Lee Dorrian von CATHEDRAL hat für sein Label Rise Above Records einen guten Riecher gehabt und eine Band namens SERPENTCULT unter Vertrag genommen. Die vierköpfige, aus Belgien stammende Truppe spielt – das Label lässt es erahnen – Doom Metal. Doch mit zwei Aspekten kann die Band sich von der düsteren Masse emanzipieren: erstens liegt der Musik SERPENTCULTs ein unüberhörbarer Sludge-Einfluss zugrunde und zweitens singt hier eine Frau mit einer außergewöhnlichen Stimme – und diese wird wohl die Geister scheiden. Nach der ersten EP „Trident Nor Fire“, im April 2007 auf I Hate Records veröffentlicht, folgte vor kurzem das Debütalbum namens „Weight Of Light“, das mich sehr begeistern konnte. Es folgt einem interessanten philosophischen Konzept, wie sich im Interview mit Gitarrist Frederic Caure herausgestellt hat.
Frederic, lass uns mit der unangenehmsten Frage beginnen: SERPENTCULT sind euer Neuanfang, denn eure Vorgängerband, THEE PLAGUE OF GENTLEMEN, wurde aufgelöst, weil euer damaliger Sänger Steve Mac ins Gefängnis gehen musste. Er hat sich des mehrfachen Kindesmissbrauchs strafbar gemacht. Möchtest du dazu noch was sagen?
Um ehrlich zu sein, ist das ein Thema, über das ich lieber nicht sprechen will. THEE PLAGUE OF GENTLEMEN sind Geschichte und wir brauchen nichts aus der Vergangenheit, um mit SERPENTCULT in Schwung zu kommen.
Drummer, Gitarrist und Bassist sind also nach wie vor dieselben. Nun arbeitet ihr erstmals mit einer Sängerin. Wo habt ihr Michelle gefunden?
Michelle ist eine alte Bekannte von unserem Drummers Cozy. Wir kannten sie schon, bevor sie bei uns einstieg, allerdings wussten wir nichts von ihren Sangeskünsten. Als wir mit SERPENTCULT anfingen, waren wir auf der Suche nach einer kraftvollen, melodischen Stimme. So eine zu finden, war gar nicht so einfach. Wir hatten ein paar Kandidaten, aber nie hatten wir das Gefühl: „Das ist es!“ Nach einer bestimmten Zeit haben wir uns gefragt, ob wir jemals einen Sänger finden würden, der jedem von uns dreien gefallen könnte. Dann kam Cozy auf die Idee, Michelle zu einer Probe einzuladen. Und schon nach wenigen Augenblicken hatten wir unsere Entscheidung gefällt.
Michelles Stimme klingt einzigartig, kräftig und pathetisch – im positiven Sinne. In der Doom-Szene sind Sängerinnen nach wie vor eine Minderheit. Was für Reaktionen erntet man mit einer „Frontfrau“?
Wenn man die Worte „Doom“ mit „Frauengesang“ in Verbindung bringt, wird man schnell und ungeniert als Goth-Metal-Band kategorisiert. Bis die Leute verstehen, dass wir mit diesem Zeug nichts zu tun haben, braucht es eine Weile. Was wir machen, machen nicht viele Bands, das ist wahr, den Weg wollen wir aber gehen. Michelle ist in Zwischenzeit quasi zu einem Markenzeichen für unsere Band geworden, und das mit größtenteils positiven Resonanzen.
Eurem Doom Metal der alten Schule fügt ihr eine gehörige Portion Sludge(core) hinzu. Vor allem die Produktion und der Mix von Billy Anderson – EYEHATEGOD, MELVINS, NEUROSIS – vertiefen diesen Aspekt. Euch mit anderen Bands zu vergleichen, fällt schwer. Was aber sind die tatsächlichen Einflüsse der Band?
Meistens sagen die Leute, dass wir wie eine Sludge-Band klingen. Aber sollte ich mehr als fünf Sludge-Platten in meiner Sammlung haben, wäre das eine Menge! Das, was uns am meisten beim Schreiben inspiriert, sind Riffs, Riffs und nochmals Riffs. In der Tat haben größtenteils Heavy Metal- und Hard Rock-Bands aus den 70ern und 80ern auf uns gewirkt. Aber im Prinzip sind unsere Einflüsse sehr weit gefächert. Ich kann sogar so weit gehen und zugeben, dass ich für viele unserer Songs auf dem Album ernsthaft inspiriert wurde von der Soulmusik der 60er. Aber das ist sehr, sehr gut verschleiert, haha.
Zumindest, was die Titel angeht, haben eure Texte einen düsteren, mystischen, gar fantastischen Charakter. Das suggerieren Namen wie „Screams from the deep“, „Awaken the kraken“ oder „Templar“. Verfolgt ihr ein inhaltliches Konzept?
Fantasy-artig sind sie garantiert nicht, eher handelt es sich um eine philosophische Vision. Die Texte folgen einem Konzept, das unsere eigene persönliche Weltsicht beschreibt. Es geht um die tiefere Bedeutung von „Weight Of Light“, also dem „Gewicht des Lichts“ – „Licht“ im Sinne von „Erleuchtung/Erkenntnis“. „Weight Of Light“ thematisiert den Gedanken der Individualität, dass man seinen eigenen Weg wählen soll. Denn es ist der Pfad deines eigenen Verstandes, ungeachtet aller „irdischen“ und „materiellen“ Dinge um dich herum. „Weight Of Light“ sagt aber auch, dass man nicht den leichtesten Pfad wählen, sondern die ganze Schwere seiner eigenen Erleuchtung ertragen soll. Das Konzept ist kein negativer Ansatz – auch wenn es vielleicht so wirkt. Wir ertrinken nicht in Selbstmitleid und Weltschmerz, sondern stehen wieder auf und marschieren weiter!
Der Opener des Albums heißt „New world order“, ein Begriff, der im Metal schon oft Beachtung fand. Die „neue Weltordnung“ wurde erstmals nach dem Ersten Weltkrieg von dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson ausgerufen. Sie bezeichnet die politische Idee einer globalen Gesellschaftsordnung, einer ideal geordneten Lebenswelt für die gesamte Erdbevölkerung – ein diskussionswürdiges Konzept. Welche „Neue Weltordnung“ strebt SERPENTCULT an?
Der Song handelt davon, dass man von Kräften gelenkt wird, auf die man kaum Einfluss hat. Das sind nicht nur politische Mächte, sondern auch religiöse, wirtschaftliche und andere. Entweder sitzt man da und jammert, oder man macht sich Gedanken, und wenn man es für nötig hält, greift man ein. Dazu sollte man wissen, dass ich eine Aversion gegen Leute habe, die sich immer beklagen, aber nie etwas unternehmen, um etwas zu bewirken und vielleicht sogar zu verändern. Die Welt befindet sich in einer stetigen Erneuerung. Und wenn wir wollen, können wir daran teilnehmen. Es gibt viele verschiedene Wege und es liegt bei dir, was du daraus machst.
Und welche Bedeutung hat „Serpentcult“ als Bandname?
„Serpentcult“ sollte an sich der Name für das anstehende Album von THEE PLAGUE OF GENTLEMEN sein. Der Bandname SERPENTCULT kommt aus einem religiösen Kontext: „Serpent“ kommt vom Lateinischen „serpens“ und heißt „Schlange“. Im Englischen ist damit die Schlange aus dem biblischen Schöpfungsbericht gemeint, die Geschichte von Adam und Eva. Aber der Begriff ist nicht nur religiös zu deuten, oft bedeutet er auch eine symbolische Erneuerung und ich denke, dass mein Kommentar zu „New world order“ zur Genüge erklärt, wie meine Visionen bezüglich Erneuerungen sind.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Arndt Aldenhoven
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #81 Dezember 2008/Januar 2009 und Arndt Aldenhoven