Ein Ox-Special über Punk-Mode und Mode-Punks.
Kann man durch Kleidung seine Einstellung zum Ausdruck bringen, und möchte man das überhaupt? Wenn der CDU-wählende Jurastudent (Achtung: Feindbild) ein NOFX-Shirt und einen Nietengürtel trägt, macht ihn das wohl kaum zum Punk. Denn selbst wenn es keine allgemeingültige Definition des Begriffes Punk geben kann, so kann man sich doch darauf einigen, dass es eine alternative Bewegung ist. Doch auch wenn einige die in ihrem Weltbild unangenehmen Wahrheiten gerne ausblenden, so gehören Organisationen wie conservativepunk.com und Ronald Reagan-Bewunderer und NRA (National Rifle Association)-Mitglied Johnny Ramone auch zur Szene – oder möchte jemand behaupten, die RAMONES haben mit dem echten Punkrock nichts zu tun?
Die Szene hat ein Identitätsproblem, das sich nicht lösen lässt, schließlich gibt es keine höhere Stelle, die die Deutungshoheit inne hätte. Diese diffuse Außendarstellung hat die Bewegung gesellschaftsfähig und kommerzialisierbar gemacht; mag sein, dass man früher einmal wegen eines Iros aus dem Einkaufszentrum geworfen oder gleich verprügelt wurde, doch so richtig schocken kann man damit nicht mehr. Die normale Reaktion ist eher „Schön“ oder „Nicht schön“ oder „Wer’s mag ...“. Genauso verhält es sich mit der Punk-Mode. Einige Klamotten haben das Zeug zum Massenartikel, entweder weil sie einfach ästhetisch gelungen sind oder weil sie so schön rebellisch aussehen. Und dagegen zu sein, ist eben einfach cool. Sowieso war Punkrock schon in seinen Anfängen eine Mode: Die SEX PISTOLS waren, mit den Worten ihres Erschaffers Malcolm McLaren, „keine natürlich entstandene Band, sondern eine, die aus einer Modeboutique heraus konzipiert wurde“, und jeder kennt das „Hey Ho - Let’s Go“-T-Shirt der RAMONES. Auch wenn man es als Anti-Mode bezeichnet, das Prinzip bleibt dasselbe: das Kommunizieren einer Attitüde über das äußere Erscheinungsbild.
In ihrem sehr empfehlenswerten Buch „The Rebel Sell: How Counterculture Became Consumer Culture“ legen Joseph Heath und Andrew Potter die Mechanismen und Zwänge dar, denen jede subversive Gegenkultur ausgeliefert ist, und warum sie am Ende an ihren eigenen Ansprüchen scheitert. Sie betonen die Wichtigkeit von Coolness beim notwendigen Kauf der Kleidung, und der Konsument von Punk-Mode trifft auf willige Anbieter: schließlich kann man keiner Band und keinem Mailorder-Versand vorwerfen, dass diese mit T-Shirt-Verkauf Geld verdienen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Wird Punk letztendlich derselben Entwicklung zum Opfer fallen wie die Hippiebewegung? Jedem sei hiermit ein Gang durch die Haight/Ashbury-Gegend in San Francisco empfohlen, um zu sehen, welche Blüten die Kommerzialisierung von ursprünglich gegenkulturellen Bewegungen treiben kann. Vielleicht präsentiert Time Life ja bald eine CD mit den DEAD KENNEDYS, THE RAMONES und den SEX PISTOLS, und aus dem Off erzählt ein melancholischer Mittvierziger Sachen wie: „Wir traten an, das System zu zerstören“. Auch Althippies beklagen sich, dass auf den unzähligen Flower Power-Compilations Bands zusammengesteckt werden, die damals als miteinander unvereinbar galten. Es ist schwer, den Ausgangspunkt für eine bestimmte Entwicklung zu benennen. Wann wurde Punkrock, und damit auch Punk-Mode, cool?
Relativ frisch ist die Erinnerung daran, dass Punkrock zum Soundtrack der Skater und Surfer wurde, eine Szene, die sich in ihren Wurzeln selbst als alternativ bezeichnet: Die Lieder von PENNYWISE (deren 1995er Clip zu „Same old story“ ein dreiminütiges Skatevideo ist, an dessen Anfang der Protagonist seinem autoritären Vater die Milch ins Gesicht kippt), LAG WAGON und anderen, vornehmlich Westküstenbands und -labels, tauchten in Computerspielen wie der „Tony Hawk“-Serie und Szenevideos auf. Man merkte, dass die Botschaft unwichtig und das Lied in diesem Kontext ausgehöhlt wurde, so dass nur noch Hintergrundgeräusch übrig blieb. Die Skatewear-Firma Vans hat diesen Trend längst erkannt und mit der nordamerikanischen Vans Warped-Tour eine Festivaltour etabliert, deren Ausmaße sich der Punkrocker Anfang der 90er Jahre wohl nicht hätte träumen lassen. Punkrock als Lifestyle, nicht als politische Einstellung – eine einschneidende Entwicklung.
Als David Beckham bei der WM 2002 mit Iro auflief, wurde diese Frisur endgültig gesellschaftsfähig und die Nachmacher schossen an allen Ecken wie Pilze aus dem Boden. Die Popper-Typen, die vor ein paar Jahren noch jedem Punker aufs Maul gehauen hätten, tun das womöglich auch heute noch, nur eben mit Mode-Iro auf dem Schädel. Und mittlerweile gibt es den Nietengürtel bei H&M und die Punk Royal-Hose für 100 Euro, und vielleicht hatte ja jemand das Vergnügen, Jeannette Biedermann im THE EXPLOITED-T-Shirt zu sehen. Ohne das Selbstverständnis einer gesamten Szene (die es ja nach wie vor gibt) in Frage stellen zu wollen, muss man sich mit den Auswüchsen beschäftigen. Mit Punkrock und dem Image, das er kreiert hat, lässt sich eine Menge Geld verdienen. Subversity sells! Denn es ist cool, anders zu sein – anders anders, nicht übergewichtiger Allergiker, der bleibt auch weiterhin ein Verlierer. Und auf der hilflosen Suche nach Individualität werden alle möglichen Felder abgegrast, „’cause only the extreme makes an impression, when drowning in the mainstream“ (LAG WAGON).
Da macht es auch nichts, wenn diese zur Schau getragene Einstellung von milliardenschweren Unternehmen bereitgestellt wird, die die Klamotten in Sweatshops produzieren lassen – Chuck’s kommen von Nike, nix da alternativ. Deren „Major Threat“-Kampagne, die sich ohne voriges Einverständnis des Labels des Covers der legendären ersten MINOR THREAT-Platte bediente, ist das jüngste Beispiel für die Kommerzialisierung der Szene. Dementsprechend fiel auch die Reaktion von Dischord Records aus: „They stole it and we’re not happy about it. Nike is a giant corporation which is attempting to manipulate the alternative skate culture to create an even wider demand for their already ubiquitous brand. Nike represents just about the antithesis of what Dischord stands for and it makes me sick to my stomach to think they are using this explicit imagery to fool kids into thinking that the general ethos of this label, and MINOR THREAT in particular, can somehow be linked to Nike’s mission. It’s disgusting.“
Doch wann ist eine Firma kapitalistisch und böse, und wann ist sie alternativ? Vans und Nike produzieren beide in Südostasien und beide machen Riesenumsätze. Ist Vans besser, weil sich diese Umsätze „nur“ im hohen dreistelligen Millionenbereich abspielen? Ist alles eine Marke, und ist jeder ein Marktanteil? Nie war es leichter, sich ein Image zuzulegen, man lässt einfach das Äußere für sich sprechen. Ob die Leute, die sich in Punk-Mode kleiden, auch alternativ denken und handeln, ist zweitrangig. Punk hat sich so weit von seinen musikalischen und ehemals politischen Wurzeln gelöst, dass nur noch Puristen ein Interesse an dem haben, was hinter der Fassade steckt. Gemessen an den Verkaufszahlen der Punkklamotten, insbesondere Merchandise jüngerer politischer Bands wie ANTI-FLAG, sind deren Träger bei politisch alternativen Ereignissen (wie beispielsweise Demonstrationen) doch eher selten vertreten. Punkrock ist das, was seine Vertreter daraus machen: die Bands, die Labels, die Fanzines und natürlich die Hörer.
Es wäre jedoch nicht nur überzogen, sondern schlichtweg falsch, allen Leuten, die mit Punkrock Geld verdienen, vorzuwerfen, zum Ausverkauf der Szene beizutragen. Denn das hieße ja auch, dass der Käufer von Platten und T-Shirts mitschuldig ist. Die Mailorder beispielsweise haben dafür gesorgt, dass man nicht in der Großstadt leben muss, um an neue CDs oder Klamotten heranzukommen, und sie werden oft von Menschen betrieben, die in der beneidenswerten Situation sind, ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben.
Angesichts dieser notwendigen Differenzierung ist es für den kritischen Szenefreund somit wichtiger denn je, hinter die Kulissen zu schauen, und die Dinge, mit denen er konfrontiert wird, zu hinterfragen und anzusprechen. Nicht nur das Was – Punkrock –, sondern auch das Wer und Wie sind ausschlaggebend. Die Vermarktung durch Unternehmen, deren Vorgehen oft den Idealen des Punkrock zuwiderläuft, steckt noch in den Kinderschuhen und angesichts von in China zu Hungerlöhnen produzierter „Smash Capitalism!“-Shirts gilt: Nicht überall, wo Punkrock draufsteht, ist auch Punkrock drin.
Im Folgenden kommen Menschen zu dem Thema zu Wort, die alle beruflich mit der Herstellung und dem Verkauf von Punk-Mode zu tun haben: neben den Betreibern der Mailorder/Shirtdrucker/Labels Splashirts, Trashmark, Outcast, Tante Guerilla/Kidnap Music, Hooligan und Umlauff’s sind das Florian von ZSK und Klaas Schröder, der bei Eastpak für Marketing und Sponsoring zuständig ist.
Von wem, wann, wo und wie wurde eure Firma gegründet?
Maggi Schönenberg (Splashirts): „Splashirts wurde 1994 von Mischa Körner und mir gegründet und wird heute von mir und Marko Reimann betrieben.“
Achim Hicking (Trashmark): „Ich bin zusammen mit Olaf Treutler Inhaber der Trashmark Merchandising GmbH. Trashmark wurde ungefähr vor zwanzig Jahren von Olaf Treutler in Kamen gegründet. Olaf war seinerzeit Mitglied einer Punkband namens KELLERGEISTER und sang, besser schrie dort mangels anderweitiger musikalischer Fähigkeiten. Er wurde auf einen Siebdruckkurs in einem nahe gelegenen Jugendzentrum aufmerksam, besuchte diesen und wurde dadurch von dem ursprünglichen Vorhaben, Poster zu drucken, auf den textilen Siebdruck umgepolt. Dann ging alles ruckzuck, ein Sieb gekauft, und mittels wasserbasierender Farbe druckte Olaf das erste T-Shirt im Keller, Schwarz auf Weiß. Titel der Erstauflage: ‚KELLERGEISTER – Feuer und Flamme für diesen Staat‘. Die Auflage hatte die unglaubliche Höhe von 20 Stück. Von da an verselbstständigte sich die Sache und wurde als Hobby nebenbei mitgemacht. Es folgte der Umzug vom Keller in einen ausgedienten Schweinestall, danach in den Dachboden eines Lagerhauses. Musiker aus der regionalen Umgebung drohten mit Aufträgen, Shirts mit Polit- und Spaß-Motiven wurden gedruckt und auf Konzerten verkauft. 1992 kamen dann mit NOFX die ersten Amerikaner mit ins Boot – meiner Erinnerung nach eine der ersten Bands, die mit Merchandise auf Tournee gingen, ihre Sachen schnell ausverkauften und diese letztendlich über den persönlichen Kontakt bei Trashmark nachdrucken ließen. Irgendwann in der Zeit gab es dann auch die ersten Listen bzw. Kataloge und der Mailorder begann. Darüber wurden dann die ersten Händler auf Trashmark aufmerksam und bestellten ihrerseits. Um das jetzt mal abzukürzen ... Alles begann, wie gesagt, wegen des T-Shirts für die eigene Band und hat sich zum Selbstläufer entwickelt. 1995 kam ich dann offiziell dazu. Olaf kenne ich schon seit der Schule. Und mangels Willen und Glauben an die eigene Vermittelbarkeit im ersten Arbeitsmarkt ergab sich das, nachdem ich damals den eigenen Einzelhandel ‚Major Depression‘ in Dortmund geschlossen habe – der Name war Programm. Damals habe ich Punkrock-T-Shirts, Tonträger usw. verkauft, auch im Einzelhandel war der Name Programm: jeden Tag 10 bis 12 Stunden einzeln handeln, war nach ein paar Jahren schlicht zuviel. Jedenfalls habe ich mich dann mit Olaf im Jahre 1995 zusammengerauft, wir haben den großen Schritt gemacht und sind nach Dortmund umgezogen. Das hätte uns damals erstmal fast den Garaus gemacht. Eine fette Halle mit genauso fetter Miete, fest angestellte Arbeitnehmer, Kosten, Schulden und alles, was so dazu gehört. 1996 bis 1998 waren dann auch ziemlich harte Jahre. Nun denn, wir sind drüber weg, haben viel gelernt und mittlerweile in Dortmund-Wambel unsere hoffentlich letzte Zuflucht gefunden.“
Brigitte (Outcast): „Outcast was born in 1992! Angefangen habe ich mit einem kleinen Secondhand-Laden mit Klamotten und Schallplatten im Randbezirk von Dortmund.“
Measy (Tante Guerilla/Kidnap Music): „Alex macht Kidnap Music als Musikmailorder schon seit seiner Kindheit. Als ich dazukam, gab es Kidnap Music schon ein paar Jahre. Zur ‚Tante Guerilla/Kidnap Music GbR‘ wurde das Ganze dann offiziell im November 2003.“
Alex (Tante Guerilla/Kidnap Music): „Als ich 19 war, habe ich mit Kidnap Music angefangen. Zuerst war es eine Art Fanzine, welches sich dann zu einem Mailoderkatalog mit Berichten etc. entwickelte – heute sagt man dazu ‚Magalog‘. Kidnap Music backte zu Anfang allerdings nur ganz kleine Brötchen, und lief neben Band und sonstigem Leben ohne große Höhen und Tiefen. Ernster wurde die Sache dann im Sommer 2003, als die Guerilla-Tante ins Spiel kam.“
Andy Backer (Hooligan): „Hooligan wurde 1993 in Frankfurt/Main von Frank Dann und mir gegründet. Die Idee kam uns ca. um vier Uhr früh in einer mexikanischen Bar.“
Christian (Umlauff’s): „UMLAUFF´S punkrock store wurde von mir, Chris, 2002 in Bonn gegründet.“
Wie viele Mitarbeiter habt ihr?
Maggi: „Drei bis sieben, Teilzeit und Vollzeit gemischt, je nach Lage.“
Achim: „Von der Firma Trashmark leben mittlerweile tatsächlich über 40 Leute. Da der handwerkliche Siebdruck relativ personalintensiv ist, entfallen ca. die Hälfte auf die Produktion, Grafikabteilung, Druckvorstufe, Druck und Drucknachbereitung wie Siebwäsche-Reinigung usw. Der Rest tummelt sich in den Abteilungen Mailorder, Großhandel, Angebotsdruck, Buchhaltung, Versand und Lager. Nicht zu vergessen unser Einzelhandelsgeschäft in der Dortmunder Innenstadt.“
Brigitte: „Zur Zeit zähle ich acht Leute zu meinem Team.“
Measy: „Wir sind zu zweit und haben ab und an mal Praktikanten und Helfer. Wenn wir Stände auf Festivals machen, helfen uns Freunde.“
Andy: „Inklusive unserer Stickerei und des Shops sind es ungefähr 15.“
Christian: „Unsere Crew besteht aus sechs festen Mitarbeitern und mehreren gelegentlichen Aushilfen.“
Was haltet ihr von dem Begriff „Punkwear“? Wie würdet ihr ihn definieren?
Maggi: „Ich kann euch hier nur meine ganz private Meinung sagen: Punk ist oder wollte eine Bewegung gegen den Kommerz sein, ‚Wear‘ ist ein Modeding und hat zwingend was mit Kommerz und Modeindustrie – wo es um Abverkäufe geht – zu tun, daraus folgt: ‚Punkwear‘ gibt es eigentlich nicht. Ich würde eher von ‚Szene-Wear‘ oder ‚Alternativ-Fashion‘ sprechen – Leute, die cool sein wollen, geben halt für bestimmte Sachen eine Menge Kohle aus. Das machen aber sicher keine echten Punks. Kennt ihr von DIE ÄRZTE den Song ‚Bravo-Punks‘? Daran denke ich bei ‚Punkwear‘.“
Achim: „‚Punkwear‘ als Begriff finde ich kacke, da kann ich nichts mit anfangen. Tatsache ist aber sicherlich, dass sich unsere Kundschaft im Laufe der Jahre schon krass verändert hat. Ohne jetzt umfassend darauf einzugehen, ist das Tragen von T-Shirts mit Totenköpfen, provozierenden Motiven oder Sprüchen mittlerweile gesellschaftsfähig geworden. Wofür man sich früher ruckzuck prügeln konnte, lockt heute nicht mal mehr ein müdes Lächeln hervor. Alles ist allgemeiner, akzeptierter, insgesamt schwammiger geworden. Ich will jetzt auf keinen Fall unsere heutige Klientel verunglimpfen oder mich dahingehend verstanden fühlen, dass ich meinen würde, früher wäre alles besser gewesen. Sicher haben nicht zuletzt wir selber einen Teil dazu beigetragen, haben uns bewusst selber in eine gewisse staats-, gesellschafts- und wirtschaftskonforme Situation begeben, welche zumindest ich lange abgelehnt habe. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich, um sich bei EA80 zu bedienen, ‚das große Rätsel – was soll aus mir werden‘ auflöst. Grundsätzlich denke ich, dass wir die Gratwanderung, als Punkrock-Direktor ein mittelständisches Unternehmen zu leiten, mal besser, mal schlechter, aber insgesamt eigentlich ganz ordentlich hinbekommen. Es gibt viele Zwänge, denen man sich leider beugen muss, da meine ich durchaus auch Konflikte mit Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden usw. Letztendlich unterscheiden wir uns trotzdem noch ganz erheblich von den meisten anderen Firmen mit ähnlicher Mitarbeiterzahl.“
Brigitte: „Nun ja, es ist halt alles Mode geworden. Was ich mir Anfang der 80er selbst genäht oder gemacht habe, gibt es nun made by H&M.“
Measy: „Das ist jetzt schwer zu sagen. Ich habe mit solchen Begriffen eher Probleme. Mir ist schon vor ein paar Jahren aufgefallen, dass Designer sich der Punk-Mode bemächtigen. Ich denke, Punk war schon immer eine ‚Mode‘ für sich, die die Bewegung genutzt hat, um sich äußerlich von der Gesellschaft abzugrenzen. Damals hat man eben alles selbst gebastelt und geschneidert. ‚Punkwear‘ ist für mich das, was heutzutage speziell dafür hergestellt wird. Aber ich habe den Begriff noch nie benutzt.“
Alex: „Wir benutzen einen Begriff wie ‚Punkwear‘ nicht, und wahrscheinlich würden uns einige Leute kräftig in den Arsch treten, wenn wir damit hausieren gingen. Zu Recht! Der Begriff ‚Punkwear‘ hört sich doch arg nach Quelle-Katalog an, oder?“
Andy: „Ich finde den Begriff dämlich, vor allem wenn man ihn aus der Sicht eines Punks sieht. Gibt es diesen Begriff überhaupt? Nun ja, der Klischee-Punk sieht ja so ähnlich aus wie Sid Vicious – in Deutschland natürlich ohne Hakenkreuz. Aber lassen wir den Vorläufer der heutigen Boygroups mal beiseite, eigentlich ist Punk ja was anderes. Da sahen die Hosen halt zerrissen aus, weil sie so oft getragen werden mussten. Nur die Poser haben sich ihre Hosen selbst zerstört.“
Christian: „Wir für unseren Teil finden den Begriff ‚Punkwear’ scheiße, weil dieser gesamte kreative Style nicht über ein Wort definiert werden kann.“
Wie sieht der Kreativprozess aus? Wer entwickelt die Motive, wie kommt ihr an die Künstler ran?
Maggi: „Für unser Label Ultratex-Clothing & Punkpirates haben wir diverse Künstler, altbekannte oder ganz junge. Meist ergibt sich zufällig was mit einem neuen Künstler, also nicht per Anzeige oder so. Manches machen wir auch selber.“
Achim: „In der Regel liefern die Künstler die Motive an. Diese orientieren sich dann oft an deren Tonträger-Coverartwork, bestehenden Logos etc. Bei totaler Kreativlosigkeit springen wir allerdings schon mal ein, machen Vorschläge und entwickeln Motive. Neben den Bandshirts machen wir auch noch eigene Kollektionen in den verschiedensten Richtungen. Da arbeiten wir entweder mit externen Künstlern und Grafikern zusammen oder denken uns einfach selber was aus.“
Brigitte: „Die Sachen von Liquorbrand oder Killerinside ist von der Szene für die Szene gemacht. Unsere Tattoodesigns sind von bekannten Tätowierern gezeichnet.“
Measy: „Meistens haben wir beide eine Idee, die ich dann umsetze. Ich mache einen Vorschlag, bespreche diesen dann mit Alex usw., wobei Alex und ich schon unterschiedliche Geschmäcker haben. Die Motive für Tante Guerilla-Streetwear habe alle ich entworfen. Ich mache auch die Shirts für PASCOW und DIE ROTE SUZUKI.“
Alex: „Die Ideen für die bisherigen Motive stammen von uns beiden. Die Umsetzung liegt bei Measy. Die Geschmäcker sind wirklich verschieden, aber wir konnten uns immer irgendwie einigen.“
Andy: „Wir arbeiten jetzt seit ca. drei Jahren fest mit ‚Spike‘ zusammen, der früher Sprüher war. Er entwickelt Ideen, wir entwickeln Ideen, und er setzt sie dann grafisch um.“
Christian: „Der kreative Kopf bei UPRS sowie unserem eigenen Label Rebellion ist ganz klar mein alter Punkrock-Kollege Mumpi. Er entwirft Motive, kümmert sich um Anzeigen, Flyer, Kataloge und unsere Webseite.“
Falls ihr Bandshirts macht: Wie ist da der Kontakt zu den Bands: direkt, Manager, Label ...?
Maggi: „Die Bands oder das Label, der Manager etc. können uns bei allen Fragen rund ums Shirt ansprechen. Wir geben auch Tipps zum Handling oder zum Design, damit unsere Leute die Shirts besser verkaufen oder das Organisatorische glatter abläuft.“
Achim: „Am liebsten und auch in den allermeisten Fällen direkt mit den Bands! Da wir mittlerweile für recht viele Bands arbeiten, die wieder mit anderen Bands spielen und sich dabei nicht zuletzt über das Thema Merchandise austauschen, kommen neue Kontakte oft über Empfehlungen. Inwiefern Werbung auf Bandbussen, in Magazinen oder die Verbreitung unsere Kataloge dazu beitragen, mag ich nicht einschätzen.“
Brigitte: „Ich habe jetzt für THE BONES Gürtelschnallen produziert, aber ehrlich gesagt deale ich lieber mit Läden als mit Bands, denn Rockstars sind schwieriger. Ansonsten sponsere ich einige Bands von People Like You“
Measy: „Band-Shirts machen wir nur selbst im Auftrag von Bands. Alle lizenzierten Sachen beziehen wir über Großhändler. Wir werden von den Bands angeschrieben, klären die Kosten und was machbar ist, und schon geht’s los. Alles unkompliziert, einfach und angenehm für die Bands.“
Christian: „Bei Bands läuft es meistens so, dass sie mit ganz speziellen Ideen kommen, die sie dann von uns umgesetzt haben wollen oder uns einfach fertige Motive zukommen lassen. Bei uns läuft der Kontakt zu Bands von Anfang an direkt, ohne Umwege über Management usw. Zu den deutschen Bands, aber auch zu den Amis und Briten, besteht ein erstaunlich familiäres Verhältnis. Oft kommen diese Deals nur durch Band-zu-Band-Empfehlungen zustande, was sehr cool ist, weil sich dadurch der Business Kram sehr in Grenzen hält. Der Kontakt zu Management und Label entsteht meistens später.“
Wer beeinflusst das Design der Produkte – die Bands, das Label oder ihr als Drucker/Mailorder?
Maggi: „Das hängt von der Größe ab: die Bands mit den kleineren Auflagen müssen auf fertige Shirts von den Lieferanten zurückgreifen. Diese bemühen sich natürlich immer, topaktuell zu sein, aber mit Specials ist da wenig los. Wenn eine Band größer wird, mehr Kohle ausgeben will, oder Leute ein eigenes Label gründen, können sie Shirts nach ihrem eigenen Gusto produzieren lassen. Wir haben ganz gute Kontakte und können für unsere Kunden ab ca. 150 Stück pro Größe eigene Shirts nähen lassen. Das Design der Shirts und Klamotten von Punkpirates und Ultratex-Clothing gestalten wir auch zum Teil selber.“
Measy: „Der Kunde bestimmt grundsätzlich, wie sein Produkt aussehen soll, ob das nun Textilien oder Drucksachen sind. Wenn ich etwas total schrecklich finde oder es nicht umsetzbar ist, versuche ich Tipps zu geben. Gegebenenfalls können wir auch den kompletten Entwurf übernehmen.“
Andy: „Da haben wir den Luxus, dass wir machen können, was wir wollen. Letztendlich ist das Design auch immer ein Stück dessen, was uns in den letzten sechs Monaten passiert ist. Design oder nicht sein, das ist hier die Frage.“
Wer verdient wie viel, also wie sieht typischerweise in der Branche ein Merchandise-Deal aus?
Maggi: „Merchandising-Deals sind für die Bands eigentlich recht uncool; die Band bekommt zwischen 0,50 und 1 Euro pro verkauftem Shirt, den Rest teilen sich Merchandiser, Drucker und bei den Großen noch die Leute, die die Lizenz des jeweiligen Produkts halten. Die meisten unserer Bands organisieren ihr Merch selber und verdienen so wenigstens mit den Shirts etwas Kohle.“
Achim: „Das ist wohl sehr unterschiedlich. Es gibt Firmen, die große Vorschüsse zahlen und entsprechend die gesamten Merchandise-Rechte von den Bands erhalten. Das gilt dann für die Tourneen, den Groß- und Einzelhandel – oft sogar weltweit. Andere Bands wieder unterschreiben bei ihrer Plattenfirma Verträge, in denen sie dann teilweise oder komplett ihre Vermarktungsrechte am Merchandise abgeben, das kann man so wirklich nicht empfehlen. Die allermeisten unserer Kunden sind da selbstständiger, das heißt, sie haben ihre Rechte behalten und entscheiden, mit wem sie wie zusammenarbeiten. Der Erlös des Tour-Merchandises bleibt dann bei der Band.“
Measy: „Es gibt so viele ‚Kellerdrucker‘, dass bei der Merchandise-Produktion, die wir umsetzen, nicht sehr viel hängen bleibt. Das hat damit zu tun, dass die Preise extrem gedrückt werden, weil du an jeder Ecke günstige Shirts gedruckt bekommst. Entscheidend ist hier der Service. Bei uns soll sich die Band in guten Händen fühlen, das ist wichtig. Sie liefern das Motiv und müssen sich dann um nichts weiter kümmern.“
Alex: „Bei Druckaufträgen sind unsere Preise meist so hart kalkuliert, dass die Band am Weiterverkauf in der Regel eine höhere Gewinnspanne hat als wir. Ein Beispiel: Eine Band bekommt die Shirts von uns für ca. 5 bis 6 Euro und kann diese dann ohne Probleme für 10 Euro verkaufen. 10 Euro ist für den Endkunden ein faires Geschäft und die Band hat 4 bis 5 Euro daran verdient.“
Andy: „Grundsätzlich bezahlen wir Künstlern, die Hooligan-Shirts tragen, kein Geld. Das wird auch nie passieren.“
Christian: „Ein typischer Deal in unserem Fall sieht so aus: Wir produzieren das gesamte Merch einer Band auf unsere Kappe, die Band kann dieses beispielsweise für eine Tour bei uns zum Produktionspreis abrufen. Der Verdienst liegt bei uns lediglich im Versandgeschäft, wobei hier die Band auch pro verkauftem Stück ihren festen Anteil bekommt. Hierbei spielt der Bekanntheitsgrad der Band natürlich eine Riesenrolle, so dass wir bei kleineren Bands oft auf gut Glück investieren, wenn ein guter Kontakt zur Band besteht und wir von der Mucke überzeugt sind.“
Wie entscheidet sich, was von euch vertrieben wird?
Maggi: „Wir machen fast nur unser eigenes Zeugs, daher stellt sich diese Frage nicht.“
Achim: „Letztendlich muss es uns gefallen, und im Groben auch in das Sortiment passen. Die Spannbreite ist da sehr groß, da kann z.B. ein PENNYWISE-Shirt im Katalog sein, das sich sehr gut verkauft. Auf der anderen Seite packen wir aber auch eins von APHASIE mit rein, das eben kaum läuft, weil – noch – keiner die Band kennt.“
Brigitte: „Es muss cool sein und mir gefallen, ich könnte keine Kühlschränke verkaufen, sondern nur Sachen, auf die ich auch Bock habe.“
Measy: „Das entscheiden Alex und ich meistens zusammen. Ich würde nichts vertreiben, was politisch nicht vertretbar ist oder was ich absolut schlecht finde.“
Alex: „Was uns anfixt, kommt ins Programm. Eigentlich ganz einfach. Miese Designs oder Sachen, die politisch nicht einwandfrei sind, fallen somit von vorneherein raus.“
Christian: „Was vertrieben wird, entscheiden wir zusammen.“
Gibt es irgendwelche Motive bzw. Bands –, die über einen längeren Zeitraum als Dauerbrenner gelten?
Maggi: „Na klar, zum Beispiel der SLIME-Stern oder das ‚Mons Tour‘-Shirt von NOFX, das haben wir vor zehn Jahren schon verkauft. Diese Motive lässt man dann auch im Angebot – irgendwie müssen sich ja auch Klassiker entwickeln.“
Achim: „Ganz klar das NOFX-‚Mons Tour‘ und sicher auch das TERRORGRUPPE-Shirt ‚Dem Deutschen Volke‘. Bei dem NOFX-Motiv war es teilweise so extrem, dass Leute das Teil gekauft haben, ohne überhaupt die Band, geschweige denn die Musikrichtung zu kennen.“
Brigitte: „Es gibt immer Motive, die besser laufen als andere, aber irgendwann muss man sich auch von denen verabschieden, weil sie sich sonst totlaufen.“
Measy: „Das gibt es mit Sicherheit. Das Kinski-Shirt von Tante Guerilla zum Beispiel. Natürlich gibt es viele Bands, die immer gut gehen werden. Wer hat kein RAMONES- oder MISFITS-Shirt im Schrank?“
Alex: „Es gibt viele Bands, die mittlerweile weit mehr Geld durch Merchandising als durch Platten verdienen. Im Kleinen wie im Großen.“
Christian: „Über einen längeren Zeitraum halten sich immer die Logos von bekannteren Bands.“
Wie machen sich marktwirtschaftliche Zwänge bemerkbar, gab es konjunkturelle Hochs und Tiefs, wenn ja, wann und warum?
Maggi: „Na klar, gibt’s oder gab’s schon – Währungsschwankunden beispielsweise machen sich bemerkbar.“
Achim: „Wie schon gesagt, 1996/97 war eine harte Zeit. Wir sind mittlerweile relativ breit aufgestellt, das bedeutet wir machen Mailorder, Groß- und Einzelhandel. Daneben auch den ‚normalen‘ Auftragsdruck, von der Schulklasse bis zu ‚Die drei ???‘ ist da an Kundschaft alles dabei. Wenn denn nun der eine Bereich gerade nicht wirklich gut läuft, kann man entsprechend ausweichen. So, an dieser Stelle beende ich das mal und spiele den elektronischen Querpass auf meinen Partner Olaf.“
Brigitte: „ Ups and downs gibt es immer und überall, man muss nur damit fertig werden, und immer das Fingerspitzengefühl dafür haben, wie es weitergeht.“
Measy: „Neulich habe ich THE SKULLS live gesehen. Die sangen ‚Can Punkrock pay the bills? I don’t think so!‘. Es ist immer schwer. Ich wäre finanziell besser dran, wenn ich gar nicht arbeiten würde. Ich will aber etwas tun und es macht Spaß! Ich will damit sagen, dass man im Falle eines Tiefs die Zähne zusammen beißen und sich der Situation anpassen muss. Es geht immer weiter.“
Alex: „Wir haben Tante Guerilla inmitten eines wirtschaftlichen Tiefs gegründet, aus dem das Land bisher noch nicht wieder raus ist. Trotzdem lief es von Anfang an gut, und wir haben bis heute noch keine Phase erlebt, die existentiell bedrohlich für uns wurde.“
Andy: „Uns gibt es jetzt zwölf Jahre, und wir wachsen jedes Jahr im zweistelligen Bereich. Eventuell schaffen wir das dieses Jahr nicht ganz, man wird sehen. In Deutschland ist die Konjunktur seit ca. fünf Jahren schwierig. Da wir aber in einer Nische arbeiten, trifft uns das nicht so. In den anderen europäischen Ländern ist die Stimmung besser, aber auch dort ist nicht alles bestens. Letzten Endes ist die Stimmung hier schlechter als die reale Situation.“
Christian: „Die Marktwirtschaft funktioniert in unserem Business wohl genau wie überall, am besten läuft es am Monatsanfang, Weihnachten usw.“
Welche Unterschiede gibt es zwischen dem deutschen, westeuropäischen und dem amerikanischen Markt?
Olaf Treutler (Trashmark): „Keine! Außer, dass es die Amis erst haben und dann mit ein, zwei Jahren Verzögerung wir. Da wir sehr viele Musiker aus den Vereinigten Staaten betreuen, bestellen diese, was in den USA gut verkauft wird, wir stellen es her, die Europäer sehen es und bestellen es auch.“
Measy: „Ich glaube, viele Amerikaner sind ‚merchandising-geil‘. Da wir vieles von dort importieren, wissen wir ja, was es so gibt. Das fängt beim Zahnputzbecher an und geht über Auto-Lufterfrischer bis hin zum Aufkleber für den Schneidezahn.“
Alex: „Und so ähnlich wird es hier sicherlich auch kommen. Dabei ist die Grenze zwischen Innovation und unnötigem Trash natürlich fließend. Während ein ungewöhnlicher Merchandising-Artikel was Besonderes und Witziges ist, kann eine Schwemme an bescheuerten Artikeln auch zu einem flauen Gefühl in der Magengegend und dadurch schnell zur Übersättigung führen.“
Andy: „Auf dem US-Markt haben wir so gut wie keine Erfahrungen. Wir waren im Februar zum ersten Mal auf einer Messe und haben jetzt fünf Kunden. Es ist auf jeden Fall Interesse anHooligan vorhanden, da kann schon was gehen. Leider ist das mit Fracht/Einfuhr/Steuern nicht ganz so einfach, da kommt am Ende ein Hooligan-Shirt in die Van Dutch-Preislage.“
Christian: „Bei den Amis läuft durch die Bank weg alles mehr per Handschlag, wohingegen im deutschsprachigen Raum öfters auf Verträge und Richtlinien Wert gelegt wird.“
Wie bewertet ihr die Entwicklung im Bereich „Punkwear“ in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren? Was hat sich geändert?
Maggi: „Vom Kellerprint zum Punkshirt im Kaufhaus. Punks haben sich früher – und ich glaube auch noch heute – ihre Klamotten selbst gemacht und hatten somit cooles Outfit zum Low Budget Price. Heute hat man ja ganz klar versucht, das Thema zu kommerzialisieren. Gut ist, dass dadurch immer mehr Leute Lust auf ausgefallene Klamotten bekommen haben, und das auch realisieren können. Aber auch übel, da ‚dress for the moment‘ ja ganz klar auf dem Rücken der Ärmsten dieser Welt passiert. Wenn eine wattierte, abgesteppte Winterjacke mit Reißverschluss und allem Zip und Zap nur 15 Euro kostet, müssten doch bei jedem die Glocken klingeln; da wird halt ausgebeutet, bis es nicht mehr geht.“
Olaf: „Als ich vor 20 Jahren die ersten Shirts hergestellt habe, hatten alle die Größe XL. Heute hat fast jede Band Shirts in XXS, XS, S, M, L, XL, XXL nebst Girlies und Buttons, Aufnähern, Jacken, Hosen und Kappen dabei, und XL ist nicht mehr die meistverkaufte Größe. Wie Achim es oben schon erwähnte, bist du früher noch schwer angeeckt, wenn du ein Punkrock-Shirt getragen hast, mittlerweile interessiert das keinen mehr, die ‚normalen‘ Menschen sind abgehärteter. Schade eigentlich, früher hat das Anecken noch richtig Spaß gemacht, da musst du heute echt viel für tun, nicht nur ein T-Shirt mit Totenkopf tragen.“
Brigitte: „Es ist halt alles Mode und Kommerz geworden.“
Alex: „Dieses Feld hat sich sehr verändert, der Merchandising- und Punkklamotten-Bereich ist wahnsinnig expandiert, sowohl im Mainstream als auch im Underground. Dabei ist der Underground mittlerweile etwas kritischer geworden, während der Mainstream in Form von großen Sportartikelherstellern und fetten Modezeitschriften den Punk erst jetzt richtig entdeckt hat und damit steigende Umsätze macht.“
Measy: „Da kommt mir die Sache mit Nike und Dischord in den Sinn. Das ist ja gerade aktuell. Die haben, ohne nachzufragen, das MINOR THREAT-Artwork und die Schrift für eine aktuelle Kampagne benutzt und es ‚Major Threat‘ genannt. Soviel zum Thema Industrie und Punkrock.“
Andy: „Für uns gibt es kein Punkwear. Alle, die sich an das Thema hängen, verraten den Punk. Man kann sicherlich Einflüsse reinbringen, aber sonst, siehe oben ...“
Christian: „Der gesamte Punkrock-Style ist in der Gesellschaft wesentlich akzeptierter als früher, wo man mit blond gefärbten Haaren und einem kleinen Tattoo noch als Außenseiter und Schwerverbrecher galt. Leider ist beinahe die gesamte Modewelt mit vielen von uns geschätzten Trademarks sehr inflationär und scheiße umgegangen.“
Wenn man heute auf Konzerte geht, bekommt man zehn verschiedene T-Shirt-Motive einer Band angeboten, oft aber nicht einmal die aktuelle CD. Seltsam oder normal?
Maggi: „Wer einmal versucht hat, eine CD aufzunehmen, weiß, warum das so ist. Bands, die kein Label haben und auch sonst nicht promotet werden, können sich die aufwendige Produktion von CDs einfach nicht leisten. Es gibt ja auch viel zu wenig Gig-Möglichkeiten, wo neuere Bands ein paar Euros einspielen könnten. So wird halt versucht, über Merch erst mal ein bisschen Kohle zusammen zu bekommen. Also eigentlich normal und trotzdem irgendwie schade.“
Olaf: „Wir produzieren Shirts exakt für die aktuelle Tour, so schnell können die Bands selbstverständlich keine aktuellen Alben aufnehmen. Außerdem sind die meisten CDs ja überall erhältlich. Vielleicht verdient eine Band ja auch mehr Geld an einem Shirt als an einer CD?“
Brigitte: „Das ist normal geworden, früher war es anders.“
Alex: „Traurig, aber wahr und eine beschissene Entwicklung. Ein gutes Shirt ist klasse, aber die Musik steht an erster Stelle. Punkt! Bei solchen Bands frage ich mich dann doch, welchen Wert die Musik im Gegensatz zu den Merchandisingprodukten hat. Punk ist das definitiv nicht. Wenn die Musik nur noch dazu animieren soll, überteuerte Klamotten zu kaufen, ist es wohl besser, zu H&M zu gehen. Dort tut man wenigstens nicht so als ob.“
Measy: „Die Bands verdienen weitaus mehr an Merchandising-Artikeln als an ihren Tonträgern. Da spielt sicher auch die Tatsache eine Rolle, dass durch die MP3-Geschichte weniger Tonträger verkauft werden.“
Die Shirt-Preise sind mit der Euro-Umstellung ja nicht gerade gesunken. Wie seht ihr das? Und wieso kostet ein Shirt bei einer großen Band 25 und bei einer kleinen 15 Euro?
Maggi: „Ich hab mich das auch schon oft gefragt ... Wenn Ami-Bands ihr Zeug mit rüberbringen, kostet sie das oft noch Zollgebühren, und das treibt natürlich die Preise rauf. Ansonsten ist es pure Willkür – vielleicht will der Festival-Merchstand-Betreiber noch etwas mehr verdienen oder es gibt einen Lizenznehmer. Oder andere Leute glauben, für diese oder jene Band wird halt gerade gut bezahlt. Es geht da ums Geschäft, und nur die Bands, die ihr eigenes Merch machen, können selber bestimmen, was ihr Zeug kostet, alle anderen sollen nur gut spielen ... Übrigens, unsere Preise sind real so wie vor der Euro-Umstellung.“
Olaf: „Warum hätte irgendetwas billiger werden sollen durch die Euro-Umstellung? Generell nimmt nicht jede große Band 25 Euro für ein Shirt, NOFX verkaufen ihre Shirts zum Teil für 10 bis 12 Euro, aber es gehören immer zwei dazu. Einer, der kauft, und das zu dem Preis, den der andere dafür haben will. Vielleicht sind große Bands gieriger und kleine cooler? Vielleicht haben große Bands aber auch höhere Kosten pro Tour als kleine, und könnten die Touren mit geringeren Preisen nicht finanzieren? Am besten, ihr fragt die Bands, ich kann nur mutmaßen.“
Brigitte: „Es ist ja mittlerweile so, dass, wenn du was zu billig verkaufst, sie es nicht mehr wollen. Und leider ist alles scheißteuer geworden, schau dir mal die Benzinpreise an.“
Alex: „Keine Ahnung! Natürlich stecken bei großen Bands auch ein paar Vertriebe etc. mit drin, die auch was verdienen wollen und sollen. Wie es dabei aber zu solch hohen Preisen kommt, können wir nicht nachvollziehen. Die Druck- und Herstellungspreise sinken bei größerer Auflage, somit könnten auch die Endpreise fair bleiben.“
Measy: „Dass bei uns teilweise Preisunterschiede festzustellen sind, hat was mit dem Importaufwand und den anfallenden Steuern und Zollgebühren zu tun. Jedenfalls hat das bei den ‚Großen‘ nichts mit besserer Qualität zu tun.“
Setzt man Trends, ist man ihnen ausgeliefert oder ignoriert man sie, wie etwa Trucker-Hats, Totenköpfe ...?
Maggi: „Entweder man setzt Trends, wenn man kann, oder man ist ihnen – leider – ausgeliefert. Wenn man genug Kohle hat, kann man sie auch ignorieren. Dies gilt natürlich für den Fashion-Bereich. Ich würde mal sagen, es geht immer auf und ab dort. Wenn deine Sachen wirklich super angesagt sind, hast du eine gute Zeit, und dann musst du dir wieder was Neues ausdenken. Sonst schwimmst du nur mit dem Strom, und das ist total langweilig. Am schlimmsten finde ich die ‚Allesnachmacher‘: Die würden sogar ein Dirndl oder Wanderschuhe präsentieren, wenn sie es bei einem Konkurrenten sähen, nur damit der andere nicht den Cent macht – diese Leute tun mir echt Leid wegen ihrer mangelnden Kreativität. Wir besorgen unseren Bands alles, worauf sie Bock haben – da ist es mir wirklich egal, ob das eine Trucker-Cap oder ein bedruckter Chuck ist. Das ist ja das Geile am Merchandise, es ist halt super vielfältig, und jede Band kann ihren eigenen Style finden. Für uns als Drucker und Merchandiser ist nur die Umsetzung wichtig.“
Olaf: „Komplett den Trends ausgeliefert, hoffnungslos.“
Brigitte: „Wer wirklich in der Szene lebt und mit ihr, ignoriert Trends, man trägt das, was man mag und worauf man Bock hat. Modekids leben mit dem Trend, phasenweise. Zur Zeit ist halt ein Rock’n’Roll-Hype, worüber ich mich ja auch nicht beklagen möchte, aber wenn ich bei mir im Gästebuch ‚Wofür steht denn das Iron Cross oder der Nautical Star oder der Skull, seid ihr Grufties?‘ lesen muss, was soll ich dazu noch sagen?“
Alex: „Es gibt Trends, die wir mitmachen, weil wir die Sachen gut finden, und es gibt Trends, die wir ignorieren. Rechtzeitig einen Trend zu erkennen und zu entscheiden, ob er unterstützt werden soll, ist eine Kunst für sich. Gelingt es, kann es richtig gut laufen. Misslingt es, bleibt man auf den Sachen sitzen, und wird so von den Käufern mit Ignoranz gestraft.“
Measy: „Das ist immer so eine Sache. Wäre es zum Beispiel Trend, bedruckte Papiertüten auf dem Kopf zu tragen, käme so etwas für uns nicht in Frage.“
Andy: „Ich trage Trucker-Caps seit über zehn Jahren. Damals wurde man dafür noch ausgelacht.“
Christian: „Totenköpfe oder Nietengürtel waren in der bzw. den einzelnen Szenen schon ewig ‚in’.“
Der Kleidungsstil ist angelsächsisch geprägt, und auch bei euren Vertrieben dominiert das Englische. Gibt es keinen speziell deutschen Markt bzw. haben die deutschen Bands den Merchandise-Markt nicht für sich entdeckt?
Maggi: „Das T-Shirt ist meiner Meinung nach nicht angelsächsisch, sondern weltweit aktuell, und deutsche Bands machen genau so gutes Merch wie amerikanische oder britische Bands auch. Einen speziellen deutschen Markt gibt’s ohnehin nur bei ganz wenigen Bands – die meisten wollen doch mindestens nach Europa. In der Punkszene haben diese Bands ganz klar den Merchandising-Markt für sich entdeckt – in keiner anderen Szene gibt es weniger Verträge.“
Olaf: „ÄRZTE, ONKELZ und HOSEN, drei große deutsche Bands, haben genauso einen Merch-Umsatz wie Ami-Bands. Leider drucken wir deren Merch nicht – im Fall der ONKELZ Punk sei dank. Aber eigentlich hat jede deutsche und europäische Band genauso Merch wie jede Ami-Band. Manche Europäer sind da etwas kreativer, WIZO hatten anlässlich ihrer ‚Herrenhandtasche‘-Platten-Präsentation Original-Herrenhandtaschen angefertigt, PERSIANA JONES haben Grill-/Kochschürzen und DACKELBLUT hatten Friesennerze und Metzgerschürzen.“
Alex: „Die meisten deutschen Bands sind sehr kritisch, wenn es um den Vertrieb ihrer Klamotten geht. Dabei sind unsere Deals immer mehr als fair, und bisher war noch keine ‚unserer‘ Bands unzufrieden. Ich denke, es ist etwas Neues, was sich über kurz oder lang auch etablieren wird. Im Grunde läuft es wie bei einer Musikproduktion auch.“
Measy: „Ich denke auch, dass das in Deutschland noch im Kommen ist. Ich meine, in Deutschland gibt es in diesem Bereich noch eine ziemlich große Kluft zwischen erfolgreichen Bands und Bands, die zwar sehr gut sind, aber nicht diese Vertriebswege nutzen können. Die erfolgreichen Bands sind meist sehr, sehr gut mit Merchandising ausgestattet. Aus England oder den USA hingegen kann man von fast jeder Band, ob groß oder klein, T-Shirts beziehen.“
Andy: „Wir sind wahrscheinlich eine der wenigen deutschen Marken, die im Ausland mehr Erfolg hat als zu Hause.“
Christian: „Da wir mit UMLAUFF´S über Machete hauptsächlich Ami Bands am Start haben, haben wir uns bisher noch nicht so sehr um deutsche Bands kümmern können. Allerdings haben wir jetzt mit den BROILERS und einigen anderen Acts Verträge abgeschlossen.“
Was macht „Punkwear“ zu einer eigenständigen Mode, wie grenzt sie sich vom Mainstream ab? Und wo wird Punk-Mode zum Mainstream, Stichwort H&M?
Maggi: „Das ist genau so schwer zu beantworten wie die Frage: Wann ist oder wird Independent-Sound zum Mainstream? Man kann es schlecht beschreiben ... Wenn man auf Messen wie die Spirit-Of-Fashion oder London Edge geht, sieht man, was wirklich alternative Fashion bedeutet – dort gibt es die wildesten Styles aller Richtungen, meist von jüngeren Designern und kleinen Labels vorgestellt. Spätestens ein halbes Jahr später werden die dort vorgestellten Designs und Styles von den größeren Ketten aufgefangen und nachgemacht – so wird’s dann zum Mainstream ... Trotzdem bleibt ein cooles Shirt auch noch cool, wenn es irgendwo auf der Stange hängt.“
Alex: „Punk ist dann eine eigenständige Mode, wenn die Hersteller und Designer zur Szene gehören und die Sachen einen Bezug dazu haben. Es lässt sich dabei natürlich nicht vermeiden, dass die Designs und Ideen vom Mainstream kopiert und in riesiger Auflage hergestellt werden. Die Möglichkeiten, sich davon abzugrenzen, liegen neben dem Design in der Herstellung und den Vertriebswegen. Auch hier gibt es unübersehbare Parallelen zum Musikgeschäft.“
Measy: „Ob man sich nun die Kopie als Massenprodukt oder von einem Händler kauft, der mit der Szene verbunden ist, das ist jedem selbst überlassen. Somit hat man es mal wieder selbst in der Hand.“
Christian: „‚Punkwear’ grenzt sich heute gar nicht mehr vom so genannten Mainstream ab, da heutzutage jede individuelle Ausdrucksform von fetten Firmen aufgegriffen und platt gemacht wird.“
Denkt ihr, dass der Kleidungsstil Ausdruck einer bestimmten Haltung sein kann? Oder sind die T-Shirts und Buttons, und mit ihnen ihre Träger, austauschbar geworden?
Maggi: „No way. Ich glaube, dass es ein ganz wichtiges Ausdrucksmittel ist und auch bleibt. Und finde es natürlich super, dass Leute sich heute sehr differenziert mit ihren Klamotten ausdrücken können.“
Olaf: „Der Kleidungsstil ist unbedingt Ausdruck einer bestimmten Haltung! Bei euch nicht?“
Brigitte: „Ich finde schon, dass der Kleidungsstil Ausdruck einer gewissen Stilrichtung oder auch Überzeugung ist. Ich bin jetzt schon so alt und bin noch keine eingefahrene Geschäftsfrau geworden, meine Wurzeln liegen im Punkrock, und die werde ich wohl auch mit ins Grab nehmen. Bei den Kids ist es aber schnell austauschbar, da bist du ein Jahr Hardcore und dann geht’s in den Metal- oder Punkrock-Bereich. Und jeder artikuliert das über die Klamotten.“
Alex: „In Zeiten von Fußballer-Iros und Punkrock-Buttons als Bravo-Gimmick wird es natürlich schwerer, eine bestimmte Haltung durch Kleidung auszudrücken. Aber es geht, und mit etwas Erfahrung wird man erkennen können, wer hinter der textilen Hülle steckt. Vor allem, da es mittlerweile eine große Auswahl an geilen Klamotten für Jungs und Mädels gibt, die anders sind als die Sachen von Paris Hilton und David Beckham.“
Andy: „Kleidungsstil kann Ausdruck einer bestimmten Haltung sein, muss aber nicht. Man kann ja auch nicht von einer Person verlangen, von 16 bis 50 in den gleichen Klamotten herumzulaufen. In einer Lebensphase fühlt man sich so, in einer anderen anders. Als Kid fährt man Skateboard, später Snowboard und irgendwann mal wieder Ski. Freies Denken ist angesagt. Das ist jetzt nicht gegen Freaks, die immer das Gleiche machen. Meiner Ansicht nach sollte man offen sein für alles. Das ist halt nicht sehr einfach in unserer schwierigen Gesellschaft.“
Christian: „Die Zahl der Mitläufer ist vielleicht wesentlich größer geworden als früher, was aber nicht bedeutet, das die Leute und Ihre Klamotten austauschbar sind, denn wie bei allem, zählt die innere Haltung.“
Inwiefern sind die Produktionsbedingungen für euch bzw. eure Kunden ein Thema? Stichwort: Sweatshops in Asien, Kinderarbeit, Pestizidbelastung von Baumwolle ...
Maggi: „Für mich wäre es das Thema, da man auch wirklich durch seine Entscheidung Einfluss auf diese wichtigen Sachen nehmen kann. Bei den die meisten Leuten/Bands ist es völlig unerheblich, ob ihr Shirt einen Euro mehr kostet oder nicht. Durch diesen Euro könnte man Färbungsbelastungen und die Kinderarbeitsgeschichte deutlich eindämmen. Leider vertrauen noch zu viele Leute in die großen Marken und setzen somit Schwerpunkte in eine andere Richtung. Wir arbeiten daran. Wir würden und könnten allen unseren Kunden gern eine Produktion ohne Kinderarbeit und mit umweltfreundlichen Farben anbieten – es ist eine Sache der Nachfrage.“
Olaf: „Das ist ein wichtiges Thema bei uns und auch bei unseren Kunden. Grundsätzlich achten wir darauf, dass der Handel fair abläuft. Soll heißen, wir achten schon auf Ökotex-Standards, und darauf, dass unsere Produkte nicht ‚von Kindern für Kinder‘ hergestellt werden. Ehrlicherweise muss man hier aber anmerken, dass man sich da letztendlich auf Herstellerangaben und -auskünfte verlassen muss. ANTI-FLAG wollten vor kurzem genau zu dem Thema ein Statement von uns. Das haben wir an unsere Lieferanten weitergeleitet und auch entsprechende Unbedenklichkeitserklärungen bekommen.“
Brigitte: „Dann dürfte keiner bei H&M oder C&A kaufen, und davon kann sich keiner freisprechen, und wenn es nur Socken oder Haarspangen waren – das zu dem Thema. Ich kann nur mit reinem Gewissen sagen, dass für Liquorbrand oder Killerinside keine Kinder ausgebeutet werden.“
Alex: „Zu Anfang waren wir hier etwas zu gutgläubig und machten dadurch auch schlechte Erfahrungen. Mittlerweile achten wir viel stärker auf die Qualität und den Herstellungsprozess. Wir arbeiten zum Beispiel mit einem kleinen nepalesischen Familienbetrieb zusammen, der seinen Sitz in Mainz hat. Bevor es zu einer Zusammenarbeit kam, bestanden wir auf genaue Auskünfte zu den Produktionsbedingungen etc. Erst als wir sicher waren, dass die Artikel unter korrekten Verhältnissen hergestellt werden, sagten wir zu. Die Produkte sind zwar etwas teurer, dafür können wir sie mit gutem Gewissen verkaufen. Mittlerweile haben wir ein super Verhältnis zu unseren Freunden und das Geschäftliche basiert auf einem soliden Vertrauensverhältnis.“
Christian: „Die Produktionsbedingungen sind für uns auf jeden Fall ein Thema, wobei wir uns hierbei leider nur darauf verlassen können, was uns die Lieferanten versprechen oder angeben, da wir ja selber nur einkaufen und keine Klamotten produzieren lassen.“
EASTPAK
Eastpak verkauft zwar keine T-Shirts, sondern alle Arten von Taschen, ist aber seit Jahren schon als Sponsor im Punk- und Hardcore-Sektor tätig – ein Engagement, das Tour- und Festivalveranstalter wie supportete Bands zu schätzen wissen, das aber auch mal kritisch gesehen wird, von wegen dass da ein Markenname genauso hoch gehängt wird wie ein Bandname. Da ich Klaas Schröder, bei Eastpak in Deutschland für Marketing und Sponsoring zuständig, seit Jahren in Köln bei allen richtigen Konzerten treffe, habe ich ihm einfach mal die Fragen gestellt, die sich da so aufdrängen.
Wer oder was ist Eastpak?
„Ganz trocken gesagt: Eastpak ist eine in den 70ern in Boston gegründete Daypack- und Taschen-Marke, die neben Style und Funktionalität auch viel Wert auf die Qualität legt. 30 Jahre Garantie in Europa, in Amerika sogar lebenslang. In Europa seit Anfang der 90er vertreten, zunächst in Läden wie American und International Sports, sowie kleinen Skate-Läden, ein paar Jahre später kam dann der große Boom. Eastpak ist in Deutschland, Österreich und Benelux seit Jahren Marktführer im Bereich der Daypacks – Rucksäcke für den Alltag, also keine Wanderrucksäcke.“
Eastpak, genauso wie Vans, gehört zur VF Corporation, unter deren Dach man unter vielen anderen noch Marken wie Lee, Wrangler, The North Face, Tommy Hilfiger und Vanity Fair findet. Auf eurer Homepage kann man jetzt die „Anarchy Collection“ finden, die Taschen heißen „Rebel“, „Radical“ oder „Rioter“. Mal ganz davon abgesehen, dass die Tasche „Reformer“ rein ideologisch nicht hineinpasst – liefert Eastpak die Streetwear zur antikapitalistischen Revolution?
„Also erstmal zu VF: Innerhalb dieses riesigen Konzerngebildes bildet Eastpak zusammen mit The North Face, Vans, Jan Sport und Reef die so genannte ‚Outdoor Coalition‘ und gehören seit ca. fünf Jahren dazu. Unsere Europa-Zentrale sitzt in Belgien, wo auch die Produktentwickler und somit auch Namensgeber der einzelnen Teile sitzen. Die ‚Anarchy‘-Serie besteht halt aus typischen Army-Taschen und Rucksäcken, aus dem original Canvas-Stoff und mit den identischen Schnallen, wie sie auch die Army benutzt. Ich denke mal, dass bei der Namensgebung eher Ironie dahinter steckte, und auch, dass bei allen Taschen zusätzlich das Anarchy-A eingearbeitet ist. An sich sind die Kollegen da schon sehr pfiffig, was die Produkt-Namensgebung angeht. So heißen die Reisetaschen der Breakaway-Serie alle wie potenzielle Schwerverbrecher: ‚Leatherface‘, ‚Skinner‘, ‚Butcher Jack‘, ‚Ripper Jim‘... Als Model für die Hang-Tags baumelt übrigens DO OR DIE-Frontmann Chris bei einer Aufnahme in die Verbrecher-Kartei an allen Taschen. Das find ich schon recht ‚mutig‘ bzw. ‚cool‘, wenn man bedenkt wie der durchschnittliche Reisetaschen-Fachverkäufer in der Regel unterwegs ist.“
An sich, so möchte man meinen, ist das Geschäft mit den Anhängern von Subkulturen ein mühsames, vom dem man besser die Finger lässt. Warum ist eine große Firma wie Eastpak da so engagiert, was bringt ihr das?
„Wie schon erwähnt, hat Eastpak in kleinen Skate- und Sport-Shops angefangen. Seit es überhaupt so was wie ein Sponsoring-Budget gibt, wurde dieses komplett wieder in die Skateszene gesteckt, und das ist auch bis heute so. Neben dem Band- und Tour-Support sind wir auch in den Bereichen Skateboarden, BMX und seit ein paar Jahren auch Freestyle Motocross sehr aktiv und haben jeweils mit die besten Fahrer im Team. Was es letztendlich bringt, ist schwer zu sagen. Dass wir ziemlich viel machen in der Szene, kriegt man, glaube ich, mit. Und da denken sich die Kids eventuell, dass sie lieber Geld ausgeben für eine Marke, die solche Künstler/Bands/Sportler unterstützt, als für eine, die streng limitierte Rucksäcke auf den Markt bringt, wo kleine Fetzen von Klamotten mit eingenäht sind, die von BRO’SIS getragen wurden. Kein Scherz, sowas gibt’s! Aber zu messen, was es bringt, beispielsweise die TURBO A.C.’S-Tour zu präsentieren, ist schwer. Ich hoffe, mein Chef verlangt auch niemals von mir, aus marketing-strategischen Aspekten unser Engagement beim Force Attack-Festival zu rechtfertigen. Da passiert halt viel aus dem Bauch heraus. Außerdem kommt es so gut wie gar nicht vor, dass ich bei den ‚Subkulturen‘ anklopfe und frage: ‚Darf ich euch als Opinion Leader benutzen?‘ oder ähnliches.“
Die Vans Warped-Tour war im Bereich Punkrock eine der ersten Veranstaltungen, bei der der Name eines Unternehmens untrennbar mit einer Musikveranstaltung verbunden war. Nach dem gescheiterten Versuch, sie in Europa zu etablieren, gibt es seit einiger Zeit die Eastpak Resistance-Tour, der dasselbe Konzept zu Grunde liegt. Wieso Eastpak, und wieso Punkrock?
„So richtig gleich ist das Konzept ja nicht. Die Vans Warped-Tour ist ja so ähnlich wie die Deconstruction-Tour auch mit Skate- und BMX-Show gekoppelt und geht ja hauptsächlich in Richtung Cali-Punk/Melodycore. ‚Unsere‘ Tour war von Anfang an eher eine komplette HC-Geschichte. Zum einen liegt das natürlich nahe, weil unsere Wurzeln auch in Boston liegen. Nee, Quatsch. Das kam ursprünglich durch meine Kollegen in der Europa-Zentrale. Da besteht ein enges Verhältnis zu I Scream Records, und die erste kleine Resistance-Tour 2001 war auch noch relativ überschaubar, mit BACKFIRE, MAXIMUM PENALTY und BREAKDOWN. Das Jahr drauf waren schon Größen wie AGNOSTIC FRONT, HATEBREED und BIOHAZARD mit dabei. Dann folgten SUICIDAL TENDENCIES, 7 SECONDS, S.O.I.A., MADBALL und andere. Dieses Jahr wurde allerdings beschlossen, ein bis zwei Gänge runter zu schalten. Demzufolge ändert sich auch der Tour-Name und es wird im November die so genannte Eastpak Antidote-Tour geben. MILLENCOLIN, RANDY, THE UNSEEN und FLOGGING MOLLY sind dabei. Im Punkrock liegen musikalisch einfach unsere Wurzeln.“
Wie ist denn das Feedback auf diese Verbindung? Im Gästebuch der Resistance-Tour liest man ab und an Beiträge, die vom Ausverkauf der Szene sprechen. Was bedeuten Punkrock und Punkszene für euch?
„Klar werde ich hin und wieder mit dieser Thematik konfrontiert, in den letzten Wochen und Monaten aber erstaunlich wenig bis gar nicht. Aber gerade in der Hardcore-Szene gibt es einige Leute, die dem Engagement von Marken – und gerade Eastpak – in ‚ihrer‘ Szene abgeneigt gegenüberstehen. ‚Eastpak kills hardcore‘-Spuckis hab ich auch schon gesehen. Natürlich ist das alles nicht 100% politisch korrekt, aber die Zeiten, in denen Bands wie SICK OF OT ALL und 7 SECONDS noch für Benzingeld auftraten und bei den Veranstaltern auf einer Matratze gepennt haben, sind meiner Meinung vorbei. So eine Tour wie die Resistance-Tour ist halt definitiv ohne Sponsoren kaum möglich, und über die akzeptablen Eintrittspreise hat sich ja komischerweise auch keiner beschwert. Liest man das 7 SECONDS-Interview im Trust, unseren größten Kritikern in Sachen ‚Kultur-Sponsoring‘ oder wie die das nennen, steht da ja auch, dass die letzte Tour total entspannt ablief und weit weniger kommerziell als z.B. die Warped-Tour, dass die Leute total okay sind und die Bands super behandelt wurden etc. Das ist doch dann das größte Lob. Ich würde auch nie eine Band dazu zwingen, Sachen zu tun, auf die die keinen Bock hat – Banner auf die Bühne hängen etc. Ich hab großen Respekt vor den Punkrock-Bands, und die Szene bedeutet mir sehr viel. Womit wir bei der eigentlichen Frage wären ...“
Im Hip-Hop zahlt McDonald’s Millionenbeträge, wenn man den Big Mac in seinen Songs erwähnt. Auf welche Vermarktungskonzepte darf man sich im Punkrock in nächster Zeit einstellen?
„Zahlen die wirklich Millionenbeträge? Dann müsste DJ Ötzi ja richtig abgesahnt haben mit dem ‚Burger Dance‘ ... Ich kann mir so etwas im Punkrock nicht wirklich vorstellen. Bei Bands wie GOOD CHARLOTTE oder SIMPLE PLAN oder so wird ja schon massiv – und für viel Geld, nehme ich an – Product Placement in den Videospots betrieben und Klingeltöne verhökert. Auf der Ebene passiert ja schon viel, aber nicht, dass eine Firma Geld dafür bezahlt, wenn eine Punkband in ihre Songs ‚Big Mac‘, ‚Nokia N-Gage‘, ‚Bausparvertrag‘ etc. einbaut. Ich hoffe auch nicht, dass es soweit kommt, dass es eines Tages vor Konzerten heißt ‚Die NEW BOMB TURKS-Re-Union wird euch präsentiert von Müller-Joghurt ...‘!“
Was haltet ihr von dem Begriff „Punkwear“? Wie würdet ihr ihn definieren?
„So häufig hör ich den Begriff ehrlich gesagt nicht, benutze ihn auch eigentlich nicht. Ich kann das auch so gar nicht. Im eigentlichen Sinne sind das ja Klamotten, die Punks tragen. Also Docs, kaputte Jeans oder Karohosen bzw. zerrissene Strumpfhosen, Nietengürtel auf halb acht, altes Bandshirt, abgewetzte Lederjacke und selbst beigebrachte Piercings. Gerade alte Bandshirts sind auf jeden Fall Pflicht und voll Punkrock. Ebenso Vans – nicht weil die jetzt auch quasi eine Schwesterfirma sind. Das Kotzen krieg ich, wenn Leute wie Mola Adebisi, Jeanette Biedermann und Konsorten mit silber blitzenden Designer-RAMONES- oder MOTÖRHEAD-Oberteilen rumlaufen. Oder diese Hosen mit PUNK ROYAL auf’m Arsch. Der Nietengürtel gehört ja inzwischen quasi schon zum guten Ton. Dann gibt’s aber auch noch Rock’n’Roll‘-Wear, was ja auch nicht ganz dasselbe ist, oder? Also eher schick und nicht gerade billig, auch gerne mal ein Hemd, viel Leopard, Schwalben, Anker-Motive, Tiki-Symbole ... Ist das auch Punkwear? Ich mache mir da nicht wirklich Gedanken drüber.“
Wer beeinflusst das Design der Produkte?
„Wie gesagt, das läuft über unser Head Office. Die suchen auch die Künstler für unsere Artist-Serie aus, wo Künstler aus den unterschiedlichsten Bereichen Rucksäcke und Taschen für uns designen. Da waren in den letzten Jahren z. B. der Tätowierer Hank Schiffmacher, Grafitti-Godfather Seen aus NY oder auch GORILLAZ-Schöpfer Jamie Hewlett aktiv. Ich hab da auch mal Frank Kozik vorgeschlagen, hab diverse Poster-Designs von ihm nach Belgien gemailt und ‚durfte‘ ihn dann selber kontaktieren, und er hat sogar geantwortet. Mal sehen, ob sich daraus was ergibt.“
Wie bewertet ihr die Entwicklung im Bereich Punkwear in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren? Was hat sich geändert?
„Wie schon oben erwähnt, die eigentlichen ‚Punks‘ laufen immer noch so rum wie die Punks vor fünfzehn Jahren. Nur dass inzwischen Nietengürtel und pinke RAMONES-Girlies mir Glitzeraufdruck in den Designer-Boutiquen zu kaufen sind, wo Paris Hilton shoppen geht, ist relativ strange. Auch gab es früher nur eine Hand voll Läden, die wirkliche ‚Punk-Marken‘ und entsprechende Bandshirts verkauften, heute kriegst du Nietenarmbänder und Bandshirts in jeder Fußgängerzone. Quasi Carnaby Street all over.“
Was macht Punkwear zu einer eigenständigen Mode, wie grenzt sie sich vom Mainstream ab? Und wo wird Punk-Mode zum Mainstream, Stichwort H&M?
„Punk-Mode ist auf jeden Fall in den letzten Jahren salonfähig geworden. Bei so vielen ‚Punkwear‘-Labels, die in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen sind. Da hat sich auf jeden Fall einiges getan. Es gibt ja auch eine eigene Messe in Berlin, parallel zur Styler-Messe Bread & Butter. Die Mode ist auf jeden Fall sehr stark an die klassischen Punk-Motive angelehnt bzw. diese tauchen immer wieder auf. Haha, da fällt mir ein, wo ich heute das Poster-Layout zu unserer neuen ANTIDOTE-Tour gesehen hab: Sehr originelles Design! Gelb auf Pink! Also quasi die 57. Kopie des SEX-PISTOLS-Covers. Konnte das leider nicht verhindern ... Aber ich muss sagen, was H&M da teilweise angeboten hat, das war für mich 1a Punkwear! Zum Teil auch mit echt geilen Motiven. Ist jetzt aber ja schon wieder vorbei, die Welle. Ich glaube, gerade sind wieder die Swinging Twenties dran. Der durch die großartigen NU PAGADI ins Leben gerufene ‚Neandertal-Trend‘ konnte sich ja anscheinend nicht durchsetzen. Das ging dann doch zu weit zurück. Fazit: Punkwear im ursprünglichen Sinne grenzt sich rein äußerlich so gut wie gar nicht vom H&M-Angebot ab. Nur dass die ‚richtigen‘ Punks auch ein paar Platten von den Bands im Schrank haben, deren Logos sie auf ihren Shirts tragen. Ich bezweifle stark, dass Mola und Jeanette auch nur drei MOTÖRHEAD-Songs zusammen bekommen ...“
Inwiefern sind die Produktionsbedingungen für euch bzw. eure Kunden ein Thema? Stichwort: Sweatshops in Asien, Kinderarbeit, Pestizidbelastung von Baumwolle ...
„Gute Frage! Ist für mich persönlich auf jeden Fall sehr wichtig. Unseren Kunden glaube ich eher weniger. Und soweit ich weiß, legt VF da auch sehr viel Wert auf Political Correctness. Klar, produziert wird größtenteils in Fernost, aber wenn man sich die Internet-Seiten anschaut, auf denen ‚unkorrekte‘ Marken an den Pranger gestellt werden, dann tauchen da so gut wie keine VF-Marken auf. Wenn man unserem Europa-Präsidenten glauben kann, dann läuft das alles aber überdurchschnittlich ‚fair‘ ab. Immerhin.“
ZSK
ZSK aus Berlin haben sich in den letzten paar Jahren von einer kleinen, nur Insidern bekannten Skatepunk-Band zur dauertourenden Maschine entwickelt, die auch keine Angst mehr hat vor großen Bühnen. Zuletzt waren sie im Vorprogramm von BAD RELIGION zu sehen, und wie bei jeder Band, die sich mit ihrer Musik über Wasser zu halten versucht, spielt dabei natürlich auch das Merchandise eine wichtige Rolle. Florian von ZSK beantwortete unsere Fragen dazu.
Wie und wann ist das erste ZSK-Shirt entstanden, und wie habt ihr es vertrieben?
„Also, auf dem ersten ZSK-T-Shirt von 1997 war ein Skater, der ein Hakenkreuz kaputtfährt. Darunter stand dann ‚Skate & Destroy‘. Das gab es in einer Auflage von nur 50 oder 100 Stück, glaube ich. Das Design habe ich mit einem Freund zusammen gemacht, und seitdem habe ich auch jedes weitere T-Shirt – so wie auch alle Plattencover etc. – selber designt. Es macht echt super Spaß, wenn man Layouts und Ideen am Rechner entwirft und dann das fertige Produkt in den Händen hält. Wenn wir heute Kisten mit Merch-Lieferungen mit neuen Motiven bekommen, bin ich immer noch etwas aufgeregt, wie das Ganze dann letztendlich auf Textil aussieht.“
Mittlerweile kann man die Sachen ja auch bei einigen Mailordern bestellen. Wie ist denn da das Procedere, wenn man mit einem Versand zusammenarbeitet?
„Bis vor gut einem Jahr haben wir die Shirts, Buttons, Aufnäher usw. immer noch selber verkauft, also auch den Online-Versand zu 100% selber gemacht. Wir hatten zwar ein paar Freundinnen und Freunde, die uns geholfen haben, aber im Großen und Ganzen haben wir die Päckchen gepackt und zur Post geschleppt. Das wurde aber irgendwann einfach zu viel Arbeit, und inzwischen haben wir eine Partnerfirma in Hamburg-St. Pauli, die den ganzen Versand für uns macht und sich auch darum kümmert, dass die Shirts in die Mailorder kommen. Wir machen jetzt nur noch die Designs und entscheiden, auf was für Textilien gedruckt wird, und den Rest machen die.“
Man sieht mittlerweile relativ viele Leute mit euren Klamotten rumlaufen. Welchen Stellenwert hat der Merchandise-Verkauf für eine Band wie ZSK?
„Zum einen ist der Stellenwert von Merchandise für eine Band natürlich ganz klar ein finanzieller Aspekt. Merchandise ist neben den Gagen für die Shows natürlich die Haupteinnahmequelle. An CD-Verkäufen verdienen in der Regel drei bis vier Partien mit – Produzent, Label, Vertrieb etc. Beim Merchandise bleibt einiges mehr für die Band übrig. Aber, und das ist uns mindestens genauso wichtig, wir freuen uns immer, wenn wir Leute mit unseren Shirts sehen. Viele unserer Designs haben ja auch eine direkte Message, und es ist schön zu sehen, wenn Leute diese Message auf ihren Shirts tragen.“
Wer das Shirt einer Band trägt, identifiziert sich in der Regel auch mit ihr. Auf eurer Homepage habt ihr den Antifa-Newsticker, und ihr seid Unterstützer der Veganer von Peta. Was denkt ihr, wenn ihr einen ZSK-Shirt-Träger, auf dem der rote Stern und die gestreckte Faust prangen, zu Burger King rennen seht?
„Natürlich kann man auf einem Shirt nicht alles das unterbringen, wofür ZSK steht. Sonst müssten wir auf jedes Shirt einen Riesen-Politaufsatz drucken. Wir gehen einfach davon aus, dass unsere Fans unsere Texte kennen und wissen, wofür ZSK steht. Aber nach wie vor denken wir, dass jeder seine eigene Konsequenz aus unseren ‚Anregungen‘ ziehen muss. Es ist immer ein tolles Gefühl, wenn man auf einer Antifa- oder Tierrechtsdemo ist und Leute unsere Shirts tragen. Genauso kann es aber auch sein, dass jemand mit unserem Shirt zu Burger King geht. Das
liegt eben nicht in unserer Hand.“
Achtet ihr bei der Auswahl der Textilien auch auf die Produktionsbedingungen im Herkunftsland, und welchen Einfluss habt ihr da drauf, wenn ihr mit Lizenznehmern zusammenarbeitet? Gerade wenn eine Band sich so klar politisch positioniert, liegt die Messlatte für ihre Glaubwürdigkeit ja sehr hoch.
„Zur Zeit werden unsere Motive alle auf Fruit Of The Loom-Shirts gedruckt. Die Firma ist zwar nicht eine von den ‚schlimmen‘, aber trotzdem natürlich nicht 100% okay, bezogen auf Gewerkschaften und Lohnstrukturen. Kinder arbeiten dort laut CorpWatch aber nicht. Wir suchen aber schon seit einiger Zeit einen wirklichen Fair Trade-Anbieter. Unsere guten Freunde von MOB ACTION – mob-action.de – fahren dieses Jahr selber nach Asien, um einige Fabriken abzuchecken. Da werden wir uns mal erzählen lassen, wie es da so aussieht. Nach wie vor ist es aber auch sehr wichtig, dass es Arbeit in den armen Ländern Südamerikas oder Asiens gibt. Man muss nur sehr viel Zeit investieren, um im T-Shirt-Markt eine Firma zu finden, hinter der man dann auch 100% stehen kann.“
Wer verdient wie viel, also wie sieht typischerweise in der Branche ein Merchandise-Deal aus?
„Das kann man so pauschal nicht sagen. Manche Bands haben sogar im Plattenvertrag Klauseln stehen, dass das Label Merchandise-Rechte bekommt oder Prozente vom Umsatz. Das ist aber eher bei den Majordeals der Fall. Bei uns ist es so, dass wir Prozente an die Jungs aus Hamburg geben, die unseren Kram verschicken. Bei Live-Verkäufen bekommt unser Merchandiser 10% Prozent vom Verkaufsumsatz. Der Rest geht an die Band. Vom Gewinn müssen aber dann natürlich noch die Produktionskosten, Steuern etc. abgezogen werden. Da bleibt bei einem 12 Euro-Shirt nicht ganz so viel hängen, wie manche glauben. Für alle, die es interessiert mal eine kurze Rechnung: 12 Euro T-Shirt-Verkaufspreis minus 1,20 Euro, 10% für den Merchandiser, minus 1,65 Euro, 16% Mehrwertsteuer, die an den Staat gehen, minus 4 bis 5 Euro für Produktion, Versand, Drucksiebe usw. Bleiben am Ende 4,15 bis 5,15 Euro für uns als Band übrig.“
Wenn man heute auf Konzerte geht, bekommt man zehn verschiedene T-Shirt-Motive einer Band angeboten, oft aber nicht einmal die aktuelle CD. Seltsam oder normal?
„Das stimmt. Bei den ganz großen Bands findet man auf den Konzerten fast gar keine CDs mehr. Das hängt damit zusammen, dass die Plattenfirmen gerne möchten, dass die Verkäufe für die Chart-Wertung gezählt werden. Es ist für Bands sehr wichtig, dass die CDs sich gut über die Läden verkaufen. Einerseits für die Charts, andererseits damit beim nächsten Album die Plattenläden wieder mindestens genau so viele Scheiben ordern wie beim letzten Mal. CDs, die auf Konzerten verkauft werden, gehen nicht in die Chart-Wertung ein und deshalb sollen die Leute die CD lieber im Laden kaufen. Auf unseren Konzerten gibt es aber natürlich auch alle CDs von uns zu kaufen. Ein anderer Punkt ist natürlich auch, dass mittlerweile T-Shirt-Verkäufe einen sehr viel höheren Stellenwert haben als vor zehn oder zwanzig Jahren. Wenn ich heute eine Band gut finde, ziehe ich mir die Musik als mp3 aus dem Netz, das ist ganz einfach. Ein T-Shirt selber zu drucken, ist aber kaum möglich. Mittlerweile verkaufen die meisten Bands bei Konzerten jeweils doppelt so viele Shirts wie CDs. Klar, dass dann auch mehr verschiedene Motive hergestellt werden.“
Die Shirt-Preise sind mit der Euro-Umstellung ja nicht gerade gesunken. Wie seht ihr das? Und wieso kostet ein Shirt bei einer großen Band 25, bei einer kleinen 15 Euro?
„Unsere Shirts kosten wie gesagt 12 Euro. Wie viel wir daran verdienen, steht ja weiter oben schon. Vielleicht würden die Leute unsere Shirts auch noch für 15 Euro kaufen, aber wir finden, 12 Euro reichen eigentlich. Ich denke, dass es viele Bands gibt, die sich einfach denken: ‚Mal sehen wie hoch wir mit den Preisen gehen können ...‘. Wenn die Leute dann 25 Euro für ein Shirt ausgeben, sind sie ja eigentlich selber Schuld. Den CD-Preis kann man halt nicht ohne Ende erhöhen. Bei T-Shirts funktioniert das komischerweise doch. Das ist ja ähnlich wie mit Konzert-Ticket-Preisen.“
Was macht Punkwear zu einer eigenständigen Mode, wie grenzt sie sich vom Mainstream ab? Und wo wird Punk-Mode zum Mainstream, Stichwort H&M?
„Generell kann man ja schon sagen, dass auch Punkwear eine eigene Mode ist, wurde aber auch spätestens seit den SEX PISTOLS von der Mainstream-Mode immer wieder aufgegriffen. Das fängt schon an dem Punkt an, dass die SEX PISTOLS auch nur das angezogen haben, was die Mode-Designerin Vivian Westwood in ihrer Underground Clothing Boutique in London für sie als neue ‚Punk‘-Mode entworfen hat. Insofern war Punk schon von Anfang eine Mode, die sich nur zu Beginn vom Mainstream abgegrenzt hat. Joshi und ich haben ja auch unser eigenes Klamottenlabel gestartet: Volume 36 Clothing heiß das Ganze. Unsere erste Kollektion, die ich zusammen mit einem Freund entworfen habe, der unter anderem für Burton und Billabong T-Shirts entwirft, kann man teilweise schon unter volume-clothing.de bestellen. Man darf also sehr gespannt sein, wenn wir in den nächsten Wochen nach und nach die weiteren Designs veröffentlichen.“
Denkt ihr, dass der Kleidungsstil Ausdruck einer bestimmten Haltung sein kann?
„Ja, definitiv! Wie ich mich kleide, und was auf meinem T-Shirt steht, ist ja ein direkter Ausdruck von meiner Lebenseinstellung. Gerade beim Punk und Hardcore weiß ich ja – oder sollte ich wissen –, wofür die Band steht, die ich auf meinem T-Shirt trage. Und wenn ich dann jemanden sehe, der ein ANTI-FLAG- oder RISE AGAINST-Shirt trägt, dann kann ich schon mal davon ausgehen, dass die Person mir höchstwahrscheinlich sympathisch ist. Trotzdem verrät der Kleidungsstil immer nur einen kleinen Teil über einen Menschen. Gerade in Zeiten, wo sich Neonazis mit Che-T-Shirts, Pali-Tuch und Buttons im Autonomen-Outfit präsentieren, wird es immer schwieriger, sich über das Aussehen nach außen klar zu definieren.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Joachim Hiller