PUNKROCKER’S RADIO

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Keine Scheißsongs von Scheißbands

Vor 15 Jahren gründete sich in einem staubigen Gamer- und Programmiererkeller das „Punkrocker’s Radio“. Seither liefert das Online-Radio das, wovon Punkrocker bis dato nur träumen konnten: Ein Radio, auf dem 24/7 Punkrock läuft. Es gibt es aber nicht nur Musik, sondern auch Sendungen wie „Pogoradio“ oder die „Montagsdemo“. Da wird mit Bands oder einfach Interessierten gequatscht. Seit acht Jahren ist Stefan aka Wolverine dabei, somit einer der alten Hasen. Er sendet auch von Konzerten, zuletzt vom Punk Rock Holiday-Festival oder von unserem Ox-Lesesonntag im Don’t Panic in Essen. Außerdem veranstaltet er spannende Geschichten wie die hörbare Ausstellung „Ramoetry“, in der sämtliche Gäste seiner Show einen RAMONES-Text vorlasen. Er kümmert sich auch um die Ruhrgebietsausgabe des Berliner Punkfilmfests „Too Drunk To Watch“ und so manche Konzerte im Ruhrpott. Ende Juli war das Ox zu Gast in seiner Sendung (gibt’s im Internet zum Nachhören), und als die Mikrofone dann ausgeschaltet waren, gab es noch ein Interview zu 15 Jahren Punkrocker’s Radio.

Radio brennt“ sangen DIE ÄRZTE schon 1988, weil in der Kiste nur Müll läuft. War das vor 15 Jahren der Grund, das Punkrocker’s Radio ins Leben zu rufen? Wessen Idee war das überhaupt?


Das Radio wurde damals von Braunschweiger Internet- und Informatikpunks gegründet. Das waren so Freaks, die Plan von der Technik hatten und aus dem Gamer-Umfeld kamen. Davon ist aber mittlerweile niemand mehr dabei. Knox aus Solingen ist am längsten aktiv. Ich bin vor mittlerweile acht Jahren dazugestoßen. Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Sender, den ich während der Arbeit hören kann. Nachdem ich gesehen hatte, dass Moderatoren gesucht werden – was nach wie vor der Fall ist –, habe ich mich beworben und seitdem habe ich mein Hobby gefunden.

Vor 15 Jahren habe ich mich noch mit dem fiesen Fiepsen eines Modems eingewählt und mein Vater stand mit der Stoppuhr hinter mir, weil die Nutzungsgebühren im Minutentakt abgerechnet wurden. Das war doch keine Zukunft für ein Internetradio, oder?

Dafür gab es zu der Zeit aber noch kaum Konkurrenz. Die Anzahl der Webradios war gering, an Spotify und so was war noch nicht zu denken und die Hörerzahlen waren zu der Zeit noch im dreistelligen Bereich.

Seitdem hält sich das Radio über Wasser. Wie waren die Anfänge ...?

Das gab es wohl ziemlich viele Wechsel bei den Moderatoren. Da ich die Zeit nicht mitgemacht habe, kann ich dazu wenig zu sagen.

... und was hat sich seitdem bis heute getan?

Ich weiß gar nicht, ob sich so viel getan hat. Es ist immer noch gelebte Anarchie. Kein Verein, keine Hierarchie. Die Leute, die dabei sind, machen nach wie vor das, wozu sie Bock haben. Die Songs sind mehr geworden und dank Facebook und Co. werden wir vermutlich mehr wahrgenommen, was sich allerdings nicht in den Hörerzahlen niederschlägt.

Der ganze Technik- und Lizenzkram – das ist doch bestimmt ein großer Aufwand. Wie hast du dir das angeeignet?

Technisch ist der Aufwand überschaubar. Die Website betreue ich, den Streaming-Server hat ein Kollege aus Berlin aufgesetzt, der Ahnung von so was hat. Die Anforderungen an die Moderatoren sind gering. Im Grunde reichen ein Rechner, ein Headset und ein Internetanschluss, um zu senden. Vor zwei Jahren auf dem Weg zum Punk Rock Holiday haben wir eine Sendung aus dem fahrenden Bus gemacht – über einen Minirechner und ein Smartphone. Die Sendung hatte nicht unbedingt gehaltvollen Inhalt, aber auch so was ist okay.

Und geht dir die GEMA nicht hart auf den Sack, oder wie läuft das? Ich muss gerade an den legendären Film „Piratensender Powerplay“ denken.

Wir zahlen brav an die GEMA und die GVL und haben keinen Stress. Das Geld kommt über Spenden rein, die allerdings zu großen Teilen von den Moderatoren kommen, haha.

Wie viele Songs sind in deiner Playlist?

Wir können mittlerweile auf rund 25.000 Titel zurückgreifen, wobei 40% der Songs, die bei uns laufen, nicht länger als sechs Monate in unserem Pool sind. Dadurch sind wir immer ziemlich aktuell.

Welche kommen da rein ...?

Alles, was aus dem Bereich Punk, Ska, Hardcore, Oi!, Rockabilly kommt und sich nicht anhört, wie mit dem Smartphone aufgenommen, hat gute Chancen.

... und welche nicht?

Scheißsongs von Scheißbands.

Und woher bekommt ihr die?

Mittlerweile bekommen wir von mehr als hundert Labels aus aller Welt regelmäßig neuen Kram zugesendet. Dazu kommen natürlich Bands, die uns Material schicken. Wenn ich auf Bands stoße, die mir gefallen, schreibe ich die an, früher lief das noch über MySpace, heute ist da natürlich Facebook ein guter und schneller Weg, um mit Leuten in Kontakt zu treten.

Sehr cool finde ich, dass zu jedem gespielten Song auch Bandinfos eingeblendet werden. Wie macht ihr das?

Das läuft über eine Schnittstelle zu last.fm. Ich habe immer noch die Idee, dass Bands bei uns Infos eintragen können, aber das werde ich wohl vor der Rente nicht mehr schaffen. Es sei denn es findet sich mal jemand, der Bock auf so was hat und das programmiert.

Punkrocker’s Radio, das bist ja nicht nur du. Wie viele Leute stecken noch dahinter?

Die Anzahl schwankt. Es gibt ein paar Leute, die hin und wieder aus der Versenkung auftauchen, ein paar Sendungen machen und anschließend wieder für ein halbes Jahr weg sind. Regelmäßig laufen „Pogoradio“, „Wasted Fridays“ und „Moshtrocity“. Das sind Sendungen, die auch im Bürgerfunk laufen, aber eben auch bei uns. Knox, der schon ewig dabei ist, sendet seit Jahren so alle paar Wochen ohne regelmäßigen Termin und ich sende dienstags so zwei- bis dreimal im Monat. Wie erwähnt, freuen wir uns über Bewerbungen.

Wer ist eigentlich der gemeine Punkrocker’s Radio-Hörer und wie viele gibt es davon? Waren es mal mehr oder mal weniger?

Die Hörerschaft ist ziemlich heterogen. Schüler, Studis, Malocher, Businesstypen. Da ist alles dabei. In den Anfängen waren die Zahlen, wie schon erwähnt, im dreistelligen Bereich. Davon träumen wir heute. Aber knapp hundert Leute am Tag schalten wohl ein.

Die witzigsten Versprecher und miesesten Pannen, bitte!

Das sind so viele, wo soll ich da anfangen. In meinen Sendungen passiert es regelmäßig, dass ich falsche Knöpfe drücke und nix mehr zu hören ist oder dass die Musik noch läuft, wenn wir eigentlich schon wieder reden. Das macht aber auch den Charme aus. Wir sind halt kein aalglatter Sendebetrieb.

Was waren deine Highlights?

Die „Anarchie aus der Parzelle“-Sendungen aus meinem Schrebergarten waren großes Kino. Dann natürlich die Berichte vom „Punk Rock Holiday“ und eine fünfstündige Sendung an einem Freitagabend mit einem Kollegen, viel Bier und zu späterer Stunde dann auch Schnaps. Hörer waren vermutlich keine mehr dran, aber das war ab Mitternacht auch nicht mehr wichtig.

Welche waren die besten, welche die miesesten Gäste? Und wie kommst du an sie ran?

Die besten Gäste sind die, die sich darauf einlassen, Musik zu hören, Bier zu trinken und über Musik und Biertrinken zu quatschen. Weniger lustig sind die Sendungen, bei denen die Gäste sich erhoffen, dass es hilfreich für die Karriere ist, und die Sache entsprechend ernst nehmen. Meistens lade ich die Bands ein. Entweder weil ich die Musik gehört habe und gut finde oder weil ich sie live gesehen habe.

Was waren die Rückschläge?

Das Schlimmste war, als das Bier alle war.

Und welche Highlights stehen noch bevor, von welchem Studiogast träumst du?

Für den Herbst ist eine Sendung mit FAHNENFLUCHT geplant. Vorher wird es im September zum mittlerweile zehnten Mal einen Mitschnitt vom Bierschinken-Festival geben und aus dem Neuland in Bochum werden wir einige Akustikkonzerte übertragen, unter anderem THE SENSITIVES aus Schweden. Cool wäre eine „Soundtrack Of My Life“-Sendung mit CJ Ramone, den ich ja immerhin schon mal interviewt habe und der ein extrem angenehmer Gesprächspartner ist.

Gibt es ein Leben neben dem Radio oder wirst du damit rich and famous?

Das Radio ist ein reines Hobbyprojekt, das neben Arbeit und Familie meinen Tag ziemlich ausfüllt. Immerhin springt jede Menge guter Musik dabei raus und ich habe in den letzten acht Jahren extrem viele nette und engagierte Menschen kennen gelernt. Und ich bin sogar schon mal von Leuten angesprochen worden, ob ich nicht der Radiotyp bin. Ich bin also quasi famous.