In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer, Cover gestalten. Diesmal sprachen wir mit Johannes Stahl.
Bitte stell dich vor.
Ich heiße Johannes Stahl, bin 28 Jahre alt und arbeite als freier Illustrator und Künstler in Nürnberg. Aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt in der Umgebung. Dort gab es glücklicherweise am Stadtrand ein Jugendzentrum mit winzigem Konzertsaal und anderen verzweifelten Kindern, die Bock auf laute, schnelle Musik hatten.
Seit wann betätigst du dich künstlerisch, wie fing das an, wie ging es weiter?
Schwer zu sagen. Irgendwie schon immer. Ich habe dann aber um 2007 die ersten Flyer für meine damalige, furchtbar schlechte Punkband entworfen. Ich war irgendwie der Einzige, dem das Spaß gemacht hat. Irgendwann hat sich die Band dann aufgelöst und ich habe trotzdem weiter Flyer entworfen. Nur eben für andere.
Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe, oder digital am Rechner?
Ich zeichne mit Tusche und Füller auf Papier und ins Skizzenbuch. Ab und zu entstehen auch Objekte oder Skulpturen aus verschiedenen Materialien. Hauptsächlich mache ich aber Linoldrucke. Ich mag daran das Primitive, Rohe, Laute und Kaputte. Auch dass es keine Möglichkeit gibt, Fehler rückgängig zu machen, liegt mir total. Den Computer nutze ich nur, wenn es dann darum geht, die Arbeit zu digitalisieren und Layouts und Druckdaten anzulegen.
Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Ich habe in Nürnberg Design studiert. Das war ganz spannend, weil ich hier viel ausprobieren konnte und Zugang zu einer Druckwerkstatt hatte.
Hast du Vorbilder, welche Stile beeinflussen dich?
Am heftigsten beeinflusst hat mich wahrscheinlich der Comic „Black Hole“ von Charles Burns. Das Teil ist einfach der absolute Wahnsinn. Umgehauen haben mich aber auch Posadas Werk und die mexikanische Druckgrafik und Marc van Elburgs „Zinedepo“, eine Riesensammlung von Underground-Comics und -Zines aus der ganzen Welt. Außerdem liebe ich die Arbeiten von Mat Brinkman und Oldschool-Pen & Paper-Rollenspiele mit Freunden.
Gibt es deine Kunst zu kaufen? Falls ja, in welcher Form – Originale oder Drucke? Wie und wo? Und was muss man dafür ausgeben?
Ein paar meiner Originalgrafiken sind in meinem Onlineshop auf johannesstahl.bigcartel.com erhältlich. Ansonsten stelle ich immer mal wieder aus. Die Preise hängen vom Format und der Auflagenhöhe ab. Gerade habe ich Grafiken für 40 bis 130 Euro im Shop.
Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag? Etwa für Bands oder Konzertveranstalter?
Beides. In den letzten Jahren konnte ich mit KADAVAR, MANTAR und Koloss Skateboards arbeiten. Außerdem habe ich einen Haufen Poster und Flyer für verschiedene Konzerte gestaltet. Ich mache auch immer wieder schräge Kollaborationen. Vor kurzem durfte ich etwa eine Grafik für einen Pulp-Roman und die dazugehörige Bootleg Actionfigur von „underworldmuscle“ entwerfen. Das war super.
Was ist mit Ausstellungen?
Bisher konnte ich meine Arbeiten bei verschiedenen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen zeigen beispielsweise in Linz, Arnhem und Oaxaca, Mexiko. Ich bin auch immer mal wieder bei verschiedenen Comic- oder Zine-Festivals. Hoffentlich kann da bald wieder etwas stattfinden. Das fehlt mir sehr ...
Was gibt dir deine Kunst emotional?
Wenn eine Druckplatte fertig geschnitten ist und ich den ersten Testabzug machen kann, ist das immer ein bisschen wie früher, wenn man die Geschenke beim eigenen Kindergeburtstag auspackte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #151 August/September 2020 und Joachim Hiller