Mit Grausen erinnere ich mich an die große Kapuzenpulli-Dürre der späten Achtziger. Unmöglich, irgendwo einen Kapu aufzutreiben.
Dabei waren die „Hoodies“, die damals noch keiner so nannte, doch gerade der heiße Scheiß für Hardcore-Fans. Tourende Bands trugen die, wenn auch ohne Bandnamenbedruckung, sondern – sofern die Band vom Highschool-Streberlook der Revelation-Combos angesteckt war oder selbst eine solche war – mit Markenlogo, bevorzugt von Champion, bevorzugt in hellgrau. In den USA waren „Kapus“ – „hooded sweatshirt“ – seit den 1930ern Arbeitsbekleidung, „erfunden“ von eben Champion – wie Carhartt und Dickies einst eine klassische, günstige Marke für Arbeitsbekleidung, bevor überteuerter Hipsterscheiß daraus wurde. Und was kauften Leute aus der Punk- und Hardcore-Szene? Billige Klamotten aus Berufskleidungsläden oder Thriftstores, also Secondhand-Läden – Mainstream-Mode wurde erst später daraus.
Die große Kapuzenpulli-Dürre also. Ich erinnere mich, wie es in unserer süddeutschen 50.000-Einwohner-Stadt in den Ox-Anfangstagen unmöglich war, irgendwo einen Kapu aufzutreiben, den wir ja bei tourenden Bands als „das trägt man jetzt“ identifiziert hatten. Die beiden Kaufhäuser hatten nichts im Sortiment, die Modegeschäfte auch nicht, und auch nicht C&A. Nur in der Kinderabteilung gab es welche aus Nicki-Stoff – keine Alternative. Eine von uns ging soweit, ihre handwerklich begabte Mutter zum Nähen eines Kapus zu überreden – in die Serienfertigung für uns alle wollte sie leider nicht einsteigen. Also hieß es, die Augen offen zu halten, denn hier und da tauchte – fast wie in der DDR – mal ein Posten Kapuzenpullis auf, in Sportgeschäften etwa. Aber mit einem Logo drauf waren die ja auch nicht zu gebrauchen.
Der Siegeszug des Kapus in der Punk- und Hardcore-Szene begann erst in den Neunzigern, wahrscheinlich haben die Merch-Einnahmen aus dem Verkauf von NOFX-Kapus Fat Mike die erste Million verschafft. Plötzlich gab es die überall, in allen Farben und Formen, vor allem aber in labberiger Oversize-Qualität und an schmal geschnittene Damengrößen war noch nicht zu denken. Auch an fair gehandelte Bioqualität verschwendete damals keiner einen Gedanken. Mehr als 30 Mark durften die nicht kosten – ein befreundeter, zweigleisig fahrender Punklabelmacher freute sich, dass die HipHop-Deppen für den gleichen Kapu mit anderem Druck gerne 100 Mark bezahlten. Und heute? Da zählen Kapus längst zum Standard-Modeaccessoire, statt Bandnamen tragen die Opferkonsumenten stolz die Namen von Modelabels zur Schau, und bei anderer Gelegenheit ist aus dem Insignium der Nerds das Kleidungsstück geworden, das Angstbürgern bedrohliche jugendliche Delinquenz signalisiert.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #149 April/Mai 2020 und Joachim Hiller