Schon mit ihrer ersten EP fielen mir die Briten von SCHINDLER positiv auf, spielen sie doch eine eigenwillige, düstere Version von Punkrock/Hardcore, die einerseits schwer nach den frühen Achtzigern klingt, andererseits aber kein Stück altmodisch wirkt. Und irgendwie hat mich auch sofort der Name fasziniert. Also nahm ich das Debüt-Album "Transverse Mercator" zum Anlass, ein kleines Interview zu führen.
Du musst mir, auch wenn´s eine billige Einstiegsfrage ist, unbedingt erzählen, welche Geschichte sich hinter eurem Namen verbirgt. Er klingt sehr deutsch - gibt es eine Verbindung zu Oskar Schindler aus Spielbergs "Schindlers Liste"?
"Ja, es gibt eine Verbindung zu Oskar Schindler. Wir wählten den Namen SCHINDLER, nachdem wir herausgefunden hatten, dass der echte Oskar Schindler all diesen Leuten aus reinem Eigennutz geholfen hatte. Was ich meine ist, dass dubioserweise ein grossartiger Akt der Nächstenliebe, der mehrfachen Lebensrettung durch reine Gier motiviert war, also etwas durch und durch Gutes was durch etwas durch und durch Schlechtes initiiert wurde. Wir fanden dieses Paradoxon sehr faszinierend. Der Film gefiel mir eigentlich sehr gut. Aber Fakt ist eben, dass Spielberg und ganz Hollywood es nun einmal lieben, Geschichte neu zu schreiben. Ich finde es unfassbar, dass jemand hingeht und einen Film über eine wahre Begebenheit dreht, um dann die Fakten und Gegebenheiten letztendlich doch zu entstellen und abzuändern. Dazu sei gesagt, dass die Realität immer besser ist als die Fiktion."
Seit ich eure EP zum ersten mal hörte, bin ich von der Art und Weise wie ihr Stile kombiniert begeistert. Einerseits ist da ein harter Punk der einfliesst, aber auch dieser 80´s Gothic-Rock Stil - bevor der Gothic-Rock anfing lahm zu werden. Das erinnert mich immer so ein bisschen an KILLING JOKE oder PLAY DEAD.
"Ich persönlich sage immer, KILLING JOKE sind experimentell und apokalyptisch und THE SISTERS OF MERCY sind Leute mit grossen Hüten und Nebelmaschine. SCHINDLER soll viele verschiedene Leute ansprechen und ich hoffe, wie ein jeder, dass wir was Einzigartiges machen und das ist auch gut so. Ich will ja auch gar niemand bestimmtes ansprechen, ich will auch nicht sagen müssen, dass ich dies oder das mache. Langsam dämmert mir, dass Punk sein nicht bedeutet, ein Punk per Definition zu sein, sondern vielmehr ein eigenständig denkendes und handelndes Individuum zu sein, sein Ding machen eben... Diese Definitionsweise scheint heutzutage etwas aus der Mode gekommen zu sein und die meisten Menschen weigern sich an etwas zu glauben. Sie kennen und verstehen sich selbst nicht. Ich glaube, ich selbst verstehe mich ganz gut und deswegen liegt es mir auch fern, irgendetwas zu wiederholen, was einer der "ganz grossen" schon mal vorgebetet hat. Ich habe eine Million Ideen, die ich noch in die Tat umsetzen muss, bevor ich mich daran mache zu kopieren. Wir sind ja auch von einer Unmenge an Bands beeinflusst worden, Ian z.B. von JOY DIVISION, HÜSKER DÜ, JANES ADDICTION, Matt geht ziemlich auf LED ZEPPELIN und PEAL JAM ab, Danny ist mehr so der Fan von THE WHO, TEXAS IS THE REASON, RADIOHEAD und bei mir sind es mehr so Sachen wie THE STRANGLERS, JOY DIVISION, KILLING JOKE, BLACK SABBATH, Nick Cave und und und..."
Das Infoblatt zur CD nennt HÜSKER DÜ und JOY DIVISION als prägende Einflüsse. Dein Kommentar?
"Ian ist schon ein massiver Fan von JOY DIVISION und warum sollten wir´s nicht zugeben? Die sind einfach ´ne grossartige Band. JOY DIVISION waren glaube ich für Iain die erste Band, die ihn spirituell bewegt hat, genau wie für mich auch. Ian und auch ich würden schon sagen, dass wir mit der Musik etwas aussagen wollen. Sicher, ein gutes Riff ist ein gutes Riff, aber auch nicht mehr..."
Welche Band würdest du denn als deine persönliche Lieblingsband "ever" angeben?
"Mein persönlicher Favorit sind die STRANGLERS. Jede Platte war auf ihre eigene Art und Weise mehr oder weniger experimentell, auf jeden Fall aber intelligent - ich liebe diese Jungs! Die beste Platte, die sie jemals gemacht haben, ist "The Raven"."
Wer sind eigentlich die Menschen, die sich hinter dem Namen SCHINDLER verbergen? In welchen Bands habt ihr vorher gespielt und was macht ihr sonst so?
"Ian und ich haben bei MASS gespielt, die sich vor einer Weile aufgelöst haben. Danny war bei SHUTDOWN, die sich erst kürzlich auflösten und Matt war in einer Pub-Coverband, er ist noch sehr jung. Ich arbeite beim Musikvertrieb PHD und Ian ist ein sogenannter Flugplaner - jedesmal, wenn ein Flugzeug die Landesgrenze überfliegt und einen Flughafen ansteuert, plant er die Route für den Flug. Er hat auch einen schwarzen Gürtel in Karate und erteilt uns in den Proben immer ein paar Lektionen. Danny ist Landwirtschaftswissenschaftler und Matt arbeitet in einer Bar."
Ihr hab ja schon mit einer ganzen Reihe von grossen Produzenten gearbeitet. Wie seid ihr mit denen in Kontakt gekommen und inwiefern hat es euch genutzt? Und wer hat euch mit den Aufnahmen zum neuen Album denn so alles geholfen?
"Na ja, Martin Atkins ist ein Arbeitskollege und er betreibt Invisible Rec. Ausserdem hat er in einer ganzen Menge göttlicher Bands gespielt, wie beispielsweise PIL, KILLING JOKE, etc. Er hat uns angeboten uns zu helfen. Er ist echt ein verdammt netter Typ, einer der besten Kerle die ich je getroffen habe. JJ Burnell kenne ich auch von der Arbeit. Er hatte uns auch angeboten uns zu helfen. Die "Time"-EP wie auch die "Everybody wants"-EP sind offen gestanden nur peinlich, aber hey, irgendwo muss man schliesslich anfangen. Publicitymässig hat die Zusammenarbeit mit diesen Leuten insofern was gebracht, dass die Leute sich im Vorfeld schon eher für uns interessiert haben. Daraufhin haben sie dann alle möglichen seltsamen Fragen gestellt, wie zum Beispiel "Was macht ihr denn so im richtigen Leben?". Wir haben dann normalerweise immer schön dick aufgetragen und die feistesten Lügen über unser Sexualleben und unseren schier maßlosen Drogenkonsum verbreitet. Es bringt einem halt in erster Linie die Möglichkeit zu interessanten, aber nicht wirklich wichtigen Gesprächen."
Was erwartet ihr denn vom neuen Album?
"Ein wenig bedauerlich ist eben der Umstand, dass wir in keine musikalische Schublade so richtig reinpassen. Somit wissen wir vorher schon, dass es ein langer Weg und harte Arbeit bedeutet, bis wir dann mal ein paar Platten verkaufen und die Chancen bekommen ein paar gute Gigs angeboten zu kriegen. Zuerst mal sind wir natürlich sehr froh darüber, dass die Presse sich größtenteils sehr positiv dazu äussert und dass die Leute, die das Album gekauft haben, große Augen gemacht haben und das ist für uns das Wichtigste. Wir haben bis jetzt schon mal mehr Platten losgekriegt, als wir uns je erhofft hatten und ich finde es einfach schön, dass die Leute es mögen."
Ihr habt mit den STRANGLERS in England gespielt. Wie war das denn so? Welches Publikum hattet ihr denn so, zusammen mit einer solchen, ich sag mal, alten Band? Was ist denn normalerweise das typische SCHINDLER-Publikum?
"Die STRANGLERS-Tour fand ja fast nur in grossen Hallen mit 2000 bis 3000 Leuten statt und da ich ein grosser Fan bin, war es für mich natürlich eine grosse Ehre mit meinem Helden JJ Burnell zusammen auf einer Bühne zu stehen. Diese Tour war auch ein gutes Stück Arbeit, aber viele Leute die uns sahen, kamen ein Jahr später dann auch wieder zu den Shows. Wir spielten auch mit A SPEAR OF DESTINY, weil die zu der Zeit die einzigen waren, die uns Gigs anboten - das sagt ja wohl alles! Wir spielen für jeden, der zu den Shows kommt. Wir wollen nicht speziell diesen oder jenen Typ Zuschauer anlocken. Wenn du vorbeikommst und uns hörst und dir das was du hörst auch noch gefällt, bist du jederzeit herzlich willkommen! Publikum ist Publikum, egal welche Kleidung sie tragen."
Irgendwelche Pläne, demnächst mal was in Deutschland zu machen?
"Ich würde sehr gerne mal in Deutschland eine Tour machen. Ich habe mit MASS bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir haben auch immer gute Resonanzen von Seiten des Publikums erhalten und falls dieses Interview wirklich jemand lesen sollte: ruft uns ruhig an und bucht uns! Als selbsternannte Botschafter der modernen, frei denkenden Männerwelt würden wir sehr gerne unsere Erfahrungen mit unseren europäischen Brüdern und Schwestern austauschen und sie mit offenen Armen empfangen. Ich rede jetzt auch keinen Blödsinn: The Way Forward Is Communication - Transverse your Mercator"
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