuchs-Ska-Label Elmo Records das Album „Am Arsch die Räuber“. Die Hamburger Betonbau-Location Übel & Gefährlich verkauft man bei der Record-Release-Party bis auf den letzten Platz aus. Bei tausend größtenteils begeisterten Ska Fans stellt sich einem die Frage, wie man mit einem Fahrstuhl die Location bei Feuer oder Panik zeitnah leeren soll. Das Gebäude, angrenzend an das Millerntor-Stadion des FC St. Pauli, ist ein alter Betonbunker der Nazis, in dem mittlerweile neben dem Konzertclub auch ein Musikladen plus Musikakademie Einzug gehalten haben. 2010 ist das Jahr der Veröffentlichung „Highnoon am Hansaplatz“. Das Album steht für ausgereiften Hamburger Ska-Punk. Ein Prädikat, das man nunmehr für sich beansprucht. Publiziert auf Rotlicht Records, vertrieben via Broken Silence. 2011 startet erfolgreich für THE SKATOONS mit zwei ausverkauften Jahreseröffnungskonzerten im Hamburger Konzertclub Grünspan“. Das „Spirit Festival on Tour“ mit FUCKIN’ FACES, ALARMSIGNAL, HÖRINFARKT und ZAUNPFAHL folgt im zweiten Quartal des Jahres.

Zurück zum Interview im Headquarter der SKATOONS, ihrem Proberaum im von Drogen und Rotlicht geprägten Hamburger Stadtteil St. Georg. Das Besondere bei den SKATOONS ist ihre auf Hamburg beschränkte Popularität, möchte man jedenfalls meinen. Gitarrist und Rotlicht Records-Labelaktivist Lars sieht das differenzierter: „Keineswegs. Wenn wir in anderen Städten spielen, kommen da auch 100 bis 200 Leute, die die Texte mitsingen können. Das ist genug Befriedigung. Vor zehn Leuten zu spielen, ist halt auch mal nett, wenn es die zehn richtigen sind. Man kann in allen anderen Städten so viel erreichen wie in Hamburg, aber dann muss mehr daran gearbeitet werden. Das machen wir halt nicht.“

Mit „wir“ meint er, die zehnköpfige Band. Geführt von Chrisch am Mikro, den man auf der Bühne als Rampensau erleben kann. Als Gründungsmitglied lässt er auf der Bühne erkennen, der Mittelpunkt sein zu wollen. Das Spielchen zwischen Redeverbot für andere Musiker und Gute-Laune-Attitüde mit regelmäßig neurotischer Kontrolle, ob das Mikrokabel auch noch am Mikro hängt, macht daraus eine durchaus humorvolle Aktion – hanseatisches Entertainment. Die zehnköpfige Band ist demnach alles andere als eine Zusammenrottung gleicher Charaktere im gleichen Gewand. Unterschiedlicher kann ein Band-Line-up kaum ausfallen.

2005 ist Bassist Flo ausgestiegen. Neuer Arbeitgeber des nach wie vor intern beliebten ehemaligen Mitglieds von THE SKATOONS wurde REVOLVERHELD. Lars sucht nach den richtigen Worten. „Flo ist ein feiner und bodenständiger Kerl. Man muss seine Entscheidung akzeptieren. Er hat zwei Jahre vorher seine Entscheidung angekündigt und daraufhin zugearbeitet. Dieser Schritt ist voll akzeptiert.“

Es ist in der Tat schon verwunderlich, wie unterschiedlich beide Bands positioniert sind, was die Frage aufwirft, ob es nicht mehr Respekt verdient, Musik zu machen, um Qualität zu produzieren, als kommerziellen Erfolg. „Klar kann man unser Ding so respektieren, weil wir das straight machen“, unterstreicht Gitarrist Henning, „wir fahren keine Linie, um schnell kommerziell zu werden und sich dann viel vom Management und Plattenfirma diktieren zu lassen. REVOLVERHELD machen nicht umsonst so eine Musik, wie sie die machen. Das ist die Richtung, auf die die Majors im Moment abfahren. Das ist eine Entscheidung, die auch einen Kampf mit sich bringt. Ich habe die Jungs zwei Jahre vor ihrem Debütalbum im Logo hier in Hamburg gesehen und die Bude hat gebrannt. Eine absolut tighte Band. Ich glaube, denen fällt es auch nicht so leicht, seichten Popkram zu machen. Vor deren Entscheidung habe ich genauso viel Respekt. Es ist bestimmt nicht einfach, diesen Fernsehzirkus mitzumachen. Da ist mein Job, Getränke zu fahren, auf eine andere Art und Weise anstrengend. Aber welcher Job bringt keine Anstrengung mit sich?“

Es geht ums Eingemachte und um die eigene Ausrichtung, das Grundlegende und Existenzielle. Klar wird: THE SKATOONS sind eine Formation mit dem selbstformulierten Ziel, Musik zu machen mit dem Spaßfaktor als Schwerpunkt. Musik aus Überzeugung, ohne großen kommerziellen Druck der kapitulierenden Plattenindustrie. Hier zählt die Freundschaft, trotz der Unterschiede.

THE SKATOONS sind eine Band, die sich musikalisch noch weiterentwickeln muss. Schaut man sich die Ausrichtung der drei SKATOONS-Releases an, so fehlen zwei Aspekte: der Tiefgang und die Perspektive einer Weiterentwicklung. Zu ähnlich sind die Songs, zu gleich die Zutaten. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung man Erfolg und hanseatischen Ska weiterhin authentisch entwickeln kann. Genügend weitere Kulturmetropolen, die es zu erobern gilt, gibt es im deutschsprachigen Raum. Nach dem Heimvorteil kommt immer das Auswärtsspiel.