Gib mir mal einen Abriss über das aktuelle Line-up. Auf dem Album wart ihr noch ein Quartett, jetzt seid ihr zu fünft?
„Ich bin die Leadsängerin und Glamazon princess from outer space, Miss Shelley, the BAAAD Mutha, am Bass, Double D, Deanne The Destroyer, am Schlagzeug, Melody Licious an der Leadgitarre und Baby Ruth ebenfalls an der Gitarre. Dann haben wir für ein paar Stücke auch noch Kelly Argyle am Saxophon. Mehr ist mehr, Baby!“
In welchen Bands habt ihr vor den SIRENS gespielt?
„Also wir haben 2000 angefangen, allerdings nur zwei Shows in dem Jahr gespielt, bevor es richtig los ging. Was andere Bands anbetrifft: Double D und Melody drehen völlig durch. Jede hat noch drei Bands außer uns, darunter die COME-ONS, SUNSHINE DORAY und LOS CORONADOS, um nur einige zu nennen, und beide waren auch bei den GORE GORE GIRLS. Baby Ruth spielte bei OUTRAGEOUS CHERRY, ehe sie zu uns kam. Kelly ist bei den AFFLICTIONS aus Chicago, Miss Shelley und ich waren für kurze Zeit bei BLACK POWDER, zusammen mit den Zwillingen von den BUZZARDS und Mary von den DETROIT COBRAS. Die SIRENS sind sozusagen die Eingeweide dieser Band.“
Euer selbst betiteltes Debütalbum ist meine Lieblings-Partyplatte des Jahres. Es gibt allerdings fast nur Coversongs. Können wir uns denn demnächst auf mehr eigenes Material einstellen?
„Ganz bestimmt nicht. Es sind übrigens ausschließlich Cover-Songs. Es wird keine selbst geschriebenen Songs von uns geben! Wir stehen da überhaupt nicht drauf, und wir wollen uns auch nicht rechtfertigen. Leute wie Ella Fitzgerald oder Frank Sinatra haben auch keine eigenen Stücke geschrieben, sie hatten nur das richtige Gespür für das richtige Material. Genauso arbeiten wir auch.“
Das Album beginnt mit dem Gary Glitter-Song „I didn’t know I loved you (’til I saw rock’n’roll)“. Man könnte sagen, dass das geschmacklos wäre, wegen Garys Kinderschänder-Prozess, haha.
„Oh, ich weiß nicht. Gary Glitter mag eine wie ein Weihnachtstruthahn aufgebrezelte Drag Queen sein, aber das bin ich ja auch. Ich kann es kaum fassen, wie weit seine Musik ihrer Zeit voraus war. Auch wenn er so was wie der Rock’n’Roll-Rip-Taylor ist.“
Neben englischem 70er-Glamrock scheint auch R’n’B der 60er Jahre ein Einfluss zu sein ...
„Ja, das passt perfekt zu uns. Allerdings war es ein totaler Zufall, dass wir auf dieser Schiene landeten. Ich war besessen davon, das größte Mädchen auf der ganzen Welt zu sein, als ich mit meinen riesigen Plateausohlen durch Taiwan und Korea lief. Ich musste mich an jeder Tür ducken! Und ausgefallene Kleidung scheint so eine Art von Familientradition zu sein, wie man auch an meinem Bruder Danny von den DEMOLITON DOLL RODS und den GORIES sehen kann. Obwohl er sich doch deutlich dezenter kleidet. Als wir jung waren, gingen wir immer viel lieber zum Einkaufen als in den Park. Wenn wir uns gegenseitig besuchen, gehen wir immer zuerst zum Kleiderschrank und zeigen uns unsere neuen Klamotten. Unser jüngerer Bruder ist genauso drauf. Dazu kommt noch, dass ich schon immer ein großer Fan von Bowies ‚Ziggy-Stardust‘-Ära war, genauso wie von SLADE und den NEW YORK DOLLS, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie zum gleichen Genre gezählt werden. Glamrock hatte hier nie so eine große Bedeutung wie in Europa. Wir waren aber immer schon höllisch laut, und als Melody dazu kam, wollte sie auch diesen harten Sound. Ich liebe auch gute Popsongs, und die wenigen, die wirklich rocken – wie Glamrock eben – bringen mich wirklich um. Aber eigentlich spielen wir die Songs, die wir lieben, wir mögen Ike und Tina Turner genauso wie Sixties-Garage, und wenn wir Bock darauf haben, spielen wir eben auch mal was von POISON oder NAZARETH.“
Wie wichtig sind Plateausohlen und Klamotten für die SIRENS?
„Anders als bei unseren Songs sind wir sehr hinterher, unsere Klamotten selbst zusammenzubasteln. Wir haben etwa 20 verschiedene Kostüme und wir tragen bei jeder Show ein neues. Und wir gestalten auch die Plattencover und die Merchandising-Produkte selbst. Der gesamte visuelle Aspekt einer Bühnenshow ist etwas, was wir in der letzten Zeit sehr vermissen, denn wir legen darauf großen Wert. Wir unterstützen den Gedanken, dass schlechter Geschmack besser ist als überhaupt kein Geschmack!“
Letztens habe ich Suzi Quattro live gesehen, und sie tritt immer noch Arsch. Ihr spielt „Glycerine“. Ist sie eine Art Vorbild?
„Suzi ist fantastisch, wie könnte es anders sein. Es wäre toll, wenn sie mal wieder nach Detroit käme, sie stammt auch daher. Und dann sollte sie mal mit uns und den PAYBACKS spielen. Zum Glück gibt es mittlerweile genug Mädchen, die in Bands spielen, so dass es nicht mehr nötig ist, sich Respekt zu verdienen, wie sie es getan hat. Aber wir wollen einfach zeigen, was es bedeutet, wenn Mädchen rocken, aber wir wollen uns dabei überhaupt nicht mit Jungs-Bands messen. Wir haben aber definitiv die besseren Mode-Optionen, und können viel böser sein, ohne auch nur einen Stiefel zum Arschtreten heben zu müssen.“
Für das Album hattet ihr zwei Produzenten, Michael Ivins von den FLAMING LIPS und Jim Diamond ...
„Ja. Michael war Dr. Frankenstein für unserem vorher schon rauen Sound, oder? Wir haben das ganze Ding in weniger als einem Tag durchgezogen. Bei unserer letzten Platte, die wir mit ihm aufgenommen hatten, der EP ‚Hellraiser And Other Sweet Songs‘, die vor kurzem auf Wiped Out in Frankreich erschienen ist, hat Baby Ruth soviel Feedback produziert, dass ihr Verstärker in Flammen aufgegangen ist. Die Stücke mit Jim Diamond wurden für unsere erste Wiped Out-EP aufgenommen, aber sie gefielen uns so gut, dass wir sie unbedingt auch auf der LP haben wollten.“
Nach Slacker/Grunge und der Riot-Grrrls-Ära gab es all diese Heulsusen wie COLDPLAY und RADIOHEAD. Bringen jetzt die SIRENS den Spaß in den Rock’n’Roll zurück?
„Aber klar! Ich sage dir, ich hatte alle diese depressiven Langeweilerbands so was von satt. Wenn ich ausgehe, will ich Spaß haben, mit dem Arsch wackeln, mitsingen und ganz viel Bier trinken, und das will ich auch durch die Musik rüberbringen. Und wie ich feststelle, ist es auch das, was die Leute wollen. Das ist definitiv ein weiterer Aspekt von Glam, den wir perfekt verkörpern.“
Die Detroit-Szene brummt ja momentan nur so vor frischen Talenten. Letztens habe ich Scott Morgan interviewt, und er sagte, Bands aus Detroit seien eher von Musik verschiedener Stile und Jahrzehnte beeinflusst, als etwa Bands aus L. A. oder New York ...
„Genau! Die Vielfalt der Musik hier ist unglaublich. Und all diese Bands sehen sich auch die anderen Bands an, in diesem Mikrokosmos gibt es wenige Barrieren untereinander. Die Einflüsse stammen aus vielen verschiedenen Episoden. Ich hatte keine Ahnung, dass es anderswo nicht so ist!“
Mit welchem großen Act, lebendig oder tot, würdet ihr gerne mal zusammen spielen?
„Für mich wären es SLADE oder die HOLLYWOOD BRATS, schon wegen des unglaublichen Trash-Party-Spirits.“
Wenn die SIRENS die Weltherrschaft übernehmen, was wird anders?
„Schuhe und Schnaps wären für jeden umsonst, und ein Kater wäre als legaler Grund anerkannt, nicht zur Arbeit zu gehen!“
Habt ihr auch noch andere Hobbys als Rock’n’Roll?
„Einkaufen, Saufen und Sonnenbaden am Pool!“
Pläne für die Zukunft der SIRENS? Musikalisch und anderes ...
„Wir hoffen, dass wir es im Frühling mal über den großen Teich für ein paar Shows schaffen. Und wie gesagt, die neue EP auf Wiped Out kommt auch bald raus!“
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