Die RED SPAROWES begeisterten mich mit ihrem Debüt „At The Soundless Dawn“ (Neurot/Southern) kürzlich ähnlich stark wie vor einiger Zeit PELICAN oder ISIS im letzten Jahr mit „Panopticon“. Das Album traf mich vollkommen unvorbereitet und besticht durch rein instrumentale, epische Soundwände und eine nahezu perfekt ausbalancierte Mischung aus Anspruch und „Easy Listening“ zwischen Ambient, Post-Rock und bloßem Indie darstellen. In einschlägigen Fankreisen hat sich längst herumgesprochen, wer hier am Werke ist und die RED SPAROWES formieren sich aus Bryant Clifford Meyer und Jeff Caxide von ISIS, Josh Graham von NEUROSIS (dort für die Visuals zuständig), Greg Burns von HALIFAX PIER, sowie Trommler Dana Berkowitz, der zuletzt im CONVERGE-Nebenprojekt THE CIGNAL aktiv war. Für Aufmerksamkeit dürfte angesichts der prominenten Konstellation gesorgt sein.
Stilistisch mischt sich in den Songs des Outfits der Ansatz, mit möglichst spartanischer Instrumentierung maximale Klangwirkung zu erzielen, mit jenem, dieses auch durch hoch komplexe und volle Arrangements zu erreichen. Beides gelingt der Formation gleichermaßen überzeugend, wobei sich die Band zumeist auf die erste Arbeitsweise stützt. Die Kompositionen von „At The Soundless Dawn“ sind vorwiegend bedächtig und positiv anmutend startend, entwickeln sich in der Folge jedoch breit ausladend und unerbittlich weiter. Mitunter wirken einzelne Sequenzen leicht kopflastig, doch letztlich dominieren schlichtweg „schöne“ und zurückgenommene Passagen, die dem Debüt im Ergebnis seinen epischen Charakter verleihen.
Einzelne Songs kann man aus diesem „Gesamtkunstwerk“ nicht hervorheben, denn die sieben Stücke des Albums sind als organische Einheit konzipiert, deren Bestandteile sich gegenseitig bedingen und immer wieder aufeinander Bezug nehmen. Dies belegen bereits die reinen Titel, die hintereinander weg gelesen eine kleine Geschichte ergeben. Musikalisch findet das seine Entsprechung, denn Hörer und Musik wachsen und entwickeln sich gemeinsam mit fortlaufender Spielzeit und stehen auch in Verbindung zueinander, stimulieren sich. Schnell ziehen einen die RED SPAROWES in ihren Bann und ihre Kompositionen kann man nicht einfach nur nebenbei hören! Diese Monumentalsounds muss man erleben und tief in sie eintauchen; dann geht man im Endeffekt gestärkt aus ihnen hervor. Das geschieht unweigerlich, wenn man sich auf das Album einlässt und sich ihm öffnet. Gleiches erlebte man zuletzt in ähnlicher Art und Weise mit „Panopticon“, doch „At The Soundless Dawn“ scheint mir in dieser Hinsicht noch wirkungsstärker. Die RED SPAROWES sind zudem weitaus experimenteller und extremer als ISIS angelegt, gleichfalls auch spannender und fordernder.
Die Möglichkeit eines Interviews mit Gitarrist Josh Graham ließ ich mir vor dem Gig der Band im Berliner Magnet nicht entgehen. Zunächst interessierte mich, wie sich der Übergang vom Projekt-Status hin zu dem einer richtigen Band gestaltete:
„Das hat sich während des Songwritings ergeben und vollzog sich flüssig wie natürlich. Wir haben die Arbeit schnell ernster genommen und wendeten immer mehr Zeit und Energie auf. Schon bald hatten wir genug Material für ein Album zusammen und spätestens ab diesem Punkt betrachteten wir RED SPAROWES als eigenständige Band, mit der wir neben unserer Beteiligung in ISIS, NEUROSIS usw. auch touren wollten. Nun sind wir hier ...“
Den gewachsenen Anspruch dokumentiert bereits der Bandname – die Musiker haben sich nach einem in der Natur nur selten anzutreffen Vogel benannt und nutzen zudem dessen alte englische Schreibweise. Ähnlich ungewöhnlich und eigen gestalten sich auch die Songs. Ein Konzept oder vordefinierter Weg steht hinter diesen jedoch nicht:
„Es gab und gibt keinen Fahrplan für uns. Wir fingen einfach an, Songs zu schreiben und das hat sich dynamisch und organisch vollzogen. Schon nach drei, vier Stücken hatten wir uns aufeinander eingestellt und die Richtung, in der sich RED SPAROWES positionieren würden, war abgesteckt. Seither arbeiten wir immer akzentuierter. Es gibt für uns nichts, was wir musikalisch ausschließen, und wir sind gespannt, zu erfahren, wie RED SPAROWES in der Zukunft klingen werden. Mit jedem neuen Song versuchen wir, uns selbst herauszufordern und neue Grenzen auszuloten.“
Josh stellt für die weitere Entwicklung des Sounds den Ausbau der progressiven Elemente à la MOGWAI in Aussicht. Für den Verzicht auf Vocals entschied sich die Neurot-Gruppe übrigens bewusst:
„Natürlich, das ist schließlich eine Grundsatzentscheidung. Anfangs haben wir auch mit Vocals experimentiert, uns letztlich aber doch auf den instrumentalen Weg festgelegt. Die Wirkung der Stücke ist in unseren Augen so ausgeprägter. Als Musiker sind wir gefordert, das Soundbild noch bewusster in Bewegung zu halten und dem Hörer maximale Abwechslung zu bieten, um das Fehlen der Vocals zu kompensieren. Durch den Wechsel zwischen dezenten Ambient-Parts und rockigeren Gitarren-Passagen gelingt uns das.“
Das stimmt, die RED SPAROWES überzeugen gerade aufgrund dynamischer und überaus allgemeingültiger Arrangements, die spielerisch zwischen einfacheren und deutlich komplexeren Passagen hin und her pendeln. „At The Soundless Dawn“ birgt so das Potenzial, auch Hörerkreise jenseits experimenteller Underground-Sounds anzusprechen.
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