SHY, LOW

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Licht und Schatten

Für ihr fünftes Album „Snake Behind The Sun“ hat die Instrumentalband aus Virginia einen Kurzfilm produziert, in dem der Protagonist voller Besessenheit einen Apparat konstruiert, mit dem versucht, Sonnenlicht in flüssiger Form zu speichern. Warum das im Skript desaströs endet und welche Metapher dahinter steckt, erzählt die Band im Interview.

SHY, LOW veröffentlichen erstmals ein Album auf Pelagic, dem Label von THE OCEAN-Mastermind Robin Staps. Als Leitmotiv der Platte und des Videos zu „Helioentropy“ wurde der Gedanke gewählt, dass allem Positiven auch negative Effekte innewohnen. „Wer sich zu sehr auf das stürzt, was er liebt und was ihn begeistert, kann davon auch aufgefressen werden, wenn die verfügbare Zeit nicht mit anderen wichtigen Dingen ausbalanciert wird“, so Bassist Drew Storcks. „Das ist so etwas wie die Fortführung der klischeehaften Redewendung, dass jede Rose auch ihre Dornen trägt.“ Sich dessen bewusst zu sein – selbst im Moment der absoluten Hingabe – gilt als Herausforderung. Einen Versuch des richtigen Umgangs formuliert Gitarrist Zak Bryant: „Es passiert schnell, dass wir Situationen, Themen, Menschen oder Gespräche idealisieren und dadurch verzerrt wahrnehmen. Man sollte sich seiner Umgebung emotional und physisch bewusst sein. Gib dein Bestes, aber sei extrem achtsam dabei.“ Ein Erlebnis, das auf eindringliche Weise diese Ambivalenz hervorhob, hat sich tief in das kollektive Bandgedächtnis eingegraben: „Wir waren auf einem wunderschönen Berg in West Virginia, mit Blick auf einen Fluss. Ich kletterte über eine Felskante und fand darunter einen versteckten Brief einer Tochter an ihre Mutter. Wir vermuten, dass die Mutter Selbstmord beging oder hier anderweitig ums Leben kam. Das hat uns spüren lassen, wir nah etwas Schönes wie diese Landschaft und eine schreckliche Tragödie beieinander liegen können. Es legte sich als Schleier über den Ort und inspirierte uns zu ‚Binary Opposition‘“ [Veröffentlichung von 2013, Anm. d. Red.], erzählt Gitarrist Gregg Peterson. Das Ergebnis ist – damals wie heute – sphärischer Post-Rock, der gänzlich ohne Vocals auskommt. Das schafft Raum für eigene Interpretationen, während es beim Schreiben oft visuelle Konstrukte sind, zu denen die Musiker den passenden Soundtrack suchen. Allerdings steht in diesem Raum auch die Option, zukünftig Gesangspassagen einzubetten. Das wolle man sich offenhalten, so Peterson. Genauso offen ist die Band für neue Wege, die über das Schreiben von Alben und das Touren hinausgehen. Das war besonders während der Hochphase der Pandemie ein Thema, als es keine Konzerte gab. Darauf angesprochen, bestätigen die Musiker, dass auch das Kreieren von Filmmusik eine Idee wäre: „Nur durch das Sichten von Kameraaufnahmen, ohne Tonspur und Kenntnis des Drehbuchs, den Soundtrack zu diesen Szenen zu schaffen – das könnte ein spannendes Experiment sein“, erwidert Storcks abschließend mit Blick in die Zukunft.