Punkrock aus Schweden ist recht bekannt und viele Leute aus der ganzen Welt mögen und verehren die vielen verschiedenen Bands und Spielarten. Generell hat Musik einen hohen Stellenwert in der schwedischen Gesellschaft, wo eine Vielzahl an Programmen in den Schulen angeboten, wo Proberäume und Auftritte gefördert werden. Es ist kein Wunder, dass es viele erfolgreiche Pop- und Rockbands aus Schweden gibt.
Diejenigen unter euch, die mit der Materie des Sammelns von Punkrock-Platten-vertraut sind, wissen, dass es in Schweden Ende der Siebziger Jahre unsagbar viele Punkbands gab. Die meisten davon waren zu diesem Zeitpunkt allerdings außerhalb der Landesgrenzen kaum bekannt. Es war mehr die zweite Welle der schwedischen Punkbands, die mit ihrem sehr brutalen Hardcore-Punk weltweite Aufmerksamkeit auf sich zogen. Um 1982/83 erschufen diese schwedischen Bands einen neuen Stil, den sie selbst als „Kängpunk“ bezeichneten, der in unseren Breitengraden eher als „D-Beat“ bekannt ist. Gruppen wie ANTI CIMEX, AVSKUM, CRUDE SS, BEDRÖVLERZ, RÖVSVETT, ASOCIAL, HEADCLEANERS, HUVUDTVÄTT, TST, THE BRISTLES und DISARM waren diejenigen, welche die Lunte an der D-Beat-Bombe anzündeten. Der darauf entstandene Flächenbrand brachte uns in der Folgezeit weitere herausragende Bands, die teilweise noch schneller und aggressiver spielten, wie MOB 47, PROTES BENGT, TOTALITÄR, FILTHY CHRISTIANS, FIRST DEGREE MURDER und andere mehr. Auf der anderen Seite gab es allerdings auch immer schwedische Bands, die einen wunderbar coolen, hypermelodischen Punkrock spielten, welcher unter der Bezeichnung „Trallpunk“ firmiert, beispielsweise ASTA KASK, EBBA GRÖN, KSMB und SÖTLIMPA. Seit dem Ende der Achtziger Jahre tauchen überall in Schweden immer wieder gute neue Bands auf, die einen weiten Rahmen von coolen Punkrock-Stilen abdecken, die unsere niedrigen Bedürfnisse bedienen und den Launen unserer simplen Gemüter schmeicheln. Für dieses Special haben wir aber ausschließlich Bands der härteren Gangart interviewt.
DIE BEDEUTUNG VON PUNK UND HARDCORE IN SCHWEDEN
Warum wandten sich in den frühen Achtziger Jahren junge Menschen in Schweden dem Punk zu? Ein Hauptgrund mag, wie überall in Europa, der Wunsch nach Abgrenzung gewesen sein. Doch welche weiteren Schnittmengen es in den einzelnen Lebensläufen gab, welche Verknüpfungen darüber hinaus noch eine Rolle spielten und wie die eigene Sozialisation abgelaufen ist, soll im folgenden beantwortet werden. Was waren die Gründe, dass sich die jungen Punks in Schweden getroffen haben, welche Verbindungen sind da entstanden? Wie hat das damals angefangen mit dem Punk?
Warum wandten sich in den frühen Achtziger Jahren junge Menschen in Schweden dem Punk zu? Ein Hauptgrund mag, wie überall in Europa, der Wunsch nach Abgrenzung gewesen sein. Doch welche weiteren Schnittmengen es in den einzelnen Lebensläufen gab, welche Verknüpfungen darüber hinaus noch eine Rolle spielten und wie die eigene Sozialisation abgelaufen ist, soll im folgenden beantwortet werden. Was waren die Gründe, dass sich die jungen Punks in Schweden getroffen haben, welche Verbindungen sind da entstanden? Wie hat das damals angefangen mit dem Punk?
Peter Ahlqvist, CRUDE SS-Manager, Uproar & Burning Heart Records: Damals entwickelte sich Punk allmählich von etwas Coolem, Schockierendem und Andersartigem hin zu einer DIY-Sache als auch mehr zu einer politischen Angelegenheit oder Geisteshaltung. Zu etwas, das mich wesentlich geprägt und den Weg für den Rest meines Lebens vorgezeichnet hat. Das Gefühl dabei war wichtig, die Idee gemeinsam zu wachsen, mich selbst als Individuum und als Ganzes wahrzunehmen. Ich wurde von der Umgebung beeinflusst, in der ich mich befand, und nach und nach immer stärker eingebunden. Die Basis waren die Freundschaften und das alternative Denken, die Vorstellung, für die Kids in meiner Heimatstadt etwas außerhalb der Norm zu schaffen. Zu der Zeit schwebte über uns auch die Bedrohung durch einen Atomkrieg, was natürlich ebenfalls Auswirkungen hatte. Ich war nie extrem politisch interessiert, hatte aber natürlich etliche Stunden damit verbracht, viele zu lesen, hatte versucht herauszufinden, wo ich stand, und zum Beispiel mehr über die Geschichte der Arbeiterklasse zu erfahren.
Ich schätze, ich war immer ziemlich unabhängig und weitgehend ein einsamer Wolf, der seinen Weg ging, und ich ging auch sehr gerne in die Bibliothek.Aber die Musik war immer das Wichtigste. Freunde, Kommunikation, eigene Sachen machen, Fanzines, Vertrieb von Platten und das Organisieren von diversen anderen Sachen. Alles im Rahmen einer DIY-Ethik und natürlich auf den Austausch mit anderen Punks ausgerichtet. Wir reden hier über die frühen Achtziger Jahre, aber diese Aspekte waren immer schon da. Das Gemeinschaftsgefühl war mir sehr wichtig, damit wir das Beste aus dem Leben in einer Kleinstadt machen konnten. Jemand musste etwas tun, so sind wir aus dem normalen Muster ausgebrochen, um Dinge geschehen zu lassen.
Meine Einflüsse kamen aus der Musik, speziell dem frühen Punk. Ich hörte zuvor in meinen jungen Jahren Bands wie KISS, SWEET, RUNAWAYS, BLACK SABBATH und NAZARETH. Aber auch die RAMONES, auf die mein Cousin stand und mir deren erstes Album vorspielte. Dann entdeckte ich weitere Bands wie die SEX PISTOLS und andere und fing an, sie zu lieben. Auch einige frühe schwedische Bands gefielen mir. Aber ich glaube nicht, dass mein wirkliches Interesse und Verständnis für das, was Punk war, vor Mitte 1978 entstand. Erst danach fing ich an, nach Punk Ausschau zu halten, etwa nach Schallplatten und Radio-Sendungen. Ich hörte sie mir in der Nacht an, wo ich eigentlich schlafen sollte, viel John Peel, BBC und Radio Luxemburg. Das alles mit einem alten Billigradio unter dem Kopfkissen, nur um neue „Punk-Musik“ zu hören.
Dann habe ich den gleichen Weg eingeschlagen wie so viele andere, die nicht zur ersten Welle des Punk gehörten. SHAM 69, SLAUGHTER & THE DOGS, UK SUBS waren für mich der Einstieg, dann kamen die ganzen Oi!-Sachen hinzu, wie die ersten Alben von den COCKNEY REJECTS, ANGELIC UPSTARTS oder die Oi!-Sampler. Ende 1981 begann ich auch, mich mehr und mehr mit dem US-Hardcore zu beschäftigen. Obwohl ich mir vorher natürlich die DEAD KENNEDYS und einige andere Bands und Songs angehört hatte. Aber das wirkliche Interesse für den US-Underground-Punk und -Hardcore kam etwas später. Ich habe tatsächlich in einem Oi!-Fanzine zum ersten Mal etwas über S.O.A. und TEEN IDLES gelesen. Und ein paar Wochen später warb der Sänger der HEADCLEANERS für seinen kleinen DIY-Import-Vertrieb, bei ihm kaufte ich mir die frühen Dischord-Platten. Und so ging es dann weiter und weiter. Ich hatte mir auch die erste DISCHARGE-Single auf einem Klassenausflug nach Scarborough in England gekauft, den wir 1980 unternahmen, als ich 14 war. Ich bin mir nicht sicher, aber etwa zur gleichen Zeit hatte ich, glaube ich, bereits einige Platten von CRASS und den „Bullshit Detector“-Sampler. Also habe ich mich damals auch mehr und mehr für die britische DIY-Punk-Szene begeistert. Das war der nächste Schritt, nachdem ich alles von No Future, Riot City und Secret Records gekauft hatte. DIY und die Welt des Maximum Rocknroll wurden auch immer wichtiger.
Löken, RÖVSVETT: Ich fing 1977 an, Punk zu hören, und zwar über die BBC-Sendung „Radio One“ von John Peel, in der er Bands wie RAMONES, CLASH, SEX PISTOLS, DAMNED spielte. Das war genau das, was ich mit zwölf Jahren hören wollte. Und ich liebte CLASH, die waren meine Nummer eins! Aber als die ersten vier Hardcore-7“s von Dischord Records erschienen, zusammen mit den ersten drei 7“s von DISCHARGE, wurde mir klar, dass das wesentlich cooler war. ’77er-Punk wurde immer lahmarschiger, die meisten Bands verwandelten sich in Synthie-Acts, die waren mir zu poppig. Aber dann brachten POISON IDEA ihre erste 7“ heraus. Das war genau das, was ich mochte.
Tomas Jonsson, ANTI CIMEX: Als ich zum ersten Mal Punkrock gehört habe, hat es mich sofort gepackt. Ich wurde sofort zum Punker, und das im zarten Alter von zwölf Jahren. Das war damals endlich etwas Neues und Innovatives, das endlich diesen miesen Hardrock ersetzt hat, der so unsagbar scheiße war!
Charlie Claesson, ANTI CIMEX: Ein Freund von mir kam mit einem fetten Stapel Punk-EPs aus dem Urlaub aus England zurück. Er hat mich dazu gebracht, diese Singles anzuhören und – bäm! – hatte es mich gepackt. Punk bedeutete für mich damals, dass ich nicht länger alleine war. Ich habe Leute kennen gelernt, die genau so dachten und fühlten wie ich. Und das hat mir sehr gefallen. Es bedeutete für mich, dass jetzt das echte reale Leben begann. Alles zuvor war nur eine Aufwärmphase gewesen.
Per Thunell, PROTES BENGT, FILTHY CHRISTIANS: Es war 1977, als ich anfing, Punkrock zu hören. Mein Cousin, der bereits ein paar Jahre älter war als ich, hatte mir Platten von den SEX PISTOLS, CLASH, DAMNED und RAMONES gegeben. Das hat mir super gefallen. Mein Cousin hat sich dann aber eher in Richtung Metal orientiert, so war es ein anderer Freund, der mich an Bands wie CRASS, DEAD KENNEDYS und DISCHARGE heranführte. Und da war es um mich geschehen. Für mich bedeutete Punk, Spaß zu haben und keinen Regeln folgen zu müssen – während ich mich auf der anderen Seite aber immer vernünftig benommen habe. Wenn ich abends nach Hause kam, habe ich mir die Hände gewaschen und bin ins Bett gegangen, weil ich morgens zur Schule musste. Ich denke, dass ich damals nicht unbedingt sehr radikal war.
Gunnar, AVSKUM: Punk war ein kultureller Freiraum, in den ich damals eingetreten bin. Er stand den Außenseitern und Freaks offen, also Leuten wie du und ich. Du musstest zudem kein Musiker sein, um Punkrock zu spielen. Du brauchtest lediglich auf der Gitarre herumzuhämmern und dazu alle für dich wichtigen Themen herauszuschreien ... da geht es aber eben nicht um schnelle Autos, Beziehungen und ähnlichen 08/15-Bullshit.
Andreas, TOTALITÄR: Für mich bedeutete es vorrangig, all den Leuten, die es verdient hatten, den Stinkefinger zu zeigen. Damit meine ich Lehrer, allen offiziellen Autoritäten, dem abstoßende Phänomen der „Raggare“, Rassismus, und natürlich all den strunzdummen Menschen im Allgemeinen. Auf der anderen Seite gefiel mir natürlich die Musik. Als junger Punk hörte ich zuerst Bands wie EBBA GRÖN, es ging weiter mit DISCHARGE und US-Hardcore.
Poffen, TOTALITÄR: Für mich als Jugendlichen sahen die paar wenigen Punks in meiner kleinen Stadt ausgesprochen interessant aus. Zudem wussten diese Punks bereits, dass es eine Radio-Show in Schweden gab, die Punk- und Alternative-Musik spielte. Durch das Hören dieser Sendungen habe ich viel erfahren und. mir wurde bewusst, dass es einen Underground in Schweden gibt. Das führte dazu, dass ich anfing, mir Fanzines, Tapes wie auch Platten zu bestellen. Mir gefielen diese antiautoritären Botschaften der Texte. Das tun sie noch heute.
Fredrik „Fredda“ Brickman, BEDRÖVLERZ: Zuerst war es pure Rebellion gegen meinen Vater und der innige Wunsch, einfach zu irgendjemand zu gehören. Für mich fing es damals an, als ich Radio Luxemburg hörte, die damals schon eine gute Auswahl an Punkmusik spielten. Einige Freunde von mir hörten den Sender damals auch. Also waren es die Musik im Radio sowie meine Freunde, durch die es bei mir zuerst losging.
DIE HEIMATSTÄDTE
Wie sah in Schweden die jeweilige lokale Szene in den einzelnen Städten aus? Welche Läden waren damals wichtig, welche Bands spielten dort?
Fredrik „Fredda“ Brickman, BEDRÖVLERZ: In Fagersta gab es in den frühen Achtzigern etwa fünfzig Punks und vielleicht zehn Punkbands in einer Kleinstadt mit 14.000 Einwohnern. Einige Shows wurden von uns allen Punker gemeinsam organisiert und meist fuhren wir auch zusammen zu Konzerten zum Beispiel nach Stockholm. Erwähnenswert ist Peter „Babs“ Ahlqvist, ein lokaler Held, der Uproar Tapes, Records und später Burning Heart Records gemacht hat. Dazu gibt es auch noch das berühmte Bergslagrocken Festival in Fagersta mit ausschließlich Punk-, Hardcore-, Metalbands, durch das wir mit BEDRÖVLERZ Freunde in ganz Schweden fanden und mit vielen anderen zusammenarbeiteten.
Peter Ahlqvist, CRUDE SS-Manager, Uproar & Burning Heart Records: Nun, es gab in Fagersta anfangs keine älteren Bands. Es gab einige kleine Gruppen ohne Plattenveröffentlichungen. Ausgenommen STALIN & THE ICEPIKES, die hatten mal einen Song auf einem schwedischen LP-Sampler, aber sie lösten sich bereits 1980 auf und wir haben sie nie live gesehen. Wenn überhaupt, sind wir anfangs nach Västerås gefahren, das ist eine größere Stadt in der Nähe. Dort waren TST die große Nummer. Västerås ist nur eine Stunde entfernt und dort habe ich mein erstes Punk-Konzert gesehen. Ich glaube, ich war ungefähr 16 Jahre alt. Die Stadt selbst ist klein, damals 15.000 Einwohner, aber dafür gab es dort eine Reihe von Bands, die recht aktiv waren. Einige der größten schwedischen Punkbands kamen, um dort zu spielen, und auch STIFF LITTLE FINGERS besuchten 1981 diese Stadt.
Bei uns in Fagersta gab es nie eine Szene. Die örtliche Gemeinde mit ihrer Musikorganisation, die von ein paar Blues-Typen gegründet wurde, boten Proberäume für Bands an, und erst 1983 begannen ein paar Bands, dort zu üben. Ich hatte bereits CRUDE SS kennen gelernt, die aus Norberg stammten, etwa zehn Kilometer von Fagersta entfernt. Sie begannen bald, in Fagersta zu proben und brachten zwei einheimische Jungs dazu, mit in die Band einzusteigen. Wir haben uns angefreundet und dann richtig Party gemacht. In dieser Zeit zwischen 1983 und 1984 traten Bands wie BEDRÖVLERZ, FEAR OF WAR, RESCUES IN FUTURE, BIZARR, das waren ältere Punks aus Norberg, und auch UGLY SQUAWS TROSOR auf. Also im Grunde genommen bestanden zwei oder drei der damaligen Bands aus Fagersta aus Punks, und so haben wir nach und nach mehr und mehr Einfluss auf die Dinge vor Ort genommen. Aber trotzdem fanden bei uns nur sehr wenige Shows statt. Und bei den wenigen, die es gab, war ich an allen irgendwie beteiligt, stand sozusagen als treibende Kraft dahinter. Nur bei dem jährlichen kleinen lokalen Festival für Bands aus allen Genres, wie Blues, Metal, Synthie, Punk, waren andere Leute an der Organisation beteiligt. Ansonsten gab es bei uns keine Veranstaltungsorte oder Clubs.
Später fing ich mit Unterstützung einiger Freunde an, weitere Konzerte zu veranstalten. Aber die waren meist recht klein und wir machten überall dort Konzerte, wo es überhaupt ging. Läden mit kleinen Bühnen, wo die Bands ebenerdig spielten. Einige schwedische Bands waren bei uns, wie SLAM, ASTA KASK, PUKE und weitere. Dann begannen auch einige ausländische Bands bei uns aufzutreten. Die ersten waren MOTTEK und WHITE FLAG. RAW POWER sollten auch kommen, haben aber abgesagt. Dann habe ich einige kleine Schwedentouren für Bands wie INSTIGATORS, SUBHUMANS und WHITE FLAG organisiert. Das war so um 1986. Und von da an wurden die Konzerte immer größer. 1988 gründeten wir das Rockborgen, was ein fantastischer Veranstaltungsort war, ein ehemaliges Kino mit einer Kapazität von 450 bis 500 Plätzen. Wir ließen dort haufenweise Bands spielen, obwohl wir nur eine so kleine Stadt waren. Es wurde mehr zu einem Jugendzentrum und einem regelmäßigen Veranstaltungsort. BIOHAZARD, YOUTH OF TODAY, SOUL ASYLUM, ACCÜSED, TOY DOLLS, NEW MODEL ARMY, SODOM, SEPULTURA, KREATOR, DEATH, HOLY MOSES, FORBIDDEN, DEATH ANGEL, NAPALM DEATH, D.R.I., CARCASS, ANTI CIMEX, D.O.A. und viele andere spielten da. Es war der Ort für alternative Musik in Schweden in den Jahren 1988 bis Anfang 1991. Nur Malmö, das in der Nähe liegt, hatte etwas Ähnliches. Aber zu uns sind die Leute von überall her angereist – aus Norwegen, Finnland und vielen anderen schwedischen Städten. Das war ein toller Ort! Und 1999 wurde dort das Bergslagrocken Festival gegründet.
Bands aus Fagersta, die Platten veröffentlicht haben, waren CRUDE SS, RESCUES IN FUTURE aka RIF und CRUEL MANIAX. Aber auch HAPPY FARN und KAZJUROL, die mehr Metal, Crossover spielten. Bands, die ich managete, wenn man das so sagen kann, waren CRUDE SS und KAZJUROL. Ich schrieb für beide auch ein paar Texte. Zu erwähnen ist noch, dass ich den „Vikings Are Coming“-Sampler mit lokalen Bands veröffentlicht habe. Wir hatten auch eine gute Kooperation mit Leuten aus Hedemora, knapp dreißig Minuten mit dem Auto entfernt. Von dort stammen Bands wie ASOCIAL, DISTRUST und SVART PARAD. Ich hatte damals Uproar Records und Tapes gegründet, daher begannen wir im Kollektiv, die Sache gemeinsam zu starten. Wir haben zwei, drei gemeinsame Konzerte in Hedemora und Stockholm klargemacht, wo BEDRÖVLERZ aus Fagersta und ASOCIAL aus Hedemora ihre Release-Show zu ihrem Split-Tape „How Could Hardcore Be Any Worse?“ spielten. Aber das mit dem Kollektiv klappte nicht wirklich, so war ich nach kurzer Zeit wieder alleine und habe unter dem Namen Uproar ein Fanzine, eine Plattenfirma und den Vertrieb gemacht. Jeder ging seinen eigenen Weg. Ich war die treibende Kraft dahinter. Alle anderen spielten in Bands. Ich nicht.
Jugga, MOB 47: Außer uns gab es keinen Hardcore in der gesamten Stockholm-Area. Täby ist ein Vorort von Stockholm. In Täby gab es nur ’77er-Punkrock-Bands, die den so genannten „Trallpunk“ spielten. Die wollten uns nicht in der lokalen Musikszene haben oder gar mit uns auftreten, nur weil wir Hardcore-Punk gespielt haben.
Tomas Jonsson, ANTI CIMEX: Die Szene in Göteborg war damals großartig. Es gab jede Menge Bands und viele Konzerte und jeder kannte jeden. Im Vergleich zu damals gibt es in Göteborg noch mehr Konzerte. Ja, wir hatten Kontakte zu Punks von überall her.
Charlie Claesson, ANTI CIMEX: Göteborg war zu dieser Zeit großartig! Jede Menge Punks, jede Menge Konzerte und alles Mögliche andere noch dazu. Deshalb haben wir direkt am Anfang beschlossen, dorthin zu ziehen. Wir hatten viel Kontakt sowohl mit schwedischen Punks als auch mit Punks aus dem Ausland. Ich erinnere mich an eine Zeit, da hatte ich 52 unbeantwortete Interviews auf meinem Bett liegen. Also, ja, wir hatten viel Kontakt mit Punks aus Schweden als auch aus der ganzen Welt.
Per Thunell, PROTES BENGT, FILTHY CHRISTIANS: In Falun war die Szene sehr klein, es waren vielleicht 20 bis 30 Leute, die sich alles anhörten, was als Punk oder Hardcore galt. In Falun gab es eine Band namens P-NISSARNA, deren erste 7“ kam 1980 heraus und sie hatten dadurch natürlich einen großen Einfluss auf FILTHY CHRISTIANS. Du kannst es schaffen, mach es einfach! Ich und Daniel begannen, Konzerte in Falun auf die Beine zu stellen, und die Leute reisten aus ganz Schweden an. Oder wir fuhren nach Gävle, Hedemora, Fagersta oder Stockholm. Stockholm ist etwa drei Stunden entfernt, das war also nicht allzu weit. Die anderen Orte waren etwa eine Stunde von Falun weg.
Löken, RÖVSVETT: Bei uns in Trånas gab es drei Fanzines, Mardöm, Fetvadd und Byt Ben, zwei Tapelabels, Spund und Fetvadd Tapes, zwei Plattenlabels, Fetvadd und RÖV Records, dazu Bands wie PUREX, REA RESPIRATOR, PALIMPSET, 16 BLÅSARE UTAN HJÄRNA, BOMBDOLLS und PADDINGTON ... später bekannt als JEFF INC. beziehungsweise STRIKER. Wir spielten viel in Linköping und hatten dort Kontakt mit Punks und gingen auch zu Konzerten in Jönköping in den Stab Club, alle internationalen Bands traten dort auf, also waren dort viele Punks bei den Shows. Die haben da auch viele Platten, Kassetten und Zines verkauft. Wir hatten Auftritte in Linköping und dann auch eine Rock-Organisation gegründet mit dem Namen Rocksyndikatet. Die gab es von Mitte der Achtziger bis Anfang der Neunziger, dann wieder von 2007 bis 2017. Das war eine lustige Zeit, wir haben angefangen, überall Briefe hinzuschreiben, um die Szene am Leben zu erhalten. Das tun wir immer noch, aber heutzutage geht das über das Internet. Das, was wir machen, bleibt weiterhin auf eine Art und Weise Punk.
Gunnar, AVSKUM: In meiner Heimatstadt Kristineham gab es viele ’77er-Punkbands ... wir dagegen haben den D-Beat in diese kleine beschissene Stadt gebracht. Wir haben damals in Eigenregie zwei Konzerte in unserem Proberaum organisiert. Das letztere endete in einem Skinhead-Riot mit reichlich Gewalt und Krawall. Um größere Konzerte oder Festivals zu sehen, sind wir ins Sprängkullen nach Göteborg, in die Tändsticks-Fabrik in Jönköping oder ins Stockholmer Ultra-Huset gefahren. Das waren die drei legendären Orte, wo sich die schwedische Punk-Szene ihre wichtigsten selbstbestimmten Freiräume geschaffen hat.
Andreas, TOTALITÄR: Wir sind in Hudiksvall ganz klar im Schatten der mächtigen MISSBRUKARNA groß geworden, die sich mehr oder weniger schon aufgelöst hatten, als wir mit unserer Band anfingen. In Hudkisvall gab es zu der Zeit fast ausschließlich Metal-Bands, mit Ausnahme von den BRAINBOMBS. Damals haben wir eine Reihe von großartigen Konzerten organisiert, aber um 1988 sind Lanchy und ich nach Südschweden umgezogen, so dass TOTALITÄR auf Eis gelegt wurden.
Svegis, THE BRISTLES: Im Zeitraum von 1982 bis 1986 gab es in Landskrona neben uns noch D.T.A.L., RAZZIA und ein paar weitere Bands. Damals war die DIY-Szene hier groß. Über einen längeren Zeitraum hatten wir jeden Mittwoch ein Konzert im Jugendzentrum. Mit unserer Band BRISTLES waren wir zwei Tage im Studio, damit wir dort auch spielen konnten. Bands von überall her sind damals da aufgetreten. Es gab Konzerte von den VIBRATORS oder PETER AND THE TEST TUBE BABIES. Wir hatten unsere eigene DIY-Musikgesellschaft, die Konzerte und andere Sachen organisierte, zudem hielten wir regelmäßig Treffen ab. 1983 waren auch ein paar Leute von uns an einer Hausbesetzung in Landskrona beteiligt. Darüber wurde viel in der Presse berichtet, denn wir wollten einen Jugendclub nur für uns selber, wo sich keine alten Sozialarbeiter einmischten.
BANDGRÜNDUNGEN
Die Anzahl der Punk- und Hardcore-Bands in Europa war in den Achtziger Jahren schier unüberschaubar. Punkrock vermittelte, dass man nicht unbedingt ein abgeschlossenes Musikstudium absolviert haben musste, um einfache und direkte Musik zu machen. Die Motivation vieler Bands war, sich laut und unmittelbar auszudrücken, ihrer Wut und Aggression freien Lauf zu lassen, Musik und Text als Protestform einzusetzen. Selbstverständlich gab es Bands, denen es in erster Linie um den Spaßfaktor oder um die Glorifizierung des Alkohols ging. In den meisten Fällen waren jedoch gesellschaftliche und politische Zustände und Entwicklungen die Gründe für die Leute, sich zusammenzutun, um gemeinsam auch musikalisch aktiv zu werden.
Fredrik „Fredda“ Brickman, BEDRÖVLERZ: Wir begannen, nachdem sich einige frühere Bands wie AWLOPP 69, und SÅ NÅRA aufgelöst hatten. Unsere Inspirationen waren direkt von Anfang an von frühe One-Beat-US-Bands wie D.R.I., F.U.’s, JERRY’S KIDS, aber textlich waren wir noch mehr von Bands wie CRASS und DISCHARGE beeinflusst. Wichtig zu erwähnen sind unsere damalige DIY-Aktivitäten, wodurch die wir auf vielen Compilation-Tapes in der ganzen Welt zu hören waren. Diese Leute haben mit ihren internationalen Tape-Samplern eine großartige Arbeit geleistet. BEDRÖVLERZ und andere lokale Bands haben in Bezug auf Auftritte und Fanzines immer zusammengearbeitet.
Gunnar, AVSKUM: Es war um 1980 herum, als ich anfing, Punk zu hören und mich auch so zu kleiden. Ich spielte in einer Reihe von Bands, die eher von den frühen schwedischen ’77er-Bands und etwas später von der frühen Oi!-Musik beeinflusst waren. Zwei Punks in meiner Heimatstadt gründeten damals eine D-Beat-Band, nachdem wir in anderen Städten der Umgebung mit Punks abhingen, die in Bands wie ANTI CIMEX, ASTA KASK oder DNA spielten. Der Drummer von meiner damaligen Band ADRIAN CUBA und ich wurden gefragt, ob wir bei DEAD CORRUPTION mitmachen wollten. Das wollten wir auf jeden Fall und kurz danach haben wir den Namen in AVSKUM abgeändert.
Svegis, THE BRISTLES: Unsere Band gründete sich am Anfang der zweiten Punk-Welle, beeinflusst von Bands wie THE EXPLOITED oder GBH. Es gab eine Entwicklung vom Punk mit Oi!-Einflüssen hin zu einem rauheren Punksound, was wir in Schweden auch „Råpunk“ nennen. Zusammen mit anderen schwedischen Bands wie ASTA KASK, SÖTLIMPA, EXISTENZ, MODERAT LIKVIDATION, NONCENS, EATER, ANTI CIMEX und vielen weiteren waren die BRISTLES Teil der neuen Welle von sehr schnell spielenden Bands, von denen die meisten Singles veröffentlicht haben und auch oft live auftraten. 1984 erschien unser Song „Don’t give up“ auf der „Welcome To 1984“-Compilation-LP vom Maximum Rocknroll Fanzine. Dieser LP-Sampler hat uns überall auf der Welt bekannt gemacht. 1985 hat sich die Band aufgelöst.
Tomas „Freke“ Jonsson, ANTI CIMEX: Vor ANTI CIMEX hatte ich in vielen Bands gespielt, zum Beispiel in KLAOK, AVFAL und BOHMAN BRINNER. Ich fühlte, dass es an der Zeit war, es auf eine andere Ebene zu bringen, was bedeutete, eine EP aufzunehmen und zu touren, um die Musik bekannt zu machen. Ich, Jocke und Nillen fanden dann Charlie und wir beschlossen, die Band zu gründen. Nun, es hat drei Monate gedauert, bis wir die erste EP aufgenommen hatten, wir hatten noch nicht einmal live gespielt. Wir ließen Nillen gehen, weil er nicht wirklich zu uns passte, und um ehrlich zu sein ... er war ziemlich lahm. Daher begann ich zu singen. Es ist schwer, irgendwelche Meilensteine zu benennen, aber jede Platte, die wir gemacht haben, war etwas Besonderes. Die Englandtour 1986 und unsere Auftritte in Finnland sind ebenfalls eine Erwähnung wert.
Charlie Charlie Claesson, ANTI CIMEX: Nun, ich, Tomas, Jocke und Nillen verbrachten ein Wochenende zusammen, als wir in ihrem Proberaum landeten. Wir fingen an zu jammen, und plötzlich hatten wir das Gefühl, dass wir eine Band gründen sollten. Das taten wir dann auch. So einfach war das. Wir waren von Anfang an entschlossen, etwas daraus zu machen. Wir haben jedes Wochenende geprobt, das ganze Wochenende! Wir wohnten im Proberaum. Nun, eigentlich war der Proberaum auch mein Zuhause, also wohnte ich auf jeden Fall im Proberaum. Wir haben geprobt, getrunken, wieder geprobt. Wir hatten auch viele Gäste an diesen Wochenenden, so dass man sagen kann, dass dort permanent Party gemacht wurde.
Andreas, TOTALITÄR: Lanchy und ich wollten eine Band gründen, und Poffen war einer der wenigen anderen Typen an unserer Schule, die an Punk interessiert waren, daher haben wir ihn gefragt, ob er mit uns spielen will. Zu unserer Überraschung hat er ja gesagt. Es stellte sich dann schnell heraus, dass er ein Naturtalent war. Von da an waren wir eine richtig gute Truppe.
Jugga, MOB 47: Wir hatten 1982 eine Band mit dem Namen CENSUR gegründet. Der Name war aber scheiße, daher kamen wir zum Entschluss, uns MOB 47 zu nennen. Wir fanden, das hört sich richtig geil an. Ein kurzer Name und Zahlen, das funktioniert immer. Die Bedeutung von MOB 47 bezieht sich auf „Mobilisationsförråd Number 47“, was im Fall eines Kriegs ein Versorgungspunkt der Armee in einem Berg war. Wir verwendeten den Namen aber immer in dem Sinn, dass wir ein Mob sind, der gegen all den kranken Scheiß da draußen ankämpft. Wir, das waren Åke an der Gitarre, Chrille an den Drums und ich am Bass. Åke und ich haben uns den Gesang geteilt. Wir wollten schnelle Musik im Stil von Bands wie POISON IDEA, MDC, GANG GREEN, CRUCIFIX, MINOR THREAT, JERRY’S KIDS, TERVEET KÄDET und NEOS spielen. Ich denke, die schnellen Passagen in unserer Musik entstanden vor allem durch Chrille. Er wurde mit der Zeit immer schneller und schneller am Schlagzeug, nur weil er es eben konnte ... und wir versuchten, mit ihm mitzuhalten.
Per Thunell, PROTES BENGT, FILTHY CHRISTIANS (Gesang): FILTHY CHRISTIANS starteten unter dem Namen C.R.U.N.C.H., was für CRAZY RADICAL UNDERGROUND NOISE CALLED HARDCORE stand. Aber da es in Schweden bereits eine Band namens KRUNCH gab, beschlossen wir, den Namen zu ändern. Also änderten wir ihn in ABESTENTION. Das muss etwa 1984 gewesen sein. Zu dieser Zeit hatten wir Mühe, unsere eigenen Songs zu schreiben, aber es gab einige Cover, die wir spielten, wie „The Rampton song“ von DISORDER und „Bojkotta Coca Cola“ von ABSURD. Nach einer Weile wollten wir unseren Namen wieder ändern, und wir dachten, FILTHY CHRISTIANS wäre eine tolle Idee. PROTES BENGT sind ein Nebenprojekt von mir und Ola von FILTHY CHRISTIANS zusammen mit Åke und Chrille von MOB 47. Es entstand, als ich, Åke und der Bassist von FILTHY CHRISTIANS auf einem Gig waren, wo wir ein Demo mit 213 Songs kauften. Wir fanden es urkomisch und begannen noch am selben Abend mit der Vorbereitung der Texte, denn wir wollten ein Demo mit mehr als 300 Liedern rausbringen. Nach einer Weile wurde uns klar, dass wir das nicht schaffen, das waren einfach zu viele ... also haben wir unseren Anspruch heruntergeschraubt, um zehn Lieder mehr als D.R.I. auf einer 7“ zu haben. Deshalb waren es letztendlich 32 Tracks auf unserer 7“. Packe, der Bassist, hatte keine Lust darauf, also spielte Ola, der Schlagzeuger von FILTHY CHRISTIANS, stattdessen Bass.
Löken, RÖVSVETT: Wir haben 1983 zu viert angefangen, nur um Spaß zu haben und um Musik zu spielen, auf die wir Bock hatten. In den ersten fünf Jahren hatten wir keine eigenen Instrumente, nur ein Mikrofon und einen Bass, aber keinen eigenen Proberaum. Wir haben bei anderen Bands in deren Proberäumen so lange herumgenörgelt, bis wir dort proben durften. Das ging immer eine Weile gut, bis wir wieder rausgeschmissen wurden, weil wir eben eine Punkband waren. Über die ganzen Jahre hinweg sind wir Punks geblieben, wir tun unser Bestes.
LINKE KULTURSTÄTTEN
Ein wichtiges Merkmal linker Kultur ist das Schaffen und Bewahren von Freiräumen. Die Anfänge liegen in der Hausbesetzerszene der Siebziger Jahre. Räume, die zwar vorhanden, aber nicht genutzt wurden, wurden in Anspruch genommen. Ging es den Hausbesetzern damals vornehmlich um die Schaffung von Wohn- und Lebensraum, geht es heute meistens um die Bewahrung Freier Kulturstätten. Räume, in denen soziale und kulturelle Veranstaltungen jeglicher Couleur stattfinden können. Die Entstehungsgeschichten der einzelnen Häuser zeugen von einer unvergleichlichen Energie und Fantasie. Es ging vor allem um Selbstverwaltung. Darum, dass Bedürfnisse realisiert werden konnten. Diese selbstverwalteten Häuser boten einer Vielzahl von Aktivitäten Platz: Cafés oder Bars wurden eingerichtet, zudem gab es Räume für verschiedenste politische Gruppen. Konzerte wurden organisiert und Proberäume für Bands standen zur Verfügung. Ferner wurden von den verschiedenen Gruppierungen auch Partys oder alternative Theatervorstellungen durchgeführt. Die Örtlichkeiten wurden für kreative Arbeiten genutzt, wie in den Bereichen Siebdruckerei, Fotografie, Holzarbeiten oder Kunst. Ebenso wurden in vielen Häusern Infoläden eingerichtet. Diese Form der Squats und AZs gab es zum großen Teil in Deutschland und Holland. Wie sah es dagegen in Schweden aus?
Gunnar, AVSKUM: Anfang der Achtziger Jahre gab es Orte wie Sprängkullen in Göteborg, Tändstickfabrik in Jönköping und Ultra Huset in Stockholm. Heutzutage haben wie die Köpi in Berlin oder das Kafe 44 in Stockholm, wo wir gerne spielen. Oder die Sozialen Zentren in Italien, das Monteparadiso Festival in Pula in Kroatien, das Ungdomgshuset in Kopenhagen ... Das alles sind superwichtige subkulturelle DIY-Oasen, die von einer kranken und kommerziell abgefuckten Musikszenen-Wüste umgeben sind.
Andreas, TOTALITÄR: Wir haben über die Jahre hinweg nur wenige Konzerte gespielt, alles zusammen vielleicht um die zwanzig ...? Das Ultra Huset in Stockholm war mein persönlicher Favorit, die meisten anderen fanden in Jugendzentren oder Gemeindesälen statt.
Per Thunell, PROTES BENGT, FILTHY CHRISTIANS: Ich erinnere mich an meine erste Reise zum europäischen Festland, die mich nach Amsterdam führte. Die Leute von LÄRM hatten mich am Flughafen abgeholt und wir fuhren direkt zum Emma-Squat, um uns INDIGESTI, NEGAZIONE und WINTERSWIJX CHAOS FRONT anzusehen. Das war für mich das erste Mal, dass ich in einem Squat war, und ich war regelrecht wie weggeblasen von den Eindrücken. Das war so unglaublich geil. Hier in Schweden hatten wir derartige Orte nicht. Hier gab es das Ultra Huset in Handen, einem Vorort von Stockholm. Das war auch so was wie ein Autonomes Haus, worüber ich aber nicht so viel weiß. Ich habe dort mal mit FILTHY CHRISTIANS gespielt und wir haben uns dort viele andere Bands angesehen. In Schweden fanden die meisten Konzerte in Kulturhäusern oder Jugendzentren statt. In diesen Locations war es allerdings nicht erlaubt, Alkohol zu trinken, aber natürlich haben wir Punks uns unser eigenes Bier und hochprozentigen Alkohol mitgebracht.
Löken, RÖVSVETT: Die meisten Konzerte, die wir gespielt haben, fanden entweder bei Leuten zu Hause, in Clubs, Jugendzentren oder Squats wie dem Ultra Huset statt, wo man viele Leute aus ganz Schweden treffen konnte. Es wurde einfacher, als wir Konzerte für andere Bands bei uns in der Stadt organisierten und wir dann im Gegenzug bei den Leuten in anderen Städten spielten konnten. Wir haben uns gegenseitig ausgeholfen, das war es doch, worum es beim Punkrock geht, dass man zusammenhält. Daraus entstanden Kontakte, Fanzines und Compilation-Tapes kamen raus und die ganze Sache wurde immer größer. Wir waren 1983 eine Band der zweiten Punk-Welle in Schweden, wo die meisten Bands wesentlich härter klangen als die der ersten Welle.
Svegis, THE BRISTLES: Das waren meistens kleine Clubs, wo es keinen Alkohol oder Drogen gab!
Jonsson, ANTI CIMEX: Zum Anfang der Achtziger Jahre gab es in Schweden mehrere besetzte Häuser. Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Häuser nach heutigem Standard als Jugendzentren oder Autonome Zentren bezeichnet werden können. Mit ANTI CIMEX haben wir hauptsächlich in Clubs und besetzten Häusern gespielt. Ein paar von diesen Häusern waren gut, einige andere dagegen scheiße, was bedeutete, dass wir dort nicht noch einmal gespielt haben. Ein Club, der uns sehr viel bedeutet hat beziehungsweise für den Punk sehr wichtig war, war das Sprängullen in Göteborg. Das Rockers war ein weiterer cooler Club, ebenso das Cafe Roxy.
Charlie Claesson, ANTI CIMEX: Sprängkullen war ein mittelgroßer Club, der von einem Haufen Hippies betrieben wurde. Er wurde damals zum wichtigsten Punkrock-Club in Göteborg. Meine beste Erinnerung an den Laden ist von 1983, als wir dort zusammen mit DISCHARGE gespielt haben. Das waren zwei großartige Abende im Sprängkullen. Das Roxy war ein kleines Café, das die ganze Nacht über auf hatte, wo wir Punks uns noch früh morgens treffen konnten. Das hat immer viel Spaß gemacht. Über die Jahre hinweg gab es einen Haufen Clubs, ob DIY oder professionell betrieben. Einige gab es nur drei Monate, andere zehn Jahre lang. Am Anfang gab es Konzerte in besetzten Häusern, und wenn das dort nicht mehr möglich war, gab es kleine Gigs bei Leuten zu Hause in deren Wohnungen.
– Ende Teil 1 – Teil 2 folgt in Ox #158 –
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #157 August/September 2021 und Helge Schreiber