POLKAHONTAS

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We Play Polka

Was sind das nur für Zeiten? Früher wusste man, wo Gut und Böse stehen, konnte man sich aus Schwarz und Weiß ein herrliches Weltbild zusammenzimmern. Und heute? Da gibt es in München jetzt sogar ein paar Vögel, die es wagen, bayerische Volksmusik mit linken Anarchotexten zu versehen. Polka und Punk unter einem Hut. Kann das gut gehen? Es kann. Denn die POLKAHONTAS, so der Name dieser Kapelle, gehen mit Nichten daran, bierselige Festzelt-Schunkler zu "verpunken", sondern zäumen das Pferd von hinten auf. Sie nehmen altbekannte Punk-Songs aus den 80er und 90er Jahren und packen diese in eine neues Polka-Gewand. Was ELÄKELÄISET in Finnland seit vielen Jahren erfolgreich praktizieren, kann auch in diesem Lande funktionieren. Und da die Texte in breiter Mundart vorgetragen werden, kann man sich das eine oder andere Schmunzeln einfach nicht verkneifen. Ungewöhnliche Dinge rufen den Journalisten auf den Plan. So habe ich kurzerhand mal ein kleines Interview mit Gitarrist Mark geführt, seines Zeichens Begründer und Bassist der bayrischen Punk-Cover-Volksmusik-Polka-Band POLKAHONTAS. Leider lösten sich die POLKAHONTAS im Juni 2008 auf, noch bevor dieses Interview im Ox gedruckt werden konnte.


Wie kommt man als Punkrocker dazu, sich Polka anzunehmen?

Die Idee zu POLKAHONTAS entstand, als ich vor ungefähr acht Jahren gemeinsam mit ein paar Bekannten in eine Kneipe gesteuert bin, in der zwei Musiker mehr schlecht als recht versuchten, die Leute mit ihrer volkstümlichen Musik zu begeistern. Ähnlich schwer zu ertragen waren auch die Texte und so fingen wir an, zu den vorgegebenen Melodien ein paar Zeilen von der Hamburger Truppe SLIME mitzusingen. Das Ganze war urkomisch und hat mich über Jahre nicht losgelassen. Also habe ich mir irgendwann die richtigen Leute zusammengesucht und das Projekt an den Start gebracht. Polka, beziehungsweise volkstümliche Musik deshalb, weil sie so wunderbar mit der bayrischen Sprache harmoniert und nach ein, zwei Bier wirklich jedem gefällt. Wir bieten durch unser Auftreten, durch die Musik und die Texte den Leuten, die sich bisher nicht getraut haben das zuzugeben, endlich das langersehnte Alibi. Polka ist endlich cool!

Aber Polka haftet doch seit eh und je ein sehr reaktionäres Image an. Widerspricht das nicht den Ideologien des Punkrock?

Dazu fallen mir gleich mehrere Sachen ein. Zum einen sollte man die volkstümliche Musik, also das, was in den Dritten Programmen rauf und runter geleiert wird, nicht mit der ursprünglichen Volksmusik und schon gar nicht mit Polka gleichsetzen. Zum anderen finde ich es immer spannend, Dinge miteinander zu verbinden, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Und selbst, wenn es den Ideologien des Punkrock widersprechen sollte, ist mir das herzlichst egal. Ich bin ein Mann, der sich nur höchst ungern und widerwillig einschränken lässt, und das schon gar nicht auf einem Gebiet wie der Musik, in der meiner Meinung nach alles erlaubt sein sollte.

Wie reagiert euer Publikum so? Und wie sieht das überhaupt aus? Kommen da Punks, die Spaß an der Volksmusik mit "ihren" Texten haben? Oder kommen Polka-Freunde, die mal eine andere Version "ihrer" Musik hören wollen? Oder gar alle zusammen?

Es sind definitiv die Punks und Skins, die das Geschehen dominieren, ich habe aber auch schon einige Leute gesehen, die keiner Subkultur angehören. Es hat sich also auch außerhalb der "Szene" schon rumgesprochen, dass es bei unseren Konzerten etwas nicht Alltägliches zu sehen gibt.

Ich stelle es mir recht spannend vor, wenn ihr mit eurer Musik außerhalb des bajuwarischen Kulturkreises auftretet. Zieht es euch oft über den Weißwurstäquator? Wie nehmen euch die Leute dort auf?

Wenn man bedenkt, dass wir sechs Berufstätige unter einen Hut bringen müssen und daher zeitlich sehr beschränkt sind, kann man sagen, dass wir 2008 live recht aktiv sind. Wir beschränken uns auf Wochenendtouren und ich habe versucht, mit den wenigen Tourdates, die uns zur Verfügung stehen, möglichst die ganze Republik abzudecken, so dass jeder einmal in den Genuss kommen kann, uns live zu sehen. Bisher waren wir jedoch ausschließlich in Bayern und Baden-Württemberg unterwegs, von daher kann ich noch nichts sagen über die Akzeptanz im restlichen Deutschland. Allerdings bekomme ich häufig Zuschriften, die mir zeigen, dass uns die Leute mit Spannung erwarten.

Wie groß siehst du als Münchner denn die kulturellen Unterschiede zwischen Bayern und dem Rest der Republik?

Ich finde, dass man in Bayern eine große Heimatverbundenheit der Menschen spürt, dass hier Brauchtum und Dialekt mehr gepflegt werden als sonst wo in Deutschland. In Bayern sind sogar die Großstädte Dörfer, das Bier ist besser, das Bildungsbürgertum ist nicht sehr weit verbreitet und ich bin ein höflicherer Mensch, als München es mich sein lässt. Ich würde im Moment nirgends lieber wohnen wollen. Ich bin übrigens Frankfurter ...

Wonach sucht ihr denn die Stücke aus, die ihr in euer Programm aufnehmt? Inzwischen sind das ja nicht nur Lieder von SLIME, die ihr durch den Polka-Wolf dreht ...

Nun, zuallererst sollten es bekannte Lieder sein. Es ist der Stimmung nur zuträglich, wenn die Leute das Lied gleich erkennen und sofort mitmachen können. Zudem muss ein gewisses Inspirationsmoment schon vorhanden sein. Eine Melodie, ein Wortspiel, irgendein anderes Lied, zu dem jetzt dieser oder jener Text besser passen würde, es ist alles ein großes Ausprobieren und macht einen Heidenspaß. Womit wir auch schon beim Sinn und Zweck unserer Auftritte wären.

Und wie sieht es mit eigenen Songs aus?

Bis dato sind weder welche im Repertoire, noch in Planung. POLKAHONTAS definiert sich durch das Interpretieren bereits vorhandener, bekannter Lieder der härteren Gangart im Stile der Volksmusik, der Polka oder Folk-Rock. Ich möchte nicht ausschließen, dass uns auf Tour mal das eine oder andere Liedchen einfällt, welches wir dann auch aufführen, aber das Hauptaugenmerk liegt per se auf den Interpretationen.

Und wie sieht es beim Interpretieren mit den Urheberrechten aus? Gab es da schon mal Probleme mit der einen oder anderen Band?

In der Tat gibt es da einige Dinge zu beachten. Wenn man ein bereits existierendes Stück nicht 1:1 nachspielt, sondern Bearbeitungen vornimmt, dann greift das so genannte Recht des Künstlers auf Schutz vor Verunstaltung seines Werkes. Im Endeffekt heißt das für POLKAHONTAS, dass nun die Verlage und die Künstler um Erlaubnis gebeten werden müssen, ob die von uns bearbeiteten Lieder auch veröffentlicht oder gar aufgeführt werden dürfen.

Nun ist es bei Bands wie SLIME oder DISCIPLINE kein großer Akt, da rufst du einfach die Jungs oder deren Label an und dann passt die Sache. Ganz anders schaut es aus, wenn du dich an Bands ranmachst, die bei Majorlabels unter Vertrag sind. Da blocken die Verlage gleich alles ab und man muss dann Mittel und Wege finden, an die Musiker selbst ranzukommen, da diese meistens Gefallen an der Sache finden und ein gutes Wort für dich einlegen. Ganz schwierig wird es, wenn die Rechte der Lieder bei Fernsehsendern oder anderen Großkonzernen liegen, dann kannst du es fast vergessen.

Habt ihr da schon richtig schlechte Erfahrungen mit einzelnen Bands gemacht?

Die Vorkommnisse der letzten Zeit haben mir gezeigt, dass es nicht immer die Bands sind, die zum Beispiel aus Gründen wie die Angst vor Verlust ihrer Glaubwürdigkeit eine Bearbeitung ihrer Lieder durch uns ausschließen wollen, sondern dass es meistens das vorgeschobene Management, die Verlage oder einfach nur Mitarbeiter sind, die uns nicht leiden können, kompetenzüberschreitende voreilige Absagen rausgelassen oder einfach nur einen schlechten Tag gehabt haben. Insofern möchte ich keine Namen nennen, obwohl es mir bei einigen Leuten auf den Nägeln brennt. Es gibt einfach Leute, die haben sehr schlechte Umgangsformen und werden ihrem Ruf gerecht.

Glaubst du, dass es ausschließlich ein Altersphänomen ist, wenn man sich musikalisch immer mehr Stilrichtungen öffnet, oder könnte es auch sein, dass heutzutage der Weg hin zum Crossover immer populärer wird, da einzelne Sparten im Laufe der Jahre komplett abgegrast worden sind? Ich meine, wie will man Country, Punk, Blues, Rock oder was auch immer für Stile neu erfinden? Da bietet sich das Kombinieren - und sei es noch so abstrus - ja geradezu an.

Ich denke, es wird in regelmäßigen Abständen immer wieder eine für den jeweiligen Musikstil perfekte Zusammenkunft von Musikern innerhalb einer Band geben, die dann auch in einem "abgegrasten" Sektor unglaublich herausragen werden, einfach nur durch die Tatsache wie sie das Altbekannte spielen. Das Rad wird dadurch natürlich nicht neu erfunden. Ob sich neue Kombinationen auf Dauer durchsetzen, sei dahingestellt. Ich meine, es kommt ja nicht von ungefähr, dass Bands wie AC/DC, die unbeeindruckt und stur ihren Stiefel durchspielen, die Jahrzehnte überdauern und Bands, die viel experimentieren, entweder im Nichts verschwinden oder sich irgendwann auf eine mehr oder weniger altbekannte Richtung einspielen. Und ja, ich meine, dass man im Alter offener respektive weniger engstirnig ist. Zumindest war das bei mir so, und wenn ich mir ansehe, dass die Jugend heutzutage immer noch nach Extremen giert, so glaube ich Recht zu haben.

Dass ihr euch vor allem als Live-Band seht, hast du ja bereits erwähnt. Wie sieht es denn trotzdem mal mit einem Tonträger aus? Der Polka-Punk-Mix wird doch auch auf Konserve funktionieren ...

Tut er, tut er. Wir haben ein komplettes Album fix und fertig aufgenommen, jedoch kam der Veröffentlichung der Rechtestreit in die Quere. Wir sind dabei, neues Material zu schreiben und den Liedern, für die wir die Genehmigung haben, hinzuzufügen. Ist halt eine sehr langwierige Geschichte, da ich eigentlich im Vorfeld abgeklärt haben möchte, ob das Endprodukt abgesegnet wird oder nicht, die Verlage allerdings zuerst eine fertige Aufnahme verlangen. Wir hoffen, dass wir Ende des Jahres eine offizielle Scheibe draußen haben werden. An interessierten Plattenfirmen wird es auf keinen Fall scheitern. Bis dahin jedoch wird es nur eine kleine Promo-EP geben.