PUNK-TRADITIONEN – TEIL 3: Fahrgemeinschaft

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„Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen“ soll geschaffen werden in Stadt und Land – darüber haben wir schon in den Achtzigern gelacht, als wir für die allermeisten Konzerte mindestens eine Stunde Autofahrt über Land- und Bundesstraßen auf uns nehmen mussten.

Bus, Bahn? Abends fuhr nichts, keine Chance, ohne Auto blieb man frustriert in der Provinz an der Theke sitzen. Wer ein Auto hatte – schwer für Schüler in der Altersklasse zwischen 16 und 20 – war der Held, die Heldin. Ox-Co-Gründerin Biggi und ihre Mitbewohnerin Claudi waren berufstätig, hatten Geld für einen klapprigen Kleinwagen, und so ging es jede Woche aufs Neue los, das Buhlen um einen Sitzplatz, und im vollgepackten Golf oder R5, die garantiert überladen waren und kaum die Berge der Schwäbischen Alb rauf kamen, pressten wir uns zu dritt auf die Rücksitzbank, froren oder schwitzten, hörten auf schrottigen Cassettenradios Mixcassetten und kamen fast immer irgendwie an. Spritkohle war selbstverständlich, war bei 200, 300 km Fahrstrecke am Abend auch nicht wenig.

Glück hatte, wer rechtzeitig vor der Abfahrt „EVOS!“ ausgerufen hatte – „erster Vornesitzer ohne Streit“! Bedeutete aber auch: Scheibe wischen, Bandsalat reparieren, Karte lesen, auf Straßenschilder achten, Bier anreichen – und auf der Rückfahrt Fahrer oder Fahrerin wach halten, während auf der Rückfahrt durch Nebel, Eisregen und Schneetreiben auf der Rücksitzbank schon geschnarcht wurde. 24 Stunden geöffnete Tankstellen? Nicht zwischen Geislingen und Heidenheim – jede nächtliche Fahrt musste geplant sein.

Vor allem aber: man war als Mitfahrer der Gnade seiner Mitreisenden und vor allem des Fahrers/der Fahrerin ausgeliefert. Manche Menschen labern sich gerne fest, andere hatten noch „Beziehungsdinge“ zu erledigen nach dem Konzert („Warum sind die Scheiben des Autos so beschlagen?“), Fakt: Man wurde nervös, wenn man nach dem sowieso erst um eins beendeten Konzert noch eine Stunde vor dem Dorf-JZ rumstehen musste. Besser wurde das in meinem Fall erst, als Uschi in mein Leben trat – eine Frau mit Auto, und ich ab jetzt immer EVOS!