RADKEY

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Familienunternehmen

Nach einigen Demos, einer Handvoll Kleinformate und einer Live-Platte sowie gefeierten Konzerten schicken sich RADKEY aus St. Joseph, Missouri (nahe Kansas City) an, ihren Geheimtipstatus abzulegen. Die Brüder Isaiah (Bass), Solomon (Drums) und Dee Radke (Gesang, Gitarre) gründeten die Band 2010, werden gemanaget von ihrem Vater Matt, und sind eine der wenigen afro-amerikanischen Punkbands – logisch, dass bei einer solchen Konstellation die Vergleiche zu DEATH und BAD BRAINS auf der Hand zu liegen scheinen, auch wenn sie substanzlos sind. Mit „Dark Black Makeup“ ist kürzlich ihr erstes Album erschienen. Ich sprach mit Isaiah über ... Familienenangelegenheiten.

Isaiah, letztes Jahr wart ihr das erste Mal in Deutschland auf Tour – und was für ältere Bands Routine ist, ist beim ersten Mal sicher noch spannend. Also, wie war’s?


Das war eine total coole Erfahrung! Die Menschen, die zu den Shows kamen, waren so enthusiastisch, die gingen auf unsere Musik total ab. Es ist schön, dass wir überhaupt mal aus unserem Proberaum rausgekommen sind, und dann auch noch aus den USA.

Ihr seid der erstaunliche Fall, dass eine Band als Geheimtipp durchstartet, ohne ein Album veröffentlicht zu haben.

Wir wollten sichergehen, dass wir wirklich bereit dafür sind, ein Album aufzunehmen, deshalb nahmen wir erst ein paar EPs und Singles auf, spielten so viele Shows wie möglich – einfach um das Ganze ganz natürlich aufzubauen. Wir wollten uns erst eine Fanbasis erspielen, bevor das Album erscheint.

Eure Band ist quasi ein Familienunternehmen. Ihr seid drei Brüder, euer Vater ist euer Manager. Wie geplant war und ist das alles?

Das ist einfach so passiert! Dee spielte schon seit Jahren Gitarre, ich hatte meinen Bass, aber spielte nicht wirklich, ich war zu faul. Stattdessen spielte Dee mit meinem Bass aushilfsweise in einer Coverband. Und irgendwann hatte ich dann die Idee, doch einfach mal zusammen Musik zu machen, und Sol meinte, dann würde er trommeln, und so ging das los. Dad meinte, er würde uns bei allem 100% unterstützen. Er fuhr uns zu den Konzerten, half uns beim Booking.Und als es dann allmählich immer besser lief, kam das gut an, dass wir einen professionellen Eindruck machten, einen Manager hatten, und dass sich um alles gekümmert wurde. Und so kamen wir zu unseren ersten Vorband-Erfahrungen.

Ihr seid also nicht eine Band wie etwa die JACKSON FIVE, deren Karriere von den Eltern von klein auf geplant wurde?

Ach Quatsch! Wir haben schon immer alles selbst entschieden, haben geprobt, wann wir wollten. Es war also nie so, dass Mom oder Dad gesagt hätten, wir sollten mal wieder proben – so sind die gar nicht drauf.

Welche Rolle spielen eure Eltern in der Band?

Mom bleibt zu Hause und kümmert sich um die Katzen, und Dad geht mit uns auf Tour. Er sorgt dafür, dass wir rechtzeitig aufstehen und pünktlich dort ankommen, wo wir spielen – was so ein Manager eben macht. Wobei aber auch sicher kein anderer mit uns klarkommen würde, hahaha.

Wie alt seid ihr, wie alt ist euer Vater?

Ich bin 20, Dee ist 22, und mein kleiner Bruder ist 18. Dad ist 43, glaube ich.

Mit was für Musik ist euer Vater aufgewachsen, und mit welcher ihr?

Er hat einen sehr breit gefächerten Geschmack, und seine Plattensammlung hat uns natürlich geprägt. Der ersten Rocksong, den ich bewusst wahrgenommen habe, war „Monkeywrench“ von den FOO FIGHTERS. Da war ich noch sehr klein. Unser Vater ist selbst zwar kein Musiker, aber er kennt sehr viele und wuchs mit einigen auf. Unser Onkel John etwa war immer in einer Band, seine Mutter war Sängerin, und so weiter. Als wir dann unsere Band gründeten, war es für ihn selbstverständlich, uns zu unterstützen. Er besorgte uns auch den ersten Auftritt, mit FISHBONE, das war der Hammer. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat.

Als typisches Vater-Sohn-Verhältnis in Sachen Punkrock habe ich das Cover des DRI-Album „Dealing With It“ vor mir, wo ein Vater sich extrem über die Kids aufregt – „Mad man“ ist der Text dazu. Bei euch ist das anders, da fällt dieser Konflikt aus. Was ist mit der Rebellion gegen die Eltern?

Hahaha, ja, bei uns läuft das anders. Unser Dad ist eben selbst ein Punk. Rebellion fand bei uns eher in der Form statt, dass wir nicht zur Schule gingen, sondern von unseren Eltern zu Hause unterrichtet wurden. So mussten wir uns nicht mit dem ganzen Scheiß auseinandersetzen, mit dem man es als Kind und Jugendlicher im öffentlichen Schulsystem zu tun hat. Okay, die Sache mit den Mädchen war doof, das ging auch an uns vorbei.

Wieso haben sich eure Eltern für das Homeschooling entschieden?

Die sind einfach überhaupt nicht mit dem Bildungssystem einverstanden. So typische Sachen eben, etwa dass man Stress bekommt wegen irgendwas, was man angeblich getan hat. Ich bin der Typ, der wegen so was Ärger bekommt, und wäre ich in der Schule gewesen, hätte ich wahrscheinlich ständig Ärger gehabt. Ich kann es nicht ab, wegen irgendwas beschuldigt zu werden, das ich nicht getan habe – ich komme mit so was nicht klar. Also war es besser, mich von so einer Umgebung fernzuhalten. Meine Eltern waren einfach der Meinung, es ist besser und sicherer für uns, wenn sie sich um uns kümmern. Klar, Homeschooling ist nichts für jeden und auch irgendwie etwas seltsam, aber für uns war es cool. Außerdem wurden wir ja nicht von der Außenwelt abgeschottet. Grundsätzlich wird man aber natürlich erst mal als Weirdo angesehen, wenn man das jemandem erzählt, haha. Abgesehen davon wollten wir das aber auch, es gab keinen Streit deswegen.

Hat das bei deinen Eltern einen politischen oder religiösen Hintergrund?

Nein. Unsere Eltern haben selbst ihre Erfahrungen mit dem öffentlichen Schulsystem gemacht und waren nicht gerade begeistert davon. Also wollten sie uns diese Erfahrung ersparen.

In den letzten Monaten gab es viel Berichterstattung zum Umgang der Polizei in den USA mit jungen Afroamerikanern. Auch ihr habt einen solchen familiären Hintergrund. Wie sind eure Erfahrungen diesbezüglich, gerade auch angesichts der Tatsache, dass ihr aus einer kleinen Stadt wie St. Joseph in Missouri kommt, mit einem Anteil von nur 5% Afroamerikanern an der Gesamtbevölkerung?

Angesichts all dieser Ereignisse und Berichte bin ich wirklich froh, dass wir daheim unterrichtet wurden. Meine größte Angst ist, dass ich von irgendwem umgebracht werde, nur weil ich schwarz bin. Einfach, weil irgendein Kerl Schwarze hasst und beschließt, einen zu töten. Das ist echt mein größter Horror! Da waren wir zu Hause sicherer. Und in St. Joe haben wir natürlich die üblichen rassistischen Erfahrungen gemacht. Mein Vater ist ein weißer Puertorikaner, meine Mutter eine Schwarze, und schon das führt in St. Joe dazu, dass man komische Blicke bekommt, also wenn ein weißer Mann mit einer schwarzen Frau herumläuft oder andersherum. Das ist echt ganz schön beschissen. Ich bin wirklich froh, dass mir durch das Homeschooling die meisten rassistischen Erfahrungen erspart geblieben sind.

Behandelt ihr solche Themen auch in euren Texten?

Auf unserer ersten EP, „Cat & Mouse“, hatten wir einen Song über Rassismus. Auf unserem ersten Album erzählen wir eher düstere Geschichten und verarbeiten damit persönliche Erlebnisse. Wir mögen zum Beispiel japanische Animes, und „Romance dawn“ basiert auf so was. In „Parade it“ geht es um eine Ex-Freundin von mir, die meinte, mit ihrem Neuen direkt vor mir vor der Bühne herumknutschen zu müssen, ich habe das gehasst. Manche Texte sind düster, andere lustig, manche wahr, andere erfunden.

„Le song“ allerdings klingt fast 1:1 wie „Vampira“ von den MISFITS ...

Stimmt! Dazu muss ich dir was echt Verrücktes erzählen: Wir schreiben Songs, indem wir irgendwelche Worte und Laute dazu quasseln, ohne Bedeutung. Das nehmen wir auf, ich höre mir das an und schreibe dann die Texte dazu. In „Le song“ gibt es die Zeile „Come a little bit closer“, und es war unser Promoter, der sagte, das erinnere ihn an „Vampira“, woraufhin wir uns das anhörten. Und ja, das ist verdammt nah dran, das ist echt seltsam, aber wir haben das echt nicht kopiert, das ist einfach passiert. Nachdem wir uns ja sowieso schon anhören dürfen, wir würden wie die MISFITS klingen, dachten wir uns, wir lassen das so, haha. Das ist echt ein komisches spirituelles Danzig-Ding, oder?

Außer mit den MISFITS hat man euch auch mit den RAMONES verglichen. Mit was noch?

THE DAMNED, was ich echt cool finde. Dee hat eine recht tiefe Stimme, daher kommt das. Und es ist eine Ehre, mit so einer tollen Band verglichen zu werden. Der Gesang hat so einen Goth-Touch.

Ihr seid heute in Hamburg, und die Reeperbahn stößt von jeher auf das Interesse tourender amerikanischer Bands. Blöd nur, wenn man mit seinem Vater unterwegs ist, oder? Wie sehr „beschützt“ der euch? Ich schätze mal, dass auch weibliche Fans an euch Interesse zeigen.

Hahahaha, klar, unser Vater ist immer um uns herum, aber der würde sich niemals in irgendwas einmischen. Wir sind erwachsen, wir sind da nicht in so einer typischen Vater-Sohn-Beziehung. Ich glaube, der würde nur was sagen, wenn er Angst hätte, dass wir uns bei der entsprechenden weiblichen Person was holen, aber zu besoffen sind, um das noch zu checken ... Ja, Dad passt auf uns auf, aber er nervt nicht.

Wie ist das Verhältnis unter euch Brüdern? Viele Menschen haben mit ihren Geschwistern nicht mehr viel zu tun, wenn sie mal zu Hause ausgezogen sind. Im Musikbereich gibt es freilich einige Beispiele für so eine Konstellation, und aus naheliegenden Gründen werden bei euch gerne DEATH genannt.

Wir sind eng miteinander verbunden, was eben auch wieder was mit dem Homeschooling zu tun hat. Wenn man in eine normale Schule geht, ist man in verschiedenen Klassen, hat andere Freunde – und bei uns war das ganz anders. Wir hingen die ganze Zeit zusammen herum, und das ist heute noch so. Wir wohnen jetzt in Kansas City, haben ein eigenes Haus, aber schlafen in einem Zimmer – freiwillig. Klingt seltsam, aber wir fühlen uns wohl dabei. Wir sind wirklich ungewöhnlich eng miteinander verbunden, sogar für Geschwister. Das überrascht die Menschen immer wieder. Wir streiten auch nie, sondern haben immer zusammen Spaß. Und dann ist auch noch unser Vater dabei ... wir sind einfach eine Familie. Es ist schön, dass das so funktioniert.

Verleiht euch das eine besondere Stärke? Wenn man als Band unterwegs ist, hilft so ein Zusammengehörigkeitsgefühl doch sicher.

Wir können uns alle vertrauen, wir können uns auf die anderen verlassen. Das macht alles so viel einfacher, gerade wenn es mal etwas schwieriger ist. Dann haben wir immer noch uns.

Und Musikmachen ist das, was ihr für immer machen wollt? Immerhin gibt es euch schon seit 2010, für Uni oder Ausbildung dürfte jetzt, da es immer besser läuft, keine Zeit mehr bleiben.

Wir wollen zusammen Musik machen, so lange es nur geht. Solange wir gute Songs schreiben, unsere Konzerte voll sind und jemand unsere Platten haben will, werden wir das machen. Es macht unglaublich viel Spaß!

Euer Vater dürfte auch nicht unglücklich darüber sein, dass er wegen eures Erfolgs seinen Job bei Walmart aufgeben konnte.

Er musste diesen Job machen, seit er zwanzig war. Er hatte mit jungen, unerfahrenen Leuten zu tun, und immer wieder musste er erleben, dass die die besseren Management-Jobs bekamen, und er wurde nicht befördert, obwohl er viel mehr Erfahrung hatte. Das hat ihn gewurmt, und es macht mich wütend, wenn ich nur daran denke. Dass er diesen Job jetzt nicht mehr machen muss wegen uns, das macht mich glücklich. Er konnte sagen: „I’m now the fucking manager of a fucking band, fuck all of you, fuck that shit!“

Passend zum Albumrelease habt ihr ein paar Shows in Deutschland gespielt, bevor ihr im Herbst wiederkommt. Wie lief’s?

Unglaublich gut! Die Shows waren alle voll, und wir haben unser Vinyl ruckzuck ausverkauft. In Europa läuft es für uns tatsächlich besser als in den USA. Ihr habt hier einfach eine viel größere Wertschätzung für Rockmusik. In den USA scheinen sich die Leute immer erst für Bands zu interessieren, wenn die in England Erfolg haben. Hier bei euch gefällt es den Leuten einfach, oder auch nicht, das ist viel simpler.

Letzte Frage: Mit wem würdet ihr gerne auf Tour gehen?

NIRVANA, aber das ist unmöglich. Also: FOO FIGHTERS.