DONOTS + WATERDOWN = SCHRAPPMESSER. Ich muss gestehen, dass ich anfangs Bedenken hatte, ob diese Formel aufgeht und es nicht zu kitschig wird und noch eine Best-Of-Band versucht, wieder auf die Bühnen zu ächzen. Dabei geht’s in dieser Konstellation aber hauptsächlich um Schnaps – das kann nur Gutes bedeuten. Und wie ernst meinen die Jungs das mit der Punk-Hommage? Ist das albern oder eine Ehrerweisung? Daher hatte ich mich derbe auf das Interview mit den Jungs gefreut, den Münsterländer Korn kaltgestellt, sämtliche alkoholfreien Getränke aus dem Wohnzimmer verbannt und mir von Oma einen Plattdeutsch-Auffrischungskurs geben lassen. Weil die Jungs – Christian und Phil beide ex-WATERDOWN und Ingo Knollmann von DONOTS – aber so was von kurz angebunden sind, hat der Knollmann die Fragen im Namen der Band per Mail beantwortet. Warum zwischen Heuaufholen und Schützenfest so wenig Zeit bleibt, inwiefern es im Punkrock doch immer noch feste Wurzeln gibt und was Rachut auch für schöne textfreie Lieder schreiben kann, lest ihr hier nur teilweise auf Platt. Inklusive einem kleinen Exkurs „Plattdeutsch für Anfänger“.
Ich hatte den Trecker schon aus der Scheune geholt und den Sasse-Korn kaltgestellt – und jetzt führen wir das Interview per Mail. Was ist da los? Busy-busy? Rennen euch die JuZ-Fans die Bude ein? Ist die Scheibe „Schlachtrufe Stimmungshits“ so hart eingeschlagen, dass ihr keine Zeit mehr für die wichtigen Dinge im Leben habt?
Zeit ist ja grundsätzlich immer der Feind, egal, ob beim Plattenveröffentlichen, bei Nebenprojekten, beim Trinken oder auch einfach beim Leben. Eigentlich sollte jeder Tag per se 48 Stunden haben, ohne Sperrstunde. Aber im Ernst: Wir sind völlig umgehauen, wie gut das Album ankommt, und vorher die 7“ „The Shape Of Platt To Come“. Das Ganze ist einfach aus einem Witz beim Leeren grüner Flaschen entstanden, und siehe da – schon ist die Erstauflage vor Veröffentlichung bereits vergriffen, die Zweitauflage in weißem Vinyl wird gerade über Bakraufarfita Records gepresst. Völlig bescheuert. Und super. Hinzu kommt auch, dass ich mit meiner Hauptband DONOTS dieses Jahr zwanzigsten Geburtstag feiere und wir da alle Zeit der Welt für ein neues Album brauchen. Daher sagen wir auch quasi jede Showanfrage für SCHRAPPMESSER ab. Obwohl wir echt gerne mehr spielen würden, werden wir aber leider wohl wirklich nur noch zwei Shows dieses Jahr spielen, beim Green Hell Yard Sale Ende Mai in Münster und auf dem zehnten Labelgeburtstag von Bakraufarfita im Oktober in Berlin. Schade um all die potenziellen Freigetränke backstage, aber geil für den Alles-verweigern-Faktor!
Was sind daneben die wichtigen Dinge im Leben? Ich erwarte natürlich die Antwort „Saufen“ ...
Saufen, Kaffee, Musik, Hundewelpen und SLAYER ... kann und sollte man immer bei Interviewantworten nennen, wenn möglich.
Der Song „Auf alles reimt sich Saufen, zum Beispiel auf Bier“ ist ja wohl die Hymne, der am meisten gehuldigt wird. Worauf reimt sich Saufen noch, was hat nicht mehr in den Song gepasst?
Saufen reimt sich auf alles und ist eine Antwort auf jede Frage des Universums. Einzige Ausnahme: Saufen reimt sich nicht auf alkoholfrei. An der Stelle übrigens mal die ernstgemeinte Frage, was sich meine Lieblingsbiersorte Jever dabei gedacht hat, ihr alkoholfreies Bier „Fun“ zu nennen. „Fun“?! Ich finde, da macht es sogar noch mehr Spaß, Blausäure zu trinken oder sich mit scharfen Papierkanten die Augenhornhaut zu zerschneiden.
Auf dem Album bedankt ihr euch bei Jens Rachut. War er mehr als nur Ideengeber und Inspirator?
Ich höre momentan wieder sauviel DACKELBLUT. „Schützen und Fördern“ ist für mich eine der besten Deutschpunk-Platten aller Zeiten und über Rachuts Art zu texten, muss man wohl nicht mehr viel sagen. Der Typ ist einfach saugut und sehr eigen in seinem Sprachstil. Das passt eben perfekt zu den Songs von DACKELBLUT. Und beim Joggen ist mir vor einem halben Jahr noch mal aufgefallen, wie gut auch dieser Instrumentalsong „Aramat“ ist. Da hab ich dann überlegt, wie dazu wohl ein Text sein könnte. Und siehe da: Mir ist mal wieder gar nix eingefallen, nur „Auf alles reimt sich Saufen, zum Beispiel auf Bier“. Ob das nun Sauf-Autismus oder Synapsenverödung ist, muss wohl die Nachwelt entscheiden. Es ist auf jeden Fall gut, dass der DACKELBLUT-Song so ist, wie er ist.
Ist es richtig, dass ihr bisher erst drei Konzerte gegeben habt? Das letzte war, soweit ich weiß, ausverkauft. Und es gab keinen Schnaps! Dafür war’s kurz, schnell und eben live. So wie du einst sagtest: „Ich gehe lieber auf ein Konzert, bei dem alles kaputt geht, als mir auch nur eine Minute lang eine Playbackshow von Tim Bendzko anzugucken.“
Ja, wir spielen so gut wie nie. Und wenn wir spielen, dann proben wir so gut wie nie. Und wenn wir proben, dann spielen wir bei der Probe so gut wie nie. Aber das ist auch einfach nicht so wichtig. Ich erinnere mich immer gerne an eine Show, die wir Mitte/Ende der Neunziger mit den DONOTS gespielt haben. Da waren wir Support für die DWARVES. Wir haben eine Dreiviertelstunde gezockt. Die DWARVES haben es danach als Hauptband auf nur 18 Minuten Spielzeit gebracht, inklusive Ausziehen, Wrestlingmaske, Plektrum durch die Kimme ziehen und Co. Danach ist dann der Sänger ins Schlagzeug gesprungen, alles war im Arsch und voller Blut. Hat sich irgendjemand aus dem Publikum beschwert, weil es zu kurz war? Nee, im Gegenteil. Das waren fast die besten 18 Minuten, die ich jemals live gesehen habe. Und genauso muss eine Show meiner Meinung nach sein: Am besten ist es, wenn Dinge kaputtgehen und man was zu sehen bekommt, was eben nicht choreografiert ist. Das halten wir mit SCHRAPPMESSER und den DONOTS genauso. Und auch WATERDOWN, die Ex-Band von Kruse und Meyer, sind jede Show so angegangen.
Waren da mehr friesische Bauern oder mehr Münsteraner Studenten?
Da waren nur gut aussehende Menschen. Wir haben sehr harte Regularien bei SCHRAPPMESSER, wer rein darf und wer nicht. Wer bei der Gesichtskontrolle durchfällt oder aussieht wie das aktuelle BLACK FLAG-Coverartwork, muss zur Strafe zum Tim Bendzko-Konzert gehen.
Was haltet ihr eigentlich von Bands wie DONOTS und/oder WATERDOWN? Meint ihr, die können mal, wenn sie groß sind, mit euch auf Tour gehen?
Pfff, Schnickschnack! Mit solchen Newcomerbands geben wir uns überhaupt nicht ab. Erst letzte Woche haben wir wieder den Headliner-Slot bei Rock am Ring mit SCHRAPPMESSER abgesagt, weil wir solche kleinen Squat-Shows einfach nicht mehr spielen. Mit uns gehen nur wir selbst auf Tour. Wir saufen allein.
Jetzt aber mal ehrlich: Ist SCHRAPPMESSER nicht letztendlich eine Verjüngungskur, „Back to the Schülerbandcontests“ und so?
Ach, es macht einfach Laune, mal zwischendurch was anderes zu machen, in einer anderen Konstellation und mit einer anderen Perspektive. Grundsätzlich gilt – egal, ob bei WATERDOWN, DONOTS oder SCHRAPPMESSER –, dass man einfach sein Ding macht und das mit so viel Spaß durchzieht wie möglich. Bei SCHRAPPMESSER lassen wir es einfach aus allen Schläuchen kommen und verbeugen uns vor vielen unserer Lieblingsbands, immer mit einem Augenzwinkern. Ein wirkliches „Das können wir nicht machen!“ gibt’s da, abgesehen vom Album-Intro, eigentlich nicht. Wir haben alle einen Background, der sehr Deutschpunk- und Hardcore-affin ist. Und dann macht’s umso mehr Bock, einfach mal das Krudeste aus beiden Welten beim Bier zu vereinen – und das, obwohl der Kruse eigentlich straight edge ist!
Ohne Gitarre kommt ihr doch nicht wirklich aus, oder? Wieso wird der „andere Knollmann“ dann nur namentlich auf dem Cover des Albums erwähnt und ist auf keinem Foto zu sehen? Scheut er die Öffentlichkeit und hat Angst vor Keile von den Messdienern, wenn die davon Wind bekommen, dass er in einer Punkrock-Band spielt?
Der andere Knollmann ist bei SCHRAPPMESSER „nur“ Live-Gitarrist. Die Songs haben Kruse, Meyer und ich geschrieben, aufgenommen und eingebölkt. Und der Meyer hat zusätzlich das Album gemischt und das Artwork verbrochen, haha! Davon abgesehen aber steht die Keile mit den Messdienern für Guido und mich immer noch aus, weil wir neulich beim Begräbnis unserer Oma keine Hostie annehmen wollten. Atheismus ist ein ziemlicher Affront in Ibbenbüren – das kann ich dir sagen.
Zum Thema Landleben: „Wirke bruik noch Fiengefühl? Dat Geld kümp ut’n Klingelbühl!“ und „vor de Keerke schieten goahn“, beides Songzitate. Schon mal gemacht? Also Geld aus dem Klingelbeutel klauen und vor die Kirche scheißen. Oder wie habt ihr euch die Freizeit auf dem Land so totgeschlagen?
Mofafahren, Saufen, Musik, Kaffee, Hundewelpen und wieder mal SLAYER. Aus der Kirche ausgetreten bin ich, glaube ich, ungefähr mit dem Start der DONOTS vor zwanzig Jahren oder so.
Nächste landübliche Phrase: Und wie ist das Wetter so?
Das beschreibt mein plattdeutsches Lieblingswort am besten: „Landwemsen“. Das bedeutet: Starker Dauerregen, weil die Tropfen eben so hart auf’s Land wemsen. Kein Witz.
Wat büs du dann för ’nen Geborenen?
Een Knollmann is een Knollmann is een Knollmann.
Was heißt: Piene inne Feute?
Schmerzen in den Füßen. In dem Song geht’s um Phantomschmerzen nach’m Saufen und die nervigen Kirchenglocken, wenn man sonntags mit Kater im Bett liegt.
Seuken und Kapottmaken.
Das gute alte „Search and destroy“ der STOOGES oder „Seek and destroy“ von METALLICA auf Platt übersetzt. Nicht mehr, nicht weniger.
Half besuopen is wechschmäten Geld.
Die einzig gültige westfälische Regel: Halb betrunken sein, ist weggeworfenes Geld. Entweder du machst es ganz oder gar nicht. Und das gilt nicht nur fürs Saufen.
Wer hat bei euch den VHS-Kurs „Plattdeutsch für Anfänger“ besucht und macht bei „Plattdeutsch für Fortgeschrittene“ schlapp? Die 7“ war noch ausschließlich auf Platt.
Guido und ich sind in Ibbenbüren in einer Familie aufgewachsen, in der Eltern und Großeltern eigentlich fast ausschließlich Platt geküürt haben. Da schnappt man schon das eine oder andere Wort auf. Ich verstehe Platt aber besser, als ich es spreche. Und auf Albumlänge war uns das einfach zu eindimensional, weil sich der Witz mit dem Plattdeutschen irgendwann totläuft und die universale Sprache von SCHRAPPMESSER sowieso Schnaps ist.
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