SELF DEFENSE FAMILY

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Kunstpunk?

Bei einem Kunstprojekt wie SELF DEFENSE FAMILY können konkrete Strukturen oder gar ein fester Name nur stören. Anders lassen sich eine Mitgliederanzahl von bis zu 18 Musikern und ein Namenwirrwarr von END OF A YEAR über END OF A YEAR SELF DEFENSE FAMILY bis hin zum aktuellen Namen SELF DEFENSE FAMILY nicht erklären. Musikalisch scheint man sich für die aktuelle Veröffentlichung „Have You Considered Punk Music“ jedoch geeinigt zu haben: Überraschung, es ist kein Punk-Album, wie man es sich vielleicht vorstellt. Punk ist hier auf jeden Fall die Herangehensweise an Musik und an Erwartungen, über die Sänger Patrick Kindlon im Telefoninterview einiges zu erzählen hat.

Patrick, es soll ja Leute geben, die sich wegen eines Interviews, das sie lesen, dazu entscheiden, bei einer Band mal reinzuhören. Wie würdest du diese Menschen auf SELF DEFENSE FAMILY aufmerksam machen?


Natürlich würde ich versuchen zu beschreiben, was uns interessant macht. Da wäre zum einen die Größe unseres Kollektivs und dass es im Grunde kein richtiges Bandgefüge gibt. Alle Individuen, die hier beteiligt sind, sind eigentlich super verrückt und haben ihre eigene Vorstellung davon, wie die ganze Sache klingen soll. Wer davon gerade als SELF DEFENSE FAMILY auf der Bühne steht, entscheidet meist der Terminkalender der einzelnen Musiker. So kann es kommen, dass wir mal als Trio und mal als ganzes Orchester Konzerte spielen. Das macht uns unberechenbar. Darüber hinaus sind die einzelnen Charaktere in der Band unglaublich interessant. Wir haben Fotografen dabei oder auch Leute, die eigentlich Songs fürs Fernsehen schreiben. Mary ist begeisterte Muay-Thai-Kämpferin. So jemanden findet man auch nicht in jeder Band.

Du veröffentlichst neben der Band auch noch Comics, die sogar bei Marvel erscheinen, und bist als Sänger so etwas wie die einzige Konstante in der Band. Woher kommt die Motivation, sich für ein Album wie „Have You Considered Punk Music“ als Band zusammen zu tun?

Lass mich dir ein Geheimnis verraten: Ich bin das wohl unbegabteste Mitglied in der Band. Vielleicht wirkt es durch meine exponierte Rolle als Sänger so, als wäre ich eine Art Dirigent. Ich sehe mich eher als so was wie einen Schiedsrichter, der zwischen den vielen unterschiedlichen kreativen Ideen vermittelt. Dabei versuche ich das auch immer etwas unterschwelliger. Wenn die anderen mich angucken und ich ein Gesicht mache, als würde ich furzen, überlegen sie sich noch mal, ob der Song sich tatsächlich in die richtige Richtung bewegt. Darüber hinaus ist die Atmosphäre im Studio sehr konzentriert und gleichzeitig inspiriert. Die meisten Mitglieder freuen sich auf die Aufnahmen und dass sie ihre angestauten Ideen zusammen mit den anderen zu einem Song und schlussendlich auch einem Album werden lassen können. Bei so vielen Kreativen entstehen eigentlich permanent Ideen. Der Terminplan der meisten entscheidet dann, wer an welchen Songs mitarbeiten kann.

„Have You Considered Punk Music“ handelt unter anderem von Dingen, die uns während unseres Lebens begleiten, deren Bedeutung sich jedoch über die Zeit ändert. Wie entstehen deine Texte?

Zuallererst muss ich sagen, dass ich recht faul bin, was das Schreiben von Texten angeht. Es ist nicht so, dass ich mich ins Straßencafé setze ich und mir Notizen zu den Leuten mache, die an mir vorbeilaufen. Im Gegenteil: Erst wenn ich im Studio bin und diesen zeitlichen Druck spüre, kann ich etwas Gescheites zu Papier bringen. Um ehrlich zu sein, mache ich mir sogar meist mehr Gedanken darüber, wie viel Geld die ganze Produktion gerade kostet und dass ich mich besser beeilen sollte.

Denkst du, dass wir uns durch Musik von der Realität ablenken müssen? Inwieweit macht dein schwarzer Humor die Welt für dich erträglich?

Für mich als Amerikaner stellt sich aktuell eher die Frage, wie manche Menschen es ohne schwarzen Humor durch den Tag schaffen. Galgenhumor wäre auch eine nette Beschreibung dafür, was im Moment angebracht wäre. Tatsächlich sind die meisten Leute hier jedoch vor allem darauf bedacht, niemandem durch ihre Äußerungen auf die Füße zu treten oder gar zu verletzen. Ich für mich habe gelernt, dass eine Sache, die ich nicht auf eine humoristische Art verarbeiten kann, schon unglaublich gravierend sein muss. Und wenn wir ehrlich sind, sind das ja eigentlich nicht so viele Dinge. Wir müssen die Realität so nehmen wie sie ist, keine Frage. Darüber zu lachen hat jedoch auch noch keinem geschadet.

Um noch mal auf die Auseinandersetzung zwischen Erwartungen und der Realität zurückzukommen: War es für dich schon immer klar, dass du eines Tages Künstler sein wirst?

Ja! Gefühlt habe ich aber auch noch nicht wirklich viel als Künstler erreicht. Als Kind hatte ich immer die Vorstellung, Musik zu machen und Comics zu schreiben. So weit habe ich meinen Traum zumindest schon mal in die Tat umgesetzt. Hätte ich die Chance, meinem eigenen Teenager-Ich gegenüberzustehen, käme ich meinem Teenager-Ich wahrscheinlich super erfolgreich vor. Tatsächlich bin ich im Moment aber total pleite und kann mich mit Comics und Musik nur knapp über Wasser halten. Würde ich an dem Weg, den ich gegangen bin, etwas ändern? Nein, definitiv nicht. Anders als viele andere Menschen, kann ich das machen, was ich mir schon immer gewünscht habe. Ich bin glücklich. Das ist schon sehr viel wert.

Was war das Wertvollste, das dir im Zusammenhang mit SELF DEFENSE FAMILY passiert ist?

Oh, da kann ich, um ehrlich zu sein, keinen konkreten Zeitpunkt oder Sache benennen. Es ist eher so, dass ich es unglaublich zu schätzen weiß, dass ich mit dieser Band fast die ganze Welt habe sehen dürfen. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. Konzerte zu spielen, die Reaktionen der unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, das sind Erinnerungen, die mit keinem Geld der Welt wirklich aufgewogen werden können.

Ist es auch ein Ausdruck von Kunst, dass eure Stücke kaum Songstrukturen haben, die es den Hörern vielleicht etwas leichter machen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen?

Es ist einfach das, was aus uns herauskommt. Bands wie TOUCHÉ AMORÉ gehen ja zum Teil ähnlich an die Sache heran. Wenn du etwas zu erzählen hast, dann kleidest du es in deine Worte und drückst dich so aus, wie es sich für dich am besten anfühlt. Soweit ich weiß, wurde noch nie jemand dazu gezwungen, unsere Musik gut zu finden. Nicht einmal in Amerika.