Plastic Bomb Nr. 1

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So fing es an

Wir schreiben das Jahr 1993. Der Fanzinekuchen in Deutschland ist verteilt: Es gibt im seriösen Magazinformat das Ox, im asigen A5 das Scumfuck, das Trust im grauen A4 und das Zap in der bunteren Version. Auf der einen Seite stehen die Chucksträger und auf der anderen Seite die stiefeltragenden Ewiggestrigen und Siffpunks. Zwischen den Heften wird kräftig gestichelt und sich über die jeweiligen Charakteristika des anderen lustig gemacht. Langeweiler gegen Stumpfpunks oder Spaßverderber gegen Prolls.

Im ersten Plastic Bomb will man gefälligst von allem etwas und jeweils natürlich das Beste. Michael Will und mich eint diese visionäre Version der Geschichte. Neben der geliebten „Ja, ja, die“ Punkmusik sollte es auch um Fußball und Politik gehen. Wohlwollend kann ich heute statuieren, dass das gelebte Fußballfantum mit den Schalke-Fans gegen rechts und der Zebracore-Geschichte später die Anfänge einer antifaschistischen Fußballszene begleitete. Politisch war es ein enthusiastisches Dagegensein (inklusive RAF-Artikel), was sicher besser ist als nichts. Schon damals dabei war ein gewisser Tom van Laak, der hier im Ox ja mit seiner gelebten Autobiografie die Leser zum Mitfiebern veranlasst. Auch Tom Tonk steuerte ein lesenswertes RICHIES-Interview bei. An WINDSCALE und MOVE ON hingegen erinnert man sich heute nicht mehr. NOFX begannen gerade richtig durchzustarten und auch von PIG MUST DIE erwartete man dieses. Insgesamt merkt man dem Heft an, dass noch eine gehörige Lücke zwischen Anspruch und Realität klaffte. Aber man darf nicht vergessen, dass sich hier Autodidakten austobten, die in der Schule eher nicht mit guten Zeugnissen geglänzt hatten. Die internen Inspirationsquellen wurden mittels legaler und illegaler Rauschmittel angezapft, was seit Bukowski ja als legitimes Mittel der schreibenden Zünfte gilt. Dem Heft traute man es nicht unbedingt zu, für viele weitere Jahre in den Fanzine-Olymp aufzusteigen und eine Auflage von bis zu 12.000 Exemplaren zu erreichen, auch wenn solche Absichten durchaus formuliert wurden. Die erste Bombe sticht in erster Linie dadurch heraus, dass die Macher ziemlich viel von sich selbst preisgaben, es hatte auch danach oft den Charakter von Ego-Zines, wenn hier auch mindestens vier Egos präsentiert wurden.