PUNK-TRADITIONEN TEIL 25

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Späte Konzerte

Punks sind arbeitsscheues, faules Gesindel, das nachts feiert und tagsüber den Rausch ausschläft. Ein Klischee? Mit Sicherheit. Aber eines, für das es früher oft (heute nur noch vereinzelt) ein wichtiges Indiz gab: Spät anfangende und noch später endende Konzerte ...

Damals, als wir aus der süddeutschen Kleinstadt noch ein, zwei Stunden weit über Landstraßen in andere Kleinstadt-Juzes und Hausprojekte pilgerten, konnte sich so eine Expedition schon mal neun, zehn Stunden hinziehen: Um 18 Uhr treffen, Abfahrt, Bier kaufen, tanken, Pinkelpausen, sich verfahren, um halb neun am Ziel eintreffen. Zum Glück hat noch keine Band gespielt ... und vor zehn fing auch keine an. Technische Probleme, endloser Soundcheck, Hauptband noch nicht da ... irgendwie war gefühlt immer was. Gegen Mitternacht, als zwei von der Fünfer-Reisegruppe, die wegen Schule/Zivi/Ausbildung/Job dann doch am nächsten Morgen um acht Uhr „auf der Matte“ stehen sollten, unruhig wurden, zeichnete sich immer noch nicht ab, dass die Hauptband Anstalten machen könnte, auf die Bühne zu kommen. Ein Teil des Publikums hatte da schon die Biege gemacht (Gründe s.o.), andere lagen rotzbesoffen in den Ecken oder im Gebüsch vor dem Laden.

Viertel vor eins dann endlich Bewegung auf der Bühne, es geht los, aber nein, nur Soundcheck. Zehn nach eins dann legt die Band, wegen der wir angereist waren, endlich los, die Verbliebenen feiern sie, und als kurz vor zwei der Abend endet, gilt es nur noch, die eine Mitfahrende innerhalb von zwanzig Minuten von der neuen Liebschaft zu lösen, während die anderen vier missmutig und gähnend im Auto dösen. Viertel nach zwei endlich fahren wir los, über neblige, kurvige Landesstraßen mit dreistelligen Zahlen, zum Glück noch mit halb vollem Tank, denn in 50 km Umkreis hat hier nichts mehr geöffnet. Um vier oder so dann endlich zu Hause, zum Glück ist der Fahrer/die Fahrerin nicht unterwegs eingeschlafen ...

Heute erlebt man diese Situation als Metropolregionbewohner in Deutschland nur noch selten, meist aber in autonomen, selbstverwalteten Etablissements. Wer da vom Warten schlechte Laune bekommt, macht sich schnell als verspießter Systemling verdächtig. Kommerzielle Läden wiederum fangen heute, Post-Corona, überpünktlich an, was ganz andere Probleme mit sich bringt: gewünschte Band nicht wegen frühzeitiger (vor Mitternacht) Abreise (halb) verpasst, sondern wegen Stau/Bahnverspätung/Parkplatzsuche und Eintreffen nicht pünktlich um 20 Uhr. Um 22:30 Uhr wird man schon wieder rausgefegt, der Kostendruck: Jede Stunde, die das Personal nicht bezahlt werden muss, spart bares Geld. Meine Wohlfühlsituation liegt in der Mitte: Um 21 Uhr Vorband, um 22 Uhr Hauptband, um Mitternacht wieder zu Hause. Geht doch – gute Organisation ist alles, liebe Veranstalter:innen.