Geknirscht hat es im Getriebe der REVOLVERS ja schon eine Weile, der Ausstieg von Frontmann Uwe Umbruch war da ein deutliches Zeichen. Und doch machten die Bochumer weiter, bis sie sich vor ein paar Wochen mit einem letzten Auftritt auf dem Force Attack-Festival endgültig verabschiedeten. Doch mit dem Abgang der REVOLVERS kam auch die Neuauflage von DISTRICT, der ebenfalls auf eine schon lange Dienstzeit zurückblickenden Bochumer Formation, die zudem seit einer ganzen Weile schon gewisse personelle Überschneidungen mit den REVOLVERS aufwies. Da bot es sich an, die neue alte Band mal um Aufklärung zu bitten über das Wer, Wann und Warum. Marc Ader (Guitar/Leadvocals), Flo (Bass), Flo Second (Guitar) und Tobbe (Drums) beantworteten per eMail meine Fragen.
Könnt ihr uns mal eben einen Abriss über die Ereignisse der letzten Jahren und Monate geben?
„Lang lebe DISTRICT! Im Prinzip richtig, hier noch mal eine kurze Erklärung für alle, die sich fragen, warum wir zu dem geworden sind, was wir jetzt sind. Fakt ist: Uwe Umbruch hat die Band letztes Jahr auf der ‚End Of Apathy‘-Tour Hals über Kopf verlassen. Da er nun mal die Band aus HAPPY REVOLVERS gegründet, Leadgesang und das hauptsächliche Songwriting übernommen hatte, konnten und wollten wir den Leuten diese Band nicht mehr als REVOLVERS verkaufen. Allerdings wollten wir unbedingt die damals verprellten Konzertveranstalter und Fans nicht im Regen stehen lassen, und entschlossen uns zu einer Abschiedstour. Diese absolvierten wir mit dem zurückgekehrten Marc Ader, der die Leadgitarre und den Leadgesang übernahm, sowie dem eingesprungenden Pascal Briggs (DISTRICT, PUBLIC TOYS) als Gastmusiker im Gepäck. Fakt zwei: DISTRICT hatten nun auch wieder einmal personelle Probleme, unter anderem wollte Pascal Briggs mehr Gewicht auf seine Solo- und Nebenprojekte legen. Dann zerbrach auch die alte DISTRICT-Formation. Pascal Briggs geht nun eigene Wege. Die Überbleibsel beider Bands waren nun von Geldsorgen geplagt und Arbeitslosigkeit bedroht, entschlossen sich dann aber, als neuer Stern am Punkhimmel unter dem Namen 2ND DISTRICT weiterzumachen. Musikalisch wird sich nicht viel ändern, es bleibt dabei: 77er Style-Punk, Glam, Rock’n’Roll für alle, die nicht genug davon bekommen können. Remember AC/DC, Motörhead, punk and love!“
Ihr könnt ein Lied davon singen: Sänger können auch ganz schön egoman sein. Warum eigentlich?
„Sänger! Sicherlich – aber auch Gitarristen, die machen sich nämlich andauernd lauter ... Wir hatten das Pech, mit Leuten zusammenzuarbeiten, für die Pizza wichtiger war als der Soundcheck! Haha, also egoman sind Menschen, die ihre Bedürfnisse über alles andere stellen. Gerade in einer Gruppe – seien es Pfadfinder, Musiker oder sonst was – führt dieses Verhalten unvermeidlich zu Konflikten. Es ist nur eine Frage der Zeit ... Ich glaube, jeder hat schon einmal eine solche Erfahrung machen müssen. Egoismus ist weit verbreitet und hat nicht nur Frontmänner und -frauen erreicht ...“
Bochum, Punk Rock City? Was geht da, wie wichtig ist euch die Heimatstadt?
„Ralf Richter ... Herbert Knebel ... Das Einzige, was positiv auffällt, ist die direkte Sprache im Hausflur, Hau-drauf-Mentalität, Tacheles reden. Aber da die REVOLVERS es ja nie wirklich zu einer lokalen Größe gebracht haben und im restlichen Bundesgebiet sowie europaweit eher bekannter waren als in ihrer Heimatstadt – und für DISTRICT war die Situation ähnlich –, kann man nicht wirklich von heimatbezogenen Bands reden. Natürlich schätzen wir die Leute im Ruhrgebiet und die vielen Freunde dort; das hat aber weniger mit Musik zu tun. Es ist eben unsere Heimat – im Großen und Ganzen ist Bochum ja auch nur Teil des Ganzen. Dortmund, Essen, das sind Städte, die nur 20 km entfernt liegen – Düsseldorf auch nur 45 Minuten –, die immer genauso wichtig für uns waren und wo auch immer etwas los ist, Konzerte gemacht werden, Kultur und Austausch stattfindet ... Und für unseren Lokalpatriotismus sind immer noch die BECKS PISTOLS, KASSIERER und die LOKALMATADORE zuständig!“
Na, warum so wirsch, was Bochum anbelangt? Ich wollte ja nur wissen, ob da so etwas wie eine Szene existiert, befreundete Bands und so weiter.
„Na klar gibt es in Bochum eine Punkszene. Wir haben hier eine Menge Freunde und befreundete Bands, mit denen wir in unserer Freizeit rumhängen. Viele fahren auch mit zu den Shows und helfen überall. Anders geht das auch gar nicht.“
Wenn ich REVOLVERS beziehungsweise DISTRICT visuell umsetzen sollte, dann kommen mir da Nieten, Jeans- oder Lederjacken, Buttons, Leopardenfell und stachelige Frisuren in den Kopf ...
„Stimmt, aber du vergisst die verschwitzten Handtücher nach den Auftritten, die leeren braunen Flaschen, die aus unseren Leopardennietenjacken ragen, den süßlichen Geruch von Haarspray, die unzähligen Kajalstifte, die wir immer im Ein-Euro-Shop kaufen und pausenlos verlieren. Und wir würden an dieser Stelle gerne über Frauen reden, aber: wir dürfen das nicht mehr!“
Kajal ... da sprecht ihr was an. Es gibt solche Bands wie euch, die sich schminken, und solche. Ich meine jetzt Poser, die vor der Show stundenlang vor dem Spiegel sitzen, und, äh, solche wie euch. Wie kamt ihr auf die Idee?
„Dieser leichte Glam-Touch passt halt sehr gut zu unserer Musik, da wir ja immer Hardrockelemente mit dem klassischen Punkrock kombiniert haben. Außerdem hören wir auch gerne Bands wie HANOI ROCKS, DOGS D’AMOUR, alte GUNS’N’ROSES-Sachen und so’n Kram. Es ist also nicht so, dass wir in diesem Bereich keinen musikalischen Background hätten. Wir wissen, was wir da tun und sind auf keinen Fall auf irgendeinen Zug aufgesprungen. Speziell Marc Ader hat ja, bevor er DISTRICT gegründet hat, auch in Hardrock- und Metal-Bands gespielt, und der hört sich so ein Zeug, zum Leidwesen seiner Mitstreiter, immer noch gerne an, haha.“
Was sind das eurer Meinung nach für Menschen, die bei geschminkten Männern gleich ein saudummes „Schwuchtel!“ auf den Lippen haben? Habt ihr so etwas schon mal zu hören bekommen?
„Das sind Typen, die wenig Selbstbewusstsein haben und die deshalb oft so homophob reagieren. Man weiß nicht, wovor sie Angst haben. Ich glaube, die wissen gar nicht, wie sie reagieren würden, wenn ein anderer Typ sie mal wirklich ansprechen würden. Es wäre ja eigentlich nichts dabei, aber für solche ‚echten Kerle‘ wäre das glaube ich der Untergang. Vielleicht denken die dann: ‚Oh Mann, die Schwuchtel hat mich jetzt angemacht, vielleicht sehe ich auch total schwul aus?‘. Was für eine Katastrophe, haha. Oder als MAD SIN auf diesem Festival im Osten den unterstützenden Chorus ‚Anarchy in the UK‘ performten, immer diese tollen ‚Schwuchteln, verpisst euch!‘-Rufe, hahaha! Es ist schon manchmal komisch, wenn man vor dem Konzert mit fettem Eyeliner und Lippenstift herumrennt. Da erntet man schon mal merkwürdige Blicke, jaja.“
Wie sieht denn die musikalische Entwicklung aus? Ich meine, von den HAPPY REVOLVERS bis heute hat sich ja einiges verändert.
„Nach dem Ende von HAPPY REVOLVERS, wo ja nur Uwe Umbruch mitgespielt hatte, ging es bei THE REVOLVERS eben ähnlich weiter – ein bisschen weniger Glam, dafür qualitativ bessere Musik. Die Happys waren vom reinen Image her eine echte Sleaze-Rock-Kapelle. Nur leider reichten die musikalischen Fähigkeiten der Musiker nicht aus, um wirklich wie so eine Band klingen zu können. Später bei den REVOLVERS ist das schon ein bisschen besser gelungen, da das Debütalbum ‚A Tribute To Clichees‘ ja auch im Ausland Achtungserfolge vorweisen konnte. Musikalisch wird es jetzt mit 2ND DISTRICT ähnlich weitergehen. 77er Punk-Glam-Rock’n’Roll für alle, die nicht genug davon bekommen können.“
Wie schwer fällt es denn, all das Erreichte erstmal aufzugeben und eine Band aufzulösen? Man hatte zum Schluss ja den Eindruck, es läuft ganz gut für euch, mit Touren im Ausland und so weiter.
„Um ehrlich zu sein, das tut schon sehr weh. Wir sind als THE REVOLVERS fast fünf Jahre quer durch Europa gereist, haben sämtliche private und musikalische Höhen und Tiefen erlebt, die man sonst nur in den Biografien anderer Bands lesen darf. Eine sehr intensive Erfahrung, deren Verarbeitung sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir sind ja auch nicht im Guten auseinander gegangen und wollen auch keine alte Wäsche mehr waschen. Wer selbst Musik macht weiß, wovon wir hier reden. Da sind sehr viele Emotionen mit im Spiel. Ansonsten versuchen wir, den alten Schwung für die neue Band zu nutzen und genau dort anzuknüpfen, wo REVOLVERS und DISTRICT aufgehört haben.“
Wie war das Abschiedskonzert in Rostock beim Force Attack?
„Also das Force Attack war wirklich ein schöner Abschluss für die REVOLVERS. Wir haben ja im Zelt gespielt. Das Zelt war voll, die Leute hatten Bock, es war Pogo zu sehen, die Leute haben mitgesungen und es gab ein sehr nettes Plakat von den Bochumer Punx zum Abschied. Wir waren echt baff und hatten sogar Tränen in den Augen. Hier dann auch mal ein fettes Dankeschön all an die Leute! You know who you are. Und wir sehen uns bei 2ND DISTRICT.“
Hosen runter: Was ist das Schlimmste, was euch in all den Jahren als Band widerfahren ist?
„Solche Geschichten fallen einem auf Anhieb schwer ein. Dass Tobbe mal nackt und voll die Zimmertür und das Klo verwechselt hat und auf dem Flur liegend von dem fluchendem Portier geweckt wurde. Oder als er einmal besoffen in völliger Dunkelheit einen fünf Meter tiefen Dornenheckenabhang runtergestürzt ist. Ich musste blind hinterher springen, damit Uwe ihn rausziehen konnte. Das hätte richtig übel ausgehen können. Oder wie wir jetzt letztens auf der Spanientour wegen unserem kaputten Bus liegen geblieben sind. Das war an einem Wochenende und der Montag war ein Feiertag. Da geht nichts mehr in Spanien. Wir sind zum letzten Festival mit sechs Leuten, Gepäck, Instrumenten und Verschleißteilen in einem Zafira über drei Stunden rumgegurkt und hatten vorm Hotel morgens auch noch einen Platten. Das war unser erster Reifenwechsel in einem Parkhaus, in dem der Lichtsensor auf eine Minute eingestellt war. Wir haben dann noch drei Tage in einem Hotel an der Autobahn gelebt, der Bus war in irgendeiner Werkstatt, das Equipment in dem Hänger an einer Tankstelle und wir kamen nicht weg, weil die Kreditkarte nicht funktionierte. Das war echt zum Heulen. Ach da gibt’s so vieles ...“
Was sind die Pläne für 2ND DISTRICT?
„Also für 2ND DISTRICT ist einiges geplant. Wir arbeiten an neuem Material, so dass wohl im Winter als Appetizer wahrscheinlich eine 7“ – ‚(You’re) Young & Disorderly‘ – erscheinen wird. Ein Album ist natürlich auch geplant. Außerdem bestehen schon Pläne, ab dem Frühjahr 2006 mit neuem Material im Gepäck zu touren. Also wir sehen uns hoffentlich da draußen.“
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