Das Label Arising Empire tituliert seinen Neuzugang aus Japan als Riff-Lords. Angesichts der markanten und prägenden Riffs und Leads ist das nachvollziehbar. Die Songs von „Odyssey“ zeugen sowohl von Demut und Kenntnis der Heavy-Historie als auch von Selbstbewusstsein und Tatendrang. Diese Mischung überzeugt – auch musikalisch.
Im Gegensatz zum 2019er Debüt „Embers“ und dem folgenden „Duality“ von 2022 wird das dritte Album des Quintetts direkt international veröffentlicht und noch dazu auf einem Label, das der Gruppe aus Tokio einen Zugang zur passenden Hörerklientel eröffnet. „Bei uns gibt es eine Mischung aus Metalcore, melodischem Death Metal und Hardcore-Passion“, gibt sich Gitarrist Rict Mishima bescheiden. „Ein bisschen traditionelle japanische Melodie kommt auch noch mit hinzu. Wir hoffen, dass die Leute uns eine Chance geben.“ In der eigenen Heimat hat sich die seit 2015 aktive Gruppe nach kleineren Startschwierigkeiten längst etabliert: „Zu Beginn unserer Karriere fühlten wir uns von der Metal-Szene in Japan isoliert“, erinnert sich Rict. „Die Metal-Fans der alten Schule konnten mit Metalcore nichts anfangen und schienen uns zu hassen. Inzwischen ist das nicht mehr so und die Lage ungleich besser. Ob das mit an uns liegt oder der insgesamt veränderten Umgebung, vermag ich nicht zu sagen. Doch sowohl Metal- als auch Core-Fans in Japan heißen uns inzwischen willkommen, wissen, wer wir sind, und unterstützen uns. Was die globale Szene angeht, kann ich nicht viel zu unserem Impact sagen. Wann immer wir Japan verlassen, ist für uns alles neu und aufregend. Wir sind von Anfang an herzlich aufgenommen und unterstützt worden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob wir auf großen Metal- oder kleinen Szene-Festivals spielen. Unser breit angelegter Stil macht all das möglich.“
Das klingt nach Understatement. Die Tokioter haben einiges vorzuweisen: „2022 haben wir im Rahmen des ‚Wacken Metal Battle‘ zum ersten Mal in Wacken gespielt“, bestätigt der Gitarrist. „Weil wir diesen Wettbewerb gewonnen haben, hat sich uns die Möglichkeit geboten, im Jahr darauf wieder dort aufzutreten. Der Unterschied zwischen 2022 und 2023 war enorm und ist mir in guter Erinnerung geblieben. 2023 hatten wir so viel mehr Publikum. Nach der Show haben die Leute immer wieder unseren Namen skandiert. Ich konnte kaum glauben, dass das an einem solch legendären Ort passiert, der noch dazu so weit von unserem Zuhause entfernt ist. Wenn wir das nächste Mal nach Europa kommen, werden wir noch mehr Zuschauer ziehen und unseren bisherigen Rekord übertreffen. Davon bin ich überzeugt, denn wir sind uns der Qualität des nächsten Albums sehr sicher. Das Live-Erlebnis wird dadurch noch besser.“ Zumal die Musiker aus leidvoller Erfahrung gelernt und ihr Songwriting angepasst haben: „Insbesondere unser erstes Album war zu technisch angelegt“, gibt Rict zu. „Es fiel uns sehr schwer, die Songs live zu spielen, besonders in größeren Hallen. Inzwischen achten wir darauf, dass die Stücke nicht zu technisch ausfallen. Obwohl ich selbst in der Lage bin, die meisten meiner Ideen tatsächlich auch zu verwirklichen, erfrage ich immer auch die Meinung der übrigen Bandmitglieder. Um das Gleichgewicht zwischen Schwere und Eingängigkeit zu finden, höre ich heute bewusst in mich hinein und vertraue am Ende meinem Gefühl. Als Band entwickeln wir uns natürlich weiter, brechen aber nichts übers Knie. Das zu verlieren, was man einmal war und einen ausgezeichnet hat, ist nicht gut. Zu stagnieren ist aber auch keine Alternative. Es ist uns wichtig, das richtige Gleichgewicht zu finden, denn die Leute sehen SABLE HILLS eher als Band auf der traditionellen Seite. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir diese Einschätzung teilen und uns nicht weiterentwickeln dürfen.“
Die Japaner treten auf ihrem dritten Werk mit einem gut ausbalancierten Stilmix an und wissen, was sie wollen: „Wir spielen verdammt viele Riffs und Leads“, stellt der Musiker klar. „Das ist etwas, das im aktuellen Metalcore zuletzt ein Stück weit verloren gegangen ist. In unseren Stücken kann man den Respekt vor Metal und Core hören und spüren. ‚Odyssey‘ ist so, wie Metalcore im Jahr 2024 sein soll – zumindest unserer Auffassung nach.“ Rict spricht SABLE HILLS dabei aus nachvollziehbaren Gründen die Rolle einer Gateway-Band zu: „Derartige Musik ist für viele Hörer ein idealer Einstieg in die Heavy-Musik“, so der Japaner. „Deshalb interessieren sich so viele Leute für uns. Ein Großteil der Heavy-Musik-Fans heutzutage hat mit SLIPKNOT angefangen oder anderen Bands, deren Songs sowohl Härte als auch Eingängigkeit beinhalten. Ich persönlich höre durchaus auch Gruppen, die mit wenig bis kaum Melodie auskommen. Doch zumeist bevorzuge ich doch eher diejenigen, die beides haben. Als Band sind wir darauf aus, dass so viele Leute wie möglich unsere Musik hören. Also versuchen wir, die Eingängigkeit nicht zu verlieren, ohne dass uns die Härte abhanden kommt.“ Seine eigene musikalische Sozialisation hat der Gitarrist bereits angedeutet und bestätigt sie auf Nachfrage: „METALLICA und SLIPKNOT haben mich mit Alter von circa zwölf Jahren zum Metal oder ganz allgemein zu schwerer Musik gebracht. Das bedeutet aber nicht, dass wir auch wie sie klingen. Die Musik von SABLE HILLS besteht hauptsächlich aus klassischem Metalcore, wie man ihn von AS I LAY DYING, UNEARTH oder TEXAS IN JULY kennt, und melodischem Death Metal im Sinne von IN FLAMES, ARCH ENEMY oder SOILWORK.“ Gruppen, die sich ebenso vortrefflich anführen lassen, um eine Idee davon zu vermitteln, wie „Odyssey“ klingt, sind CALIBAN, KILLSWITCH ENGAGE, TRIVIUM, HEAVEN SHALL BURN und ANY GIVEN DAY. Die Songs der Japaner laden zum Moshen und Abgehen ein, weisen aber gleichzeitig auch einen ausgeprägten Wiedererkennungswert und richtig starke Refrains auf. Auf die markanten Riffs und Leads muss nicht nochmals gesondert hingewiesen werden. SABLE HILLS fallen im besten Verständnis als intensiver Crossover-Act zwischen Metal und Core auf.
© by Fuze - Ausgabe #106 Juni/Juli 2024 und Arne Kupetz