Punkfashion

Früher verriet es uns die Bravo. Bravo Bravo. Heute spricht kein Jugendmagazin mehr über Punk. Das übernehmen jetzt altbackene, sogenannte Frauenmagazine wie die Petra. Hat Punk jetzt endlich Falten? Ist Punk in die Jahre gekommen? Oder liest der Punknachwuchs die Petra?

Die Punkveteranen lesen zumindest die Gerda. Der vordergründige Unterschied ist der, dass Gerda kochen kann. Petra bietet dem Leser nur unattraktive Diäten und inzwischen auch mal einen nackten Mann an. Daneben werden den Trend-Säuen so viele hippe Lifestyle-Tip-Perlen vorgeworfen, dass sie nicht mehr wissen, wie sie sich zu kleiden haben. Stolzierte noch im letzten Jahr jede doofe Agentur-Schnake mit Krempeljeans und hässlichen, zu engen Lackstiefeln, in denen sich die Konturen zerquetschter Zehen aufdringlich abzeichneten, durch eine bunte Welt trendiger Locations, so muss es heute schon mindesten Punk sein, mit dem man im Meeting glänzt. Und dass Punk inzwischen nicht mehr gefährlich, sondern "voll gesellschaftsfähig" ist, bestätigt uns die Petra gleich zu Beginn ihres Artikels über Punk. "Keine Sorge, Sie müssen nicht befürchten, dass drogensüchtige Anarchisten ihr Haus besetzen." Schwein gehabt. Wir dachten schon. Aber warum nicht? Was machen drogensüchtige Anarchisten sonst, wenn nicht Häuser besetzen? Drogen konsumieren? Und dann ist die Leere groß. Die Innere. Da kann einen schon mal die Wut packen. Die nackte. Um die Leere zu füllen und die Wut zu bekämpfen, zieht der Punk also schon einmal los und besetzt ein paar Häuser.

Also sei dir in deinen Lifestyle-Tips mal nicht so sicher, liebe Petra. Wenn du Glück hast, fällt dann für dich vielleicht auch mal das eine oder andere crazy Anarchie-A von der Mauer ab. Ein Logo, das auch total abgefahren ist, und aus dem man noch so manch frechen, trendigen Schabernack kreieren kann, Petr@. Übrigens würden wir ausserdem gerne wissen, ob es mehr drogensüchtige Punks oder Trendmagazin-Redakteure gibt. Wenn erstere mengenmäßig obsiegen, ist nicht mehr so viel mit Chillen, meine Damen und Herren, schon gar nicht in chilligen Lounges. Allerdings glauben wir, dass in der Petra-Redaktion mehr Drogensüchtige sitzen als in der des Ox.

Aber was sagt uns die Petra zur Punk-Mode? Dass wir uns nicht zu fürchten brauchen, hatten wir schon. Und weiter? Schuhe werden jetzt passend zur Haarfarbe getragen. Und was macht der Barney Stult von Incognito Records jetzt? Der ist inzwischen schließlich schon ganz ergraut. Und Punks mit grauen Schuhen sehen nun einmal scheisse aus. Sind noch nicht mal Trash, sehen halt einfach nur nicht aus.

Und zum Buttonkauf trifft man sich also in London oder auf Flohmärkten. Noch trendigere Leute treffen sich allerdings bei Ralf Real Shock, Mülheim/Ruhr. Dort nämlich wurde der erste Button-Store in Deutschland eröffnet. Jedoch gibt es dort keinen Button mit der Aufschrift "Famous when dead". Dafür allerdings mit der Parole "I was a Punk before you were", Petr@. Aber der These, dass Button-down-Hemden out seien, wurde letztens bei Abels Besuch des Hamburger Edel-Gebrauchtkleidermarktes "Secondella" widersprochen. Dort empfahl ihm eine äußerst trendige, wahrscheinlich Petra lesende Verkäuferin eben genau ein solches Hemd.

Aber am meisten beschäftigt uns die Frage, wer ist der gelbe Mann in der Mitte der Seite? Und was hat das mit Punk zu tun? Wir dachten, auf dieser Seite geht der Punk ab. Statt dessen geht da lediglich ein Asiat über den Laufsteg und guckt blasiert durch die Gegend, Hand am Sack. Außerdem trägt er einen roten Lendenschurz. Das ist ganz falsch, denn so was tragen doch nur die Indianer. Und die kommen in China gar nicht vor. Oder handelt es sich um eine abgewandelte Form des Schottenrockes, welcher sich in Punkkreisen durchaus großer Beliebtheit erfreut? Da wiederum drängt sich die Frage auf, was ein Japaner im Schottenrock macht. Ist es ungefähr das gleiche wie ein Wolf im Schafspelz?

Wir gehen davon aus, dass der Layouter der Petra-Redaktion mit sehr viel Liebe zum Detail und zur Wahrheit ans Werk gegangen ist. Vielleicht wollte er durch die Anordnung "Japaner im Minirock- und - drum -rum -lauter - bunte-Impressionen" andeuten, dass China noch immer das unumstrittene Reich der Mitte ist und Punkrock nur mal so auf doof daher kommt. Aber kann Punk heutzutage überhaupt noch anders als doof daher kommen? Außer bei Konzerten von FUSELWOCHE und im "Rahlstedter Knochenblatt" nur noch äußerst bedingt. Bedingt wodurch? Antwort: Durch Camouflage-Netzshirts von Gerry Weber (um 50 DM; übrigens sollen die lila Stiefel von vorhin 500 punkige Mark kosten). Im Namen der Petra möchten wir gerne von euch wissen, ob schon einmal einer von euch parfümiert bei einem FUSELWOCHE-Konzert war? Unser Freund Garfi war es. Und die Erfahrungen gaben ihm Recht. Recht so, Petra: schlag weiter deine kleinen kapriziösen Kapriolen. Der Japaner, der Chinese, der Londoner Flohmarkt, der Punk, der Drogenabhängige: sie alle dienen dir als Prügelknabe, sind dir als wehrloses Objekt deiner imperialistischen Machtgier zu Willen.

Doch hatte es unser Freund Garfi verdient, bepöbelt zu werden, nur weil er sich Abels After Shave auftrug? Die Punkette, die dies tat, hatte sicherlich kaum das Recht, über passende Duftnoten zu urteilen. Doch gehörte sie sicherlich auch nicht zu den Petra-Leserinnen. Trotzdem trug sie einen Nietengürtel, wahrscheinlich von "DOM, um 30 Mark, ein Muss!"

Doch jetzt endlich zu der maßgeblichen Frage, was hat Punk mit einer Pilotenbrille von Hoseki, um 140 Mark, zu tun? Gut, auch wir lasen 1988 im kubanischen Punk-Fanzine "The little Che" von sogenannten Piloten-Punks, aber gibt es die heutzutage immer noch, Petra? Oder hat man sie mittlerweile endlich von ihren kulturellen Wurzeln entfremdet? Hat man es endlich mal wieder geschafft, ja? Waren sie nicht einst glücklich, nackt und barfüßig, wie sie nun einmal durch ihre städtischen Wälder hüpften? Nein, denn Piloten-Punks sind niemals glücklich. Das streben sie auch gar nicht an. Der Glücksdiskurs ist nämlich eine perfide Erfindung der westlichen, postfordistischen Industrienation.

"Schnell, böse und laut", dazu riefen D.R.I. damals schon auf. Dabei stammt das eigentlich von Petra, dieses Zitat. Denn Punk ist ursprünglich eine Erfindung der Petra. Und nicht von Malcolm MacLaren, wie uns im "The Great Rock´n´Roll Swindle"-Video glaubhaft gemacht werden soll (in Videotheken).

Alles ist gesagt. Oder aber auch nichts. Die Frage lautet nach wie vor, ist alles gesagt oder nicht. Die Petra schafft es leider nicht, uns diese Frage eindeutig zu beantworten. In dem Dokumentarfilm "No Future" fragte 1980 ein Punk, ob Punk nicht schon 1977 gestorben sei.

Wir sagen ja!

P.S.: ...und nein zu Drogen.