SINNFREI

Foto© by Quinten Quist

Feiern wir den Untergang

Sie kommen zwar aus der Stadt, aus der gefühlt jede zweite Band kommt, die etwas mit Punkrock zu tun hat. Aber SINNFREI sind aller Wahrscheinlichkeit nach die ersten Düsseldorfer, die Ska-Punk spielen und damit nun ein ganzes Album, ihr erstes, gefüllt haben. Es heißt „Erotik des Zerfalls“. Und Sänger Nils erzählt im Interview, was denn so toll am Zerfall ist. Außerdem spricht er über die Vorteile des Ska-Punk und die Musikszene seiner Stadt. Und er spielt bereitwillig eine Runde Musik-Tinder.

Nils, ihr kommt aus Düsseldorf. Einer Stadt, die eine riesige Musikszene hat – gerade in Sachen Punk. Wo verortet ihr euch selbst in dieser Szene?

Mit der Entwicklung, die wir mit der Hinzunahme von Bläsern über die Jahre hin zum Ska-Punk durchlaufen haben, haben wir uns schon eine Nische gesucht, die in Düsseldorf im Punk mit allen seinen Spielarten noch nicht vertreten war. Ich bin ja selbst erst in dieses Genre reingewachsen und schlage da immer mehr Wurzeln – vor allem weil unser Schlagzeuger früher in einer Ska-Punk-Band gespielt und unser Gitarrist seit jeher ein Faible für RANTANPLAN hat. Die beiden hatten daran einen großen Anteil.

Nun wird Ska-Punk – aus welchen Gründen auch immer – von vielen als Gute-Laune-Genre belächelt. Was kann er deiner Meinung nach, was andere Spielarten des Punk nicht können?
Er verbindet Ausgelassenheit und Power. Und auch wenn es um ernste Themen geht, schwingt immer eine gewisse Positivität mit. Ska-Punk hat einen hoffnungsvollen Charakter. Nach dem Motto: „Bleibt dran – es wird sich schon wieder zum Guten wenden.“ Das finde ich wichtig. Und das spiegelt sich ja auch am Titel unserer Platte, „Erotik des Zerfalls“. Das bedeutet ja: Es ist alles kacke. Und wenn es nicht mehr besser wird, feiern wir eben den Untergang.

Klingt ein wenig fatalistisch. Was ist denn so erotisch am Zerfall, an der Zerstörung?
Die Chance, dass man aus dem, was kaputt geht, etwas Neues, etwas Besseres machen kann. Es läuft ja manches nicht so gut.

Stimmt, politisch, ökologisch ...
Und im gesellschaftlichen Diskurs – siehe Kommentarspalten in den sozialen Medien. Der Umgang damit ist ja ein schwieriges Thema, auch wenn wir als recht junge Band glücklicherweise noch nicht so viel Probleme damit haben.

Hoffentlich bleibt das dann auch so. Gehen wir mal auf Album ein. An einer Stelle singst du den schönen Satz: „Manchmal schimmelst du zu Hause, den Kopf voller Ideen, aber du lässt sie nicht raus.“ Diese Situation kennt wohl jeder Mensch. Welches war denn so die beste Idee, die du hattest und die du nie weiterverfolgt hast?
Wenn wir ganz weit zurückgehen und wenn es um die Band geht: Als Simon, unser Gitarrist, und ich 2014 noch vor der eigentlichen Gründung von SINNFREI quasi das Projekt „Band“ ins Leben riefen, haben wir uns am ersten Abend an den Rhein gesetzt. Und dabei ist ein Songtext entstanden, den ich auch heute noch gut finde, den wir aber bislang nie weiterverfolgt haben. Es wäre schön, wenn wir den irgendwann noch mal aufgreifen und auf ein Album packen könnten.

Einer eurer Songs heißt „Tinder“. Das bringt mich auf die Idee, hier auch mal „Tinder“ zu spielen. Also: Ich nenne dir ein paar Namen anderer Düsseldorfer Bands – und du sagst: „Kann weg, links wischen“. Oder: „Ist gut, rechts wischen“. Beginnen wir mal mit: DIE TOTEN HOSEN.
Immer noch gut, also rechts wischen. Ich muss zwar zugeben: „Ballast der Republik“ war die letzte Platte, die ich gut fand. Aber sie haben ihre Entwicklung durchgemacht und machen alles so, wie sie es für richtig halten. Und nach vierzig Jahren klingst du einfach nicht mehr so wie vor vierzig Jahren.

JOSEPH BOYS.
Mit ihnen konnte ich lange nichts anfangen und hätte links gewischt. Denn die ersten Sachen, die ich von ihnen gehört habe, waren mit Sprechgesang. Das ist nicht meins. Aber ein Song wie „Liebe, du Schwein“ vom neuen Album ist richtig gut. Ich würde sie sehr gerne mal live sehen, um mir eine endgültige Meinung zu verschaffen. Mich interessiert vor allem, inwieweit ihre Musik vielleicht auch einem gewissen, ich sage mal, besonderen künstlerischen Anspruch unterliegt, den sie aus ihrem Namen ableiten.

Und zuletzt: KRAFTWERK.
Wischen nach rechts. Einfach genial! Ein anderes Steckenpferd von mir sind auch verschiedene Spielarten der elektronischen Musik – unter anderem Aphex Twin, BOARDS OF CANADA oder CARBON BASED LIFEFORMS. Und die würde es ohne KRAFTWERK ja nicht geben.