Granteln. Meckern. Moppern. Je nach Region gibt es andere Wörter für dieses uns so vertraute Verhalten, einem Zwilling des Lästerns. Vor allem alte Punks werden davon befallen, es scheint so eine Art Gehirn-Arthritis zu sein, etwas, das mit dem Alter kommt.
Dieses Verhalten war freilich früher schon angelegt in dieser Subkultur, die seit jeher Elemente sowohl von Inklusion wie von Ausgrenzung in sich vereinigt. Kam man in Vor-Internet-Zeiten auf Konzerte im JuZ Hinterunterhausen, wurden alle Neuankömmlinge scharf beäugt: Wer ist das denn, kennt man die, woher sind die, mit wem sind die da, was haben die denn an? Erst wird beschnuppert, dann gebellt oder mit dem Schwanz gewedelt. Wir sind ja eine Szene, aber wen man nicht kennt ... Und so wurde sich ausgetauscht, gelästert, einsortiert.
Irgendwann kam dann das Internet, und mit diesem kamen Newsgroups, Messageboards und Foren, später MySpace und Facebook. Und aus denen, die vor den JuZes rumstanden, wurden Sesselpupser, die in den letzten zwanzig, dreißig, vierzig Jahren bisweilen nicht unbedingt zu größeren Menschenfreunden geworden sind, sondern sich in Sachen Ausgrenzung, Zynismus und Besserwissertum intensiv fortgebildet haben. Sie wurden „grumpy old punks“ mit der Lizenz zum Moppern. Wichtigstes Distinktionsmerkmal ist und bleibt die Grundqualifikation „I was a punk before you were a punk“. Wer länger dabei ist, hat mehr Kompetenz und höheren sozialen Status – siehe Seelöwenkolonien etc. pp. Durch lautes Brüllen, wozu auch scharf geschossene Kommentare via Social Media gehören, wird der Alphamännchenstatus behauptet, wobei es erstaunlicherweise unter vielen dieser Alphamännchen so eine Art Stillhalteabkommen gibt: Innerhalb der engeren Grumpy-Gruppe werden die Reihen geschlossen, es gilt vor allem nach außen auszuteilen. Und außen, das ist klar, das sind die, die nicht 19xx auf diesem einen Konzert waren, nicht die Vinylfarben jeder raren 7“ herunterbeten können, wenn man sie nachts um drei aus dem Schlaf reißt, die nicht schon alles gesehen und gehört haben und deshalb alles wissen. Nein: besser wissen.
Nun gibt es das auch „freundliche Meckern“, das humorvolle Kommentieren der legendären Muppet-Figuren Waldorf und Statler, oder das amüsierte Sticheln, das im englischen Pub-Humor unter Freunden gut funktioniert. Das setzt voraus, dass jemand Menschenfreund ist, einen Spaß auf eigene Kosten wegstecken kann, dass einem bewusst ist, wo das Necken aufhört und das Verletzen beginnt. Mit Social Media fand hier eine Entgrenzung statt, das virtuelle Schulhofgeschubse („Bullying“ nennt diese Art des Mobbens der Engländer) wurde schärfer, und viele, die sonst anscheinend keinen Spaß im Leben mehr haben oder im aktiven, kreativen Schaffen, holen sich hier ihre Ersatzbefriedigung.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #161 April/Mai 2022 und Joachim Hiller