SIR WILLIAM HILLS

Foto

Very British: Perfekte Zwei-Minuten-Songs zu Baked Beans!

SIR WILLIAM HILLS aus Basel in der Schweiz sind seit 2000 am Start, aber ihr charismatischer, britischer Leader Steven Belcher, seines Zeichen Gitarrist und Sänger der Band, ist eigentlich schon fast eine Ewigkeit unterwegs: von den frühen Punk/Indie-Jahren bis zu seinem Mitwirken bei der Noise-Combo HEADBUTT in der Endphase der 90er. Die Musik der SIR WILLIAM HILLS, deren Bandname von einem Buchmacherbüro stammt, und Steves Gentleman-Punk-Attitüde heben sich angenehm vom derzeitigen UK-Indierock-Hype ab. Sie brauen ihr ureigenes Pint of Lager aus den WHITE STRIPES und Wild Billy Childish, was ja per se schon mal gut kommt. Mittlerweile hat die Band nicht nur bemerkenswerte Festivals hinter sich gebracht, unter anderem das Punk & Disorderly 2005 in Berlin, sondern nun auch das erste, coole Release auf dem kleinen, aber feinen Label Bad Dog Records aus Berlin herausgebracht, mit dem simplen Namen "Cheer". Auch wurden sie als Support Act etwa der BUZZCOCKS, LIBERTINES und AVENGERS gefeiert - Grund genug, sich einmal mit ihrem Elder Statesman Steven Belcher näher zu unterhalten.

Steven, du bist ja als Leader of the Pack schon eine ganze Weile dabei. Im Song "Wonderful" stellst du die Gleichförmigkeit der Musik fest und prangerst das an. Was ist genau wie damals, was hat sich verändert? Und wieso machst du immer noch eine Band und bist dabei?


Ich mache immer noch Musik, weil ich Bands mag, und weil es mir was bringt. Als Punkrock 1978 auch in die ländliche Gegend meiner Heimat Gloucestershire im Südwesten Englands kam, und damit auch zu mir, war das genau das Richtige für mich, auch wenn ich nichts Genaues darüber wusste, denn alles, was ich und meine Kumpels machten, war saufen, Fußball spielen und miese Jobs machen. Wir gründeten eine Band, wie tausend andere Teenager in Großbritannien auch. Es war der richtige Zeitpunkt. Unregelmäßige Proben, ein grausamer Gitarrensound, begleitet von Texten gegen Thatcher und Rassismus ... Songs, die uns in die "große Stadt" bringen sollten. Also nach Cheltenham, wo es Bands zu sehen gab wie GENERATION X. Wir brachten es aber nie zu einem Plattenvertrag, bei unserem letzten Gig stoppte der Clubbesitzer uns nach nur drei Songs und sagte, wir wären die mieseste Band aller Zeiten! Ich hatte nie mit der Plattenindustrie zu tun, auch nicht mit meinen besseren Bands, wir bekamen einfach keinen Deal zustande. Immer nur Gigs spielen, sich besaufen und dann auflösen. Und mal ehrlich, was soll das auch, es gibt doch jetzt eine ganze Menge echt schlechte Musik, allerdings fangen die meisten Leute immer noch aus denselben Gründen mit einer Band an, wie wir damals: weil es Spaß macht und Musik eine fantastische Sache ist. Allein schon, weil du das aus dir rauslassen kannst, was du sonst den ganzen Tag nicht sagen kannst, genau das ist wichtig. Der Song "Wonderful" ist ein Kommentar zu der ganzen dummen "gun culture" des Rap, denn jemand, der einen anderen abknallt, das ist ja wohl alles andere als wunderbar! Als Rap begann, war ich auch ein Fan davon, aber das war schnell vorbei.

Einige deiner Songs, wie "Like a cunt", "Oh Angelina" und "Get to know you", würde ich als "dirty love songs" bezeichnen. Wo und wann schreibst du? Und inwieweit sind die anderen Bandmitglieder an deinem sehr persönlichen Songwriting beteiligt?

Na schön, ein oder zwei Songs haben wirklich gesunde, böse, fiese Strophen und stammen aus meinen Eiern! Bei "Oh Angelina" geht es eher um die Erleichterung darüber, ihre Zustimmung zu finden, genauer aber um dieses Typ-verfolgt-ein-Mädchen-Ding aus so einem englischen "Carry On"-Film, du weißt schon, Titten, Spielereien am Schwanz und all so was. Klar bin ich selber mal glücklich, mal unglücklich, mal depressiv beim Schreiben meiner Songs, daher kommt auch mein persönliches Feeling dabei so durch. Der Song "Like a cunt" ist übrigens über eine junge Frau, die erst ein Typ war und dann eine Geschlechtsumwandlung hatte. Wann immer sie gefragt wird, wie sie sich fühlt, antwortet sie stolz und mit Sinn für Humor: "Like a cunt". Wie eine Fotze. Dann gibt es da noch den Song "As cute as Dickens could be, do you know my bird?" Ich weiß, dass Eddie, unser Drummer, den Text sehr mag, da er mir einmal erzählte, dass er den auf unsere Homepage gesetzt hat, und Bassist Dädäys Kommentar war nur: "Steve likes to shout things out!"

Euer Album "Cheer" hat einerseits diese typisch britische 77er Punk-Attitüde, andererseits sind die Songs echt modern, cool und eher im Stil der WHITE STRIPES mit Wild Billy Childish als Sänger. Wie würdest du selbst eure Musik bezeichnen? Wo liegen deine Einflüsse?

Ich würde unsere Musik als typische 78er UK-Gitarrenmusik begreifen und vermeide es dabei, das Wort "Punk" zu benutzen. Das hat einen Grund. Heute ist dieser Begriff so weit gefasst, dass er sogar für eine Heavy Metal-Band oder schnellen Hardrock verwandt wird, und das ist definitiv nicht das, was SIR WILLIAM HILLS machen! Wenn ich Songs schreibe, dann versuche ich erst mal, perfekte "Ein-, Zwei- oder Drei-Minuten-Gitarrenriffs", auch trashige, zusammenzufügen. Auf die dann eine Singalong-Gesangsphrase passt. Ich mag, wie so viele andere auch, Musik von den BUZZCOCKS, ATV, SEX PISTOLS, THE BIRTHDAY PARTY, THE SAINTS, THE UNDERTONES, das hat mich alles beeinflusst. Diese Bands kamen den perfekten ein, zwei und drei Minuten am nächsten, denke ich.

Wie sieht das Leben eines Engländers in einem Land wie der Schweiz aus?

Ich mag Basel, mir geht es gut hier, siehe auch unseren "Basel pop song". Ich habe hier Freunde und mein Saisonticket für den FC Basel, dann natürlich die Band, und hier gibt es auch einen richtigen Sommer, mit echtem Sonnenschein. Normalerweise gehe ich ins Restaurant vom Hirscheneck für ein gutes englisches Frühstück, aber ich mag es nicht, dass sie dazu Salat servieren, der auch noch auf demselben Teller mit dem Speck und den Eiern liegt. Zentraleuropa kann ja ganz guten Kaffee kochen, aber für meine Lebensart können sie hier keinen Tee machen! Ein Typ aus Basel erzählte mir sogar, dass er dafür die Mikrowelle anwirft, ich war sprachlos, was für ein Sakrileg. Dann musste ich auch noch super lange diese fürchterliche Mayonnaise benutzen, bevor ich herausfand, dass ausgerechnet die Franzosen auf der anderen Grenzseite englische Salatcreme verkaufen! Und in Deutschland decke ich mich mit HP-Sauce ein, die nicht Jedermanns Sache ist, ein Kumpel in Basel musste sogar direkt kotzen davon! Aber ich bin glücklich mit meinem beibehaltenen, unkultivierten englischen Lebensstil hier.

Ihr habt mit den SIR WILLIAM HILLS ein echtes Netzwerk aufgebaut: Heimatbasis Schweiz, Label in Berlin und Unterstützung aus UK. Wie kam es dazu?

Die ganze SWH-Sache läuft recht gut, die Band ist ja mehr oder weniger rund um Basel stationiert, der Labelkontakt mit unserem super Label ist dank Internet und Co. sehr einfach, und dasselbe gilt für unsere Naughty Dog Booking Agency, die aus Dresden stammt. Dann noch unser Booker Pechweiss, der ebenfalls aus Basel stammt. Morgen fliegen wir übrigens nach Blighty in England, um einen Off-Gig im Dirty Water Club in London zu spielen, und es ist cool, unsere dortigen Fans wieder zu sehen, und hoffentlich auch ein paar Neue zu gewinnen, Man kann sagen, dass wir modernste Technik einsetzen, um am Ball zu bleiben, haha.

Bist du immer noch ein großer Fußballfan und verwettest dein ganzes Arbeitslosengeld? Euer Name SIR WILLIAM HILLS kommt ja eher von Herren, die auf Pferde wetten ...

Klar, ich bin noch ein hoffnungsloser Fußballfan. Es wird immer stärker, anstatt nachzulassen. Allerdings wurde ich wegen meiner kontroversen, offenen Meinung zum Bristol Rover Club von deren offizieller Homepage verbannt! Und ja, ich habe immer noch einen Wettschein laufen bei den William Hill-Buchmachern. Ich und meine Kumpel, wie Millionen anderer auch in England, würden stets zu dem nächsten Buchmacher rennen, und auf Fußball, Hunde und Pferde wetten. Der nächste war halt der William Hill-Buchmacher. Wie du schon gesagt hast, sind die populärsten Wetten immer noch Pferdewetten. Aber auch Kricket, Boxen, Tennis, und ob es an Weihnachten schneit, liegen hoch in der Gunst. Ich erinnere mich noch an die Wette, dass die Ollen von den SPICE GIRLS für einen Film einen Oscar bekommen, lag bei sagenhaften 25.000 zu 1, im Gegensatz zu der Wette, dass Elvis von den Toten aufersteht und mit Marsmännchen eine Band gründet, die lag bei nur 20.000 zu 1! Natürlich habe ich auf Elvis gewettet. Mein Vater gab mir den Tipp, nie mehr zu wetten, als das, was ich wirklich zu verlieren bereit bin. Bis auf ein, zwei Mal habe ich mich daran auch gehalten. Die Wettbüros sind alles andere als Casinos, sie bestehen aus schäbigen Plastikstühlen und man sieht immer die gleichen Fressen. Alle hoffen darauf, eines Tages mit den Schönen und den Reichen als Nachbarn zu wohnen. Aber, an diesem Platz der Träume, oder besser: Platz für Träumer, musste ich nach jahrelangem Besuch des Sir William Hills-Buchmachers feststellen, dass ich mein Geld der Wettindustrie gab, ohne je vor Queen Lizzy knien zu dürfen. Aber ich bin kein großer Royalist. So ist das.

Euer schönstes Tour-Erlebnis?

Wie du sicher weißt, wenn man rumtourt und spielt, reist, säuft, schläft, dann ist eine Stadt irgendwann wie die andere. Ich erinnere mich komischerweise noch an eine Tour mit HEADBUTT, wo ich mit einem Drummer von einer anderen Band durch die Straßen lief und sagte: "Hey, Berlin ist doch echt super, oder?!" Und er sagte trocken: "Hey Steve, wir sind in Hamburg, nicht in Berlin!" Diese ganze Sache, außerhalb der Normalität auf Tour zu sein, und zu hoffen, ein paar Alben zu verkaufen und gute Gigs zu spielen. Das ist eigentlich nichts wirklich Erinnernswertes.

Der Masterplan von SIR WILLIAM HILLS in der Zukunft?

Der Masterplan der SWH ist, weiter nach dem perfekten "Two minutes of guitar song" zu suchen, unser Album rauszuhauen, jetzt Deutschland zu spielen, for details check our homepage, und überall und weltweit zu touren ... Wir mögen es, live zu spielen, und darum geht es uns.

Danke für das Gespräch.