PUNK-TRADITIONEN - TEIL 31

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Stachelhaarpflege

Geht man heutzutage auf Punk- und artverwandte Konzerte, ist das in coiffeuristischer Hinsicht eine Enttäuschung. Sehr normale, brave Frisuren dominieren, vor und auf der Bühne. Bunt? Eher selten. Und stachelig oder irokesig? Noch seltener. Aber das war mal anders ...

Meine erste Frisuren-Inspiration war David Bowie. Daraus wurde nichts, der Mann mit der Schere lachte mich aus. An mein erstes Mal Haargel ... kann ich mich nicht erinnern, vielleicht war es auch der Friseur, der mich anfixte. Künftig war der Kauf von extra-starkem Styling-Gel im Drogeriemarkt Müller ein wichtiger Taschengeld-Posten. Die neongrüne Tube hielt leider weniger lang, als das Geld reichte, also musste experimentiert werden. Zum Beispiel mit Mutters Gard-Haarspray. Unvergessen ihre verwunderte Aussage: „Ich weiß auch nicht, das Haarspray ist schon wieder leer ...“ Dabei schaute sie mich an: schwarze Stehhaare, 10-15 cm hoch, und der Geruch war unverkennbar. Es musste also etwas anderes ausprobiert werden. Seife, das hatte ich aufgeschnappt, sollte auch gehen. Na ja. Mit den Händen und einem Stück Seife ordentlich Schaum produziert, ab in die Haare ... und ... hm ... Ja, ging, aber wer wie ich mit dem Fahrrad zur Schule fahren musste bei Wind und Wetter, erlebte so manche Enttäuschung und Tränen gab es auch, wenn das mit Seife angereicherte Regenwasser in die Augen gelangte. Vorteil: die Kosten. Und mit feuchten Fingern war die Frisur leicht wieder zu retten. Und gegen die Tränen half dann die pH-neutrale Eubos-Seife. Weitere Versuche wurden mit Zuckerwasser unternommen: Viel Zucker in Wasser aufgelöst, Finger drin baden, ab in die Haare. Klebte ekelhaft und aller Dreck wie Staub, Löwenzahnsamen und weiß der Teufel was blieb dran hängen. Häufiges Haarewaschen wiederum bleichte die schwarze Haarfarbe zu schnell aus – und wie sehr Teenager es lieben zu duschen, ist noch ein ganz anderes duftes Thema. Apropos Duft: Das aus vegetarisch-veganer Hinsicht fragwürdigste Experiment war Gelatine ... In die Küche geschlichen, Blattgelatine gesucht, aufgeweicht, in ein leeres Gurkenglas gepackt, und dann den Glibber in die Haare gepackt. Krass fester Stand, aber fast schon zu stachelig. Und ... in der Ecke hinten im Kleiderschrank versteckt hielt sich das Zeug nicht gerade lang. Nach wenigen Tagen schon stank es erbärmlich. Experiment gescheitert.Also blieb ich zunächst bei Haarspray, das damals, Mitte der Achtziger, schon einen schlechten Ruf bekommen hatte wegen des darin verwendeten Treibgases. Alternativ gab es irgendwann Pumpsprüher, aber die waren auch nicht optimal, der Nebel nicht so fein. Styling-Schaum? Unbrauchbar. Styling-Gel wurde dann zum Mittel der Wahl – und es war ein Drama, wenn das Fach der bevorzugten Marke mit dem Härtegrad „ultra“ mal wieder leer war ... Es folgten: Dreadlocks, lange Haare, kurze Haare, Mütze.