Die Ursprünge von SAVAGE REPUBLIC gehen zurück auf die Punk- und Hardcore-Szene des Los Angeles der frühen Achtziger, als Bruce Licher, Mark Erskine und Jackson Del Rey die Band AFRICA CORPS gründeten und später, nach dem Einstieg von Jeff Long von WASTED YOUTH, den Namen in SAVAGE REPUBLIC änderten. "Tragic Figures" hieß das erste Album, es folgten diverse Besetzungswechsel: Ende 1983 holte Bruce Licher drei neue Mitglieder in die Band, Greg Grunke, Thom Fuhrmann und Ethan Port, und bis zur Auflösung 1989 spielte und nahm man in dieser Besetzung auf. 2002 dann die Reunion, Fuhrmann, Grunke und Port sind wieder dabei, aber auch Val Haller, der einst mit Jayne/Wayne County spielte, und im März 2007 fand 19 Jahre nach dem ersten Deutschlandbesuch auch eine zweite Tour statt, in Form der "Siam"-EP gab es sogar die erste neue Veröffentlichung seit Jahren, in die auch Bruce Licher mit seinem Label Independent Project involviert ist. Dieser Tage kommt nun in Kooperation mit Neurot Recordings ein neues Album jener Band, deren eigenwilliger, gerne auch instrumentaler Sound sich aus Industrial-Drones, dubbigen Rhythmen, düsterem Postpunk und komplexer Percussion zusammensetzt. Greg und Thom beantworteten mir aus aktuellem Anlass ein paar Fragen.
Kannst du für diejenigen, die wahrscheinlich zu jung sind, um eure Bandgeschichte zu kennen, etwas dazu sagen, wie du zu SAVAGE REPUBLIC gekommen bist und was bis zum Split 1989 passiert ist?
Ich habe Ethan an der Universität von L.A. getroffen und er spielte mir einige ihrer Aufnahmen vor, zu der Zeit hatten sie gerade den Namen von AFRICA CORPS in SAVAGE REPUBLIC geändert. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, war ich völlig überwältigt. Die Kombination ganz unterschiedlicher Elemente, wie dem aggressiven Lärm, den packenden Melodien, den Filmsoundtracksequenzen, dem schrottigen Metalschlagzeug und so weiter, das alles wirkte, wie von einer anderen Welt. Es gab diesen experimentellen Teil, der direkt mit den Zuschauern verbunden war. Ich fühlte mich sofort zu ihrem Sound und ihren Ideen hingezogen. Hierzu muss gesagt werden, dass vieles, was zu der Zeit, also 1982-83, als "Punk" bezeichnet wurde, sehr eindimensional und nach Schema F aufgebaut war. Die Kombination aus punkiger Aggression und Verstand war schon sehr aufregend. Ethan und ich hatten eine Noise-Band und irgendwann lud er Bruce Licher ein, vorbeizukommen und mit uns in unserem dröhnenden Kellerloch zu proben. Brad Laner kam auch ab und zu vorbei. Nachdem Jackson Del Rey und Jeff Long bei SAVAGE REPUBLIC ausgestiegen sind, habe ich angefangen, mit Bruce und Robert Loveless bei SAVAGE REPUBLIC zu proben. Nach ein paar Proben ist auch Robert ausgestiegen, um sich mit Mr Del Rey auf 17 PYGMIES zu konzentrieren. Kurz danach sind Ethan und Thom eingestiegen und mit dem Line-up haben wir in den folgenden sechs Jahren vier Studioalben und ein Live-Album aufgenommen, sind durch die Staaten und Europa getourt und haben mit Bands wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, SONIC YOUTH, LIVE SKULL, MINUTEMEN, YOUNG GODS, BUTTHOLE SURFERS, BAD RELIGION, ANGRY SAMOANS und FINAL CONFLICT gespielt. 1989 kam Bruce an einen Punkt, an dem er kein wirkliches Interesse mehr an harter Musik hatte und die Band verließ, um mehr Zeit für seine Familie zu haben. Somit haben wir uns entschieden, die Band aufzulösen und uns anderen Projekten zu widmen.
Wie ist die Reunion 2002 zustande gekommen, und was hast du bis dahin gemacht?
Thom, Ethan und ich haben weiterhin zusammen an verschiedenen Projekten gearbeitet, während wir nebenbei mit Heiraten, Kindern und diversen Umzügen beschäftigt waren. Thom hatte eine Band namens AUTUMNFAIR, die er schon während der Zeit von SAVAGE REPUBLIC gegründet hat, mit der ich später einige Sachen aufgenommen und ein paar Shows gespielt habe. Anfang der 90er hatten wir drei noch ein Projekt namens WONDER, das in eine ähnliche, aber melodischere Richtung ging und mit dem wir eine 7" aufgenommen haben, die ich immer noch sehr mag. Thom und ich hatten auch noch eine sehr obskure, schmerzhaft laute, quasi-obszöne Sludgecore-Band namens GRINCH. Nimm die MELVINS, unterziehe sie einer Lobotomie und mach sie sehr, sehr betrunken und du hast in etwa das, was GRINCH ausgemacht hat. Wir werden uns hüten, diese Band wieder zu beleben. Mitte der 90er arbeitete Ethan als Professor am College in Missouri und Thom hat in Colorado an seiner Karriere im Kaffeegeschäft gearbeitet. Ich habe bis zur Reunion 2002 keine Konzerte mehr gespielt.
Wenn es darum geht, euren Sound zu beschreiben, wird häufig der Begriff "Industrial" verwendet. Wie definierst du "Industrial" und wie passend findest du den Begriff?
Für mich bedeutet "Industrial" im ursprünglichen Sinne die Verwendung von Geräuschen und Materialien, die sich aus dem Abfall und dem Geröll der heutigen Gesellschaft ergeben, also aus Schrott, elektrischen Werkzeugen und dem Einsatz von Dissonanzen und so weiter. Ich denke da an Bands wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN oder THROBBING GRISTLE. Zusätzlich gab es diesen physischen Aspekt bei "Industrial" und ich bevorzuge noch immer Bands, die auf echtes Metall schlagen oder es mit einem echten Presslufthammer bearbeiten. Aber auch Bands, die komplett mit Synthesizern gearbeitet haben, hatten diese rauhe, provokative Seite. Dann wurde daraus schlechte Dance Music.
Euer Sound ist äußerst einzigartig, eure Konzerte außergewöhnliche Erfahrungen, bei denen die Ölfässer einen wichtigen Teil ausmachen. Was sind die Bestandteile und Einflüsse eurer Musik?
Wir sind musikalische Allesfresser. Einflüsse sind unter anderem Surf Music, 60s Psych, Gamelon, früher Punk, Persian/Arabic/Celtic Folk, Morricone, Theodrakis, PINK FLOYD, Augustus Pablo, Link Wray, CAN, Gordon Lightfoot, JOY DIVISION ... Unter den CDs, die ich mir zuletzt angehört habe, sind NEUROSIS, Leonhard Cohen, Panjabi MC, UNKLE, Blind Willie Johnson und NAPALM DEATH. Jeder in der Band bringt bestimmte Vorlieben mit ein. Ethan ist sehr an noisigen Sachen interessiert, Thom hat ein großes Faible für Pop, Val bringt etwas Dub mit ein und ich hab eine gewisse Schwäche für Folk. Und Alan ist einfach der musikalischste Schlagzeuger, mit dem wir je gearbeitet haben.
Zwischen eurer ersten und zweiten Deutschlandtour lagen 19 Jahre. Was hat sich verändert, und was ist gleich geblieben?
Das ist ein bisschen schwer zu beurteilen, da wir diese Tour hauptsächlich damit verbracht haben, durch die Gegend zu fahren, zu spielen oder haben versucht zu schlafen. Es gab keine freien Tage oder viele Gelegenheiten, mit Leuten außerhalb von Clubs oder Raststätten in Kontakt zu kommen. Das Publikum war super, das Bier war gut und Thom war ganz alleine dafür verantwortlich, dass der Umsatz von Jägermeister um zwanzig Prozent angestiegen ist. Und Berlin hat ansonsten nicht mehr dieselbe wilde Ausstrahlung wie in der Zeit, als die Mauer noch stand.
Interessanterweise gibt es im Line-up von SAVAGE REPUBLIC keine Gründungsmitglieder mehr. Wie kam es dazu?
Wir haben uns 2002 im Zuge der Wiederveröffentlichung unserer Studioalben in Form eines Boxsets durch Mobilization für eine kurze Tour wieder zusammengefunden. Es hat Spaß gemacht, aber wir hatten keine Lust, wie irgendeine nostalgische Art-Punk-Band weiter die alten Sachen zu spielen. Trotzdem sind ein paar neue Songs entstanden, die eine logische Fortführung von SAVAGE REPUBLIC waren. Zunächst zeigten wir uns unsere Ideen und eigentlich wollte auch Bruce dabei sein, musste aber Zugeständnisse an seine Familie und seinen Job als Grafiker machen, so dass es für ihn unmöglich war, sich mit uns zu treffen und Songs zu schreiben, geschweige denn zu touren. Aufgrund seiner mangelnden Zeit entschied er sich, seine musikalische Energie auf SCENIC und seine Soloaktivitäten zu beschränken. Außerdem hat er auch kein Interesse mehr, aggressive Musik zu machen. Als wir uns dann 2005 offiziell als Band wieder zusammenschlossen, hatten wir seinen Segen und seine vollste Zustimmung, ohne die wir den Namen auch nicht verwendet hätten. Er liebt das neue Album. Hierzu musst du auch die Bandgeschichte und ihre Arbeitsweise kennen. Das ursprüngliche Line-up, das "Tragic Figures" aufgenommen hat, bestand nur 18 Monate. Für Jeff Long war SAVAGE REPUBLIC auch nicht seine Hauptband, er konzentrierte sich mehr auf WASTED YOUTH. Thom, Ethan und ich waren der Kern von SAVAGE REPUBLIC, der nach dem ersten Album am längsten an den Shows und an den Songs beteiligt war. Es war immer so, dass jeder seine Ideen vorstellen konnte und jeder selbst seine eigenen Parts geschrieben hat. Es war also ein gemeinschaftlicher Prozess, bei dem Bruce den Anfang gemacht hat, es neben ihm aber auch andere gab.
Welche Rolle spielt Bandgründer Bruce Licher heute für die Band?
Er hat das Cover für unsere "Siam"-EP gedruckt. Während der Aufnahmen zu "1938" haben wir ihm Roughmixes und so weiter geschickt. Er ist immer noch ein guter Freund, mit dem wir uns oft unterhalten, und dessen Meinung uns wichtig ist. Als er auf dem Weg nach San Francisco war, kam er bei einer unserer Shows vorbei und wir haben ein paar alte Klassiker zusammen gespielt. Ich bin mir sicher, dass wir irgendwann mal wieder zusammenarbeiten werden.
Ende Oktober kommt euer neues Album. Thom, kannst du mir dazu was erzählen?
Ja, denn ich habe das neue Album auch produziert. Im Vergleich zu früheren Produktionen wollten wir wieder "back to the basics". Wir nahmen in einem ehemaligen Bankgebäude auf, in einem sehr kleinen, ungemütlichen Raum ohne Klimaanlage, und das brachte, glaube ich, jede Menge roher Energie in unseren Sound, und das hatte ich mir auch so erhofft. Die Songs der EP, "Siam", "1938", "Marshal Tito" und "Monsoon" entstanden auch schon in dieser Umgebung, und neun Monate später nahmen wir dann für das Album in einem richtig schicken Studio die zusätzlichen Instrumente auf, wie Violine und chinesisches Hackbrett, was unserer Musik ganz neue Aspekte verleiht. Vor allem aber haben wir wieder mit zwei Bässen gearbeitet, was ja schon für unsere ganz frühen Aufnahmen typisch war, und das Schlagzeugspiel von Alan Waddington ist wirklich unglaublich. Ich selbst finde die auf dem Album verwendeten Rhythmen absolut faszinierend. Mit voller Absicht haben wir dem Album auch wieder einen klar politischen Anstrich gegeben, nimm nur "1938", den Titelsong. Mit dem Surfsong "Anemone" wiederum nehmen wir Bezug auf "Ceremonial", und mein bestes Erlebnis während der Aufnahmen war, als wir "Caravan" aufnahmen, zusammen improvisierten und das in einem zwanzigminütigen CAN-liken Jam mündete. Alles in allem bin ich mit dem Album sehr zufrieden, auch wenn es vielleicht etwas verkopft ist. Aber so waren wir schon immer, und wir haben schon immer all die Einflüsse verarbeitet, die vier Individuen eingebracht haben. Gleichzeitig war mir wichtig, unseren Sound etwas moderner zu gestalten, mit einer trance-liken Produktion. Und 2008 kommen wir dann auch wieder nach Europa auf Tour.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #74 Oktober/November 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #76 Februar/März 2008 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #72 Juni/Juli 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #72 Juni/Juli 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Nico Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #72 Juni/Juli 2007 und Joachim Hiller