Die Wahl des Labels könnte für RED N BLACK der große Wurf bedeuten. Denn die Blues-Band ist auf Wenders Music gelandet, dem Label des Filmemachers Wim Wenders. Gefunden hat sich das bunt zusammengewürfelte Quartett, bestehend aus einem gebürtigen West-Berliner, einem Kalifornier aus Los Angeles und zwei Jungs aus Maidstone, England, in Berlin, irgendwo zwischen Tresen, Proberaum und Demo. Sänger und Gitarrist Till Hertling erklärt, wie es zu der Zusammenarbeit mit Wenders gekommen ist.
Wie bist du mit Wim Wenders in Kontakt gekommen?
Das ist wirklich eine kuriose Geschichte. Als Jugendlicher war ich großer Fan von seinen Filmen. Dann habe ich sein Werk ein bisschen aus den Augen verloren und mit vierzig Jahren habe ich meine jetzige Lebensgefährtin kennen gelernt, ohne zu wissen, dass deren Schwester mit Wim Wenders verheiratet ist. So bin ich zufällig in seine Familie reingerutscht. Wir haben uns dann kennen und schätzen gelernt und die Musik war von Anfang an unsere gemeinsame Achse. Dann hat er irgendwann nach einem Demo von unserer Band gefragt, das war vor etwa drei Jahren. Das hat ihm so gut gefallen, dass er meinte: Lass uns doch einfach mal eine Platte machen.
Gibt Wim Wenders für das Label nur seinen Namen her oder ist er da wirklich aktiv beteiligt?
Das Label hat bislang geschlafen. Eigentlich hat Wim ja eine Filmfirma und innerhalb dieser Firma gab es eben Wenders Music, das haben die irgendwann mal gegründet. Bis jetzt gibt es aber außer uns nur eine weitere Band. Die anderen Veröffentlichungen waren bis jetzt vor allem Soundtracks. Da ist also echt noch nicht viel passiert. Wim ist aber der absolute Musik-Nerd, der eine unfassbare Sammlung von Tonträgern hat. Und er legt auch regelmäßig als DJ auf, unter anderem bei unserer Release-Party im Club Marie-Antoinette in Berlin.
Was habt ihr vor dem Deal mit Wenders Music gemacht?
Wir waren eher so eine Tanzband und haben viel auf Partys gespielt. Sehr blueslastig, also viele Coverversionen, aber auch tanzbar. Liam, der ja mit Anfang dreißig noch ziemlich jung ist, hat in Amerika schon in einer Menge Bands gespielt. Unser Bassist Gordon war schon mit GIDDY MOTORS auf großer US-Tour und Drummer Richard war auch schon mit einigen Bands unterwegs. Das sind also alles gestandene Musiker, ich bin dagegen eher so ein Autodidakt. Ich bin schon 57 Jahre alt, habe spät angefangen, mir alles selbst beigebracht und bin immer wieder erstaunt, dass die Jungs mit mir spielen wollen. Ich stelle den Jungs meine Ideen mit der Akustikgitarre vor und dann entwickeln wir die Entwürfe gemeinsam weiter.
Bei eurer Musik höre ich einen ziemlich starken ROLLING STONES-Einfluss heraus. Ist das Zufall?
Den Stones-Vibe kann ich nicht verleugnen, ich war immer ein Hardcore-Stones-Fan. Seit ich zwölf Jahre alt bin, bin ich besessen von dieser Band. Es hat zwar schon etwas nachgelassen, aber die alten Platten bis etwa 1972 höre ich immer noch mit Begeisterung. Das steckt also auf jeden Fall in unserer Musik. Ich liebe vor allem klassische englische Rockbands wie die KINKS und kann auch viel mit Punk anfangen. Dazwischen hatte ich eine krasse Blues-Phase, in der ich mit all die alten Helden aus den Staaten reingezogen habe. Aber natürlich fand ich auch Bands wie VELVET UNDERGROUND oder MC5 super.
Worum geht es in deinen Songs?
Liebeslieder interessieren mich in meinem Alter überhaupt nicht mehr. Das können andere viel besser als ich. Es sind eigentlich eher die drängenden Themen des Alltags. Ich verarbeite also meine Gedanken und Sorgen zu Geschichten und das eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben, denn ich war immer ein schlechter Schüler und konnte nie besonders gut schreiben. Es sind also eher dunkle Geschichten mit Musik, zu der man tanzen kann.
Worum geht es zum Beispiel im zweiten Song „Dickhead“?
„Dickhead“ ist eine konkrete Reaktion auf die Gentrifizierung in Berlin. Ich bin ja eigentlich Tischler und habe in den letzten dreißig Jahren als selbstständiger Handwerker gearbeitet. Ich war in einer schönen Werkstattgemeinschaft in Wedding integriert und da sind wir brutal rausgeschmissen worden. Deshalb habe ich gerade auch keine Arbeit und das hat mich eben extrem getroffen. Das war so eine stinkreiche, eiskalte Investorin aus Hamburg, die unsere Immobilie übernommen hat, und der brülle ich meine Wut entgegen.
Womit verdienst du aktuell dein Geld?
Als es mit der Werkstatt zu Ende ging, habe ich gemerkt, ich schaffe es nicht mehr, mir eine neue berufliche Existenz aufzubauen. Im Moment verdiene ich deshalb tatsächlich gar kein Geld, wohne noch in meinem Elternhaus und brauche den Rest auf, den ich noch habe. Ich steuere quasi auf ein etwas gruseliges Nichts zu. Unser Schlagzeuger Liam schwirrt auch mit ganz wenig Geld herum, wird nur ein bisschen von Wim unterstützt. Der knabbert sich fast schon clochardartig durch. Gordon hat auch nichts Richtiges gelernt und sich jahrelang bei einem Vinylhändler in Berlin eine Staublunge geholt. Er hat jetzt zusammen mit einem Kumpel eine Booking-Agentur gegründet und sie wollen uns als erste Band unter Vertrag nehmen. Richie hatte lange Jahre in der Pharmabranche einen Bürojob, ist dann aber rausgeflogen. Gordon und Richie sind so typisch englische Jungs. Bei uns ist also alles ein bisschen wackelig.
Ist die Band dann quasi eure letzte Rettung?
Das war nie der Plan. Wir haben die Band nicht gegründet, um damit Geld zu verdienen. Aber momentan hat RED N BLACK eine Dynamik, mit der ich nie gerechnet hätte. Das passt natürlich gut mit der momentanen Lücke in meinem Leben zusammen. Das ist aber wirklich Zufall.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #147 Dezember/Januar 2019 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #147 Dezember/Januar 2019 und Wolfram Hanke