RIPPERS

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Primi-60s-Garage-Punk-No-Hit-Wonders

Also bitte, wenn du Innovation willst, dann kauf dir ein neues Auto. Wenn du Kreativität propagierst, dann besuch doch einen Volkshochschulkurs für Laubsägearbeiten. Wenn du denkst, die Garage sei nur dazu da, deine kümmerliche Karre darin zu parken, dann blättere lieber gleich eine Seite weiter, denn dann – mal ganz im Ernst – werden dir THE RIPPERS aus Cagliari, Sardinien, Italien mit ihrem prähistorischen, ultraschnellen, formidabel unterproduzierten und definitiv arschtretenden 60s-Garage-Punk garantiert nicht gefallen. Dein Pech, wie ich an dieser Stelle mit Nachdruck behaupten muss! Denn die Power der RIPPERS knallt dir in die Visage wie ein gut sitzender rechter Haken und ihr Cave-Teen-Sound, der zu Recht als „Lo-Fi“ bezeichnet werden kann, treibt dich und deine unnütze Dolby-Surround-Anlage in die abgrundtiefe Verzweiflung. Yeah! This is the „Now-Sound“ of European-Garage-Punk! THE RIPPERS sind ein gefundenes Fressen für all jene Langweiler, denen bei der bloßen Erwähnung des Begriffes „The“-Band der kalte Kaffee vom Vortag wieder hochkommt. Auf Style, Optik und gepflegte Attitüde wird natürlich gesteigerten Wert gelegt. Und da THE RIPPERS eine Band sind und nur als solche funktionieren, ist es überflüssig, die vier einzeln namentlich vorzustellen, denn sie nennen sich schlicht: Ripper I (Drums), Ripper II (Bass), Ripper III (Gitarre) und Ripper IV (Vocals, Harp). Das muss genügen, schließlich ist Personenkult genau so überflüssig wie ein endlos gniedelndes Gitarrensolo. Zuerst veröffentlichten THE RIPPERS drei 7“s , nämlich „Tracks From Beyond“ auf Shake Your Ass Records, „Let You Bleed“ auf Corduroy und „Pleased To Rip You Off“ auf Psych Out. Auf jeder der drei 7“s findet sich ein Cover von eher unbekannten 60s-Punk-Bands (z.B. „Don‘t Cry To Me“ von JERRY AND THE OTHERS oder auch „Come On“ von THE MOONJACKS). Alle von ihnen haben eines gemeinsam, nämlich die Tatsache, dass sie vom Riff her stark an Songs von Bo Diddley erinnern. An einen durch den Fleischwolf gedrehten Bo Diddley, der sich gerade mit Speed zugeknallt hat, um genau zu sein. Ihre erste LP „The Rippers“ (vgl. das Review in Ox #52) erschien 2003 auf Screaming Apple Records, einem Label, das sich nicht nur in letzter Zeit durch die Veröffentlichung so einiger vorzüglicher, aktueller LPs hervorgetan hat (man denke hier an dieser Stelle nur mal an THE THANES oder an die BOSS MARTIANS). Wie auch immer, die erste RIPPERS LP ist ein großer Wurf für alle Beteiligten. Besonders für dich, sofern du deinen Lieblingsmailorder oder den Plattendealer deines Vertrauens bemühst, um das tolle Stück abzugreifen. Auf diesem schicken Longplayer findet man zehn eigene Songs und drei Cover, so z.B. einen von den SCORPIONS (nein, NICHT die langmähnigen Schnauzbart-Cock-Rocker, ohne die der eiserne Vorhang nie und nimmer gefallen wäre, nein, von den niederländischen SCORPIONS, die in den 60ern „lekkere Neder-Biet“ produzierten, ist hier die Rede!). Generell ist es ja wirklich zu begrüßen, dass auch mal andere 60s-Garage-Songs gecovert werden, als immer und immer wieder dieselben Sachen von den SONICS oder das unvermeidliche „Louie Louie“ ... Wundert es, dass die Songs alle knackig kurz sind? Wohl kaum, die RIPPERS machen jedenfalls keinen Hehl daraus, dass sie sich streng an das Punkrock-Credo „If you can‘t say it in two minutes say nothing at all!“ halten. Schon der erste optische Eindruck macht klar, welche Richtung die RIPPERS eingeschlagen haben. Die vier augenscheinlich jungen Typen präsentieren sich stilsicher und zeitlos schick in Schwarz mit blitzenden Beat-Boots vor verheißungsvoll brummenden Vox-Amps. Womit ich auch beim Wichtigsten angelangt bin: dem Sound! Die RIPPERS fallen zunächst einmal dadurch auf, dass sie eine enorme Geschwindigkeit vorlegen. Besonders moody ist hier nichts; die live eingespielten 13 Album-Tracks – wie auch die Songs der drei 7“s – sind (fast) ausschließlich verdammt dreckige Up-Tempo-Songs. Und es knallt, scheppert und röhrt, die Gitarre klingt twangy wie Sau, die hohntriefenden Vocals fräsen sich übersteuert in dein Gehirn, und wenn die Blues-Harp einsetzt, möchte man augenblicklich rufen: „Spiel es, wie es ist, Mann!“. Stilistisch geht es eindeutig in die europäische 60s-R‘n‘B-Punk-Ecke; zur Sicherheit kannst du ja gerne mal die beiden „Transworld Punk“-LPs von Crypt, die „English Freakbeat“-Sampler oder „Pebbles Volume 6“ auflegen und andächtig vergleichen. Um mal ein paar Bands zu nennen: mit den Q 65, den MISSING LINKS, den PRETTY THINGS oder den DOWNLINERS SECT liegt man nicht falsch. Ganz im Gegensatz zu dem im positivsten Sinne musikalisch-antiquierten Anspruch der RIPPERS tauschte ich mit Sänger Ripper IV geradezu progressiv per E-Mail ein paar Fragen und Antworten aus.

Wie sieht es mit dem musikalischen Fundament der RIPPERS aus?


„Die Musik der RIPPERS ist vom R‘n‘B beeinflusst, aber ich denke, wir sind mehr eine Garagen-Band – im wörtlichen Sinne. Schau auf unsere Cover-Rückseiten, da steht ‚Recorded LIVE in our garage‘. Da liegt es nahe, dass wir auf der Bühne denselben Sound haben wie in unserer Garage, wenn wir aufnehmen. Wenn wir nämlich eins hassen, dann sind das moderne Studios mit ihren Fake-Sounds!“

Besonders „puristisch“ seid ihr aber nicht, oder? Ich meine, THE RIPPERS klingen nicht sehr „traditionell“, ihr spielt verflucht aggressiv, die Vocals sind dermaßen snotty, und ihr seid auch durchgängig super schnell. Der Punk-Einfluss ist für mich echt nicht zu leugnen ...

„Ich denke, unser Sound ist 100 % ‚puristisch‘. Wir machen auch keine Punk-Musik, es sei denn, du meinst 60s-Punk. Und überhaupt, man sollte nicht vergessen, dass es in den 60ern nicht nur liebe, nette Jungs gab, die wie die BEATLES gespielt haben. Nee, da gab‘s auch eine Menge anderer wirklich großartiger Bands. Nimm z.B. die OUTSIDERS: Songs wie ‚If You Don‘t Treat Me Right‘ oder ‚Don‘t You Cry‘ sind wild und sehr schnell gespielt. Dasselbe empfinde ich bei Mick Jagger, ich steh auf seine rotzige Stimme.“

Wie sieht es denn mit einer „Szene“ auf Sardinien aus? Gibt es dort für 60s-Punk ein Publikum?

„Nicht wirklich. Die Leute, die 60s-Punk hören, kommen nicht unbedingt zu Gigs, also spielen wir auf Sardinien häufig in Clubs mit einem ganz anderen Publikum. Von daher haben wir dort auch maximal einen Auftritt pro Monat.“

Denkst du, es gibt zur Zeit wieder ein „60s-Punk-Comeback“, so eins wie Mitte der 80er Jahre?

„Ich glaube nicht an einen weiteren ‚Garage-Boom‘, wie es ihn Mitte der 80er Jahre gab. Das war halt eine große Zeit für diesen Sound, und ich bin mir sicher, dass es zu der Zeit eine Menge Bands gab, die viel mehr musikalische Qualitäten hatten als die meisten Bands, die jetzt ‚groß‘ sind.“

An welche 80er Bands denkst du denn? Welche sind denn deine Lieblingsbands/-Platten aus der Zeit?

„Hm, ich steh auf die PRIMATES, die MORLOCKS, die CHESTERFIELD KINGS, die CRAWDADDYS, die WYLDE MAMMOTHS und natürlich die TELL-TALE HEARTS. Aber du weißt ja sicherlich aus eigener Erfahrung, diese Liste ist – wie auch bei den 60s – endlos.“

Werdet ihr denn häufig mit anderen Bands verglichen? Mir fallen auf Anhieb z.B. die frühen MAKERS ein. Nicht nur wegen des Looks, sondern besonders wegen der Musik.

„Erstmal wollen wir nicht wie eine andere Band aussehen, denn wir sind die RIPPERS! Aber klar, ist schon okay, wenn sich eine neue Band auf eine andere beruft, dann wird diese auch mit der anderen verglichen. Das liegt nahe, muss aber nicht stimmen. Ich weiß ja auch, dass viele, die für Musik-Magazine und Fanzines schreiben, eine neue Band mit anderen Bands vergleichen. Ist ja auch gar nicht schlimm. Ich persönlich aber mag Bands wegen ihres Sounds und ihrer Musik, nicht weil sie einer oder mehreren anderen Bands gleichen. Andererseits will ich gar nicht leugnen, dass es sehr schmeichelhaft ist, mit den besten Bands dieses Genres auf eine Stufe gestellt zu werden ...“