PITMEN

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Ruhrpott-Psychobilly

Es war eine Weile ruhig geworden um die PITMEN aus dem Ruhrgebiet, denn die Psychobilly-Band hatte sich nach ihrem zweiten Longplayer und etlichen Konzerten eine Auszeit gegönnt. Seit gut vier Jahren treten sie wieder häufiger auf, spielten live schon neue Songs, und nun kommt ihre erste Platte „Listen To The Engine“ erstmals auch auf Vinyl auf den Markt. Zu den Hintergründen wurde Sänger Christian Waleschkowski befragt.

Ein kurzer Abriss zur aktuellen Bandsituation bitte.

Grischa hat die Band Mitte der Neunziger ins Leben gerufen und ist seitdem Kontrabassist. Er und ich haben uns als nicht ganz so alte Psychos in Essen kennen gelernt. Früher hat er auch noch mehr Grunzlaute von sich gegeben, das vermisse ich sehr. Holger spielt die erste Gitarre. Von ihm weiß man nicht so viel, außer dass er mit seinen ca. 20 Gretsch-Gitarren schläft. Daniel Dolch stammt aus der Hardcore-Szene, ist trotzdem ein super Typ und trommelt sehr laut. Ich singe und begleite uns manchmal auf der Akustikgitarre.

Ihr seid mal auf dem besten Weg gewesen, in Deutschland eine feste Größe in der Szene zu werden, hattet durch den Einsatz der Akustikgitarre einen eigenen Sound. Aus welchen Gründen ist es rückblickend nicht weitergegangen?

Wieso in Deutschland? Wir sind auch schon vor der Pause in den Niederlanden, England, Spanien und Finnland aufgetreten und unsere Platten wurden auch in kalifornischen Plattenläden gesichtet. Meine Akustikgitarre konnte meistens live leider nur bei den Intros gehört werden. Es ging nicht weiter, weil mir nach zwei Alben keine guten neuen Lieder mehr eingefallen sind. Ich hatte mir damals schon alles von der Seele geschrieben und live wollte ich das Publikum nicht immer nur mit Schlucker Billy und Christina Applegate langweilen. Außerdem hatten wir alle noch andere Projekte am Start, bei denen mehr Neues passierte. Zum Beispiel ist Grischa seit ein paar Jahren Bassist bei DEMENTED ARE GO!.

Du lebst auch als Fan aktiv den Psychobilly ...

Vor allem bei Psychobilly rede ich ungern von „Fan“ im Sinne von „fanatisch“. Vielmehr sind gerade in dieser Szene so unheimlich viele Leute irgendwie kreativ und ich würde sie eher Anhänger oder Gleichgesinnte nennen. Der eine spielt in einer Band, der andere schreibt für ein Fanzine, die nächste entwirft Kleidung oder tätowiert. Die wenigsten, die aber auch nicht ganz unwichtig sind, sind reine Konsumenten.

Welche Bands haben dich in letzter Zeit beeindruckt?

BLUE CATS! Die sind zwar keine Psychobilly-Band, aber die haben mich live wirklich beeindruckt. Wir hatten in Finnland die Ehre, mit den Herren einen Pausenraum während eines Festivals zu teilen. Steve Whitehouse, den ich für den besten Slapbass-Spieler halte, ist ja ohnehin schon eine Bank. Aber das, was die Gebrüder Edwards an der Gitarre – und ich mag sonst keine Telecaster – und am Schlagzeug gezeigt haben, ebenso wie Clive Bradley am Mikrofon, der ebenfalls die Vorzüge einer Takamine EN20 zu schätzen weiß, war schon allerhand. An kleinen Bands fand ich die Teddy Boys STREAMLINE ROCKERS ziemlich geil und bei den TRILLIONAIRS ist Potenzial vorhanden.

Welche Veränderungen der letzten zehn Jahre würdest du gerne rückgängig machen?

Mir sind einige Festivals der letzten Jahre etwas zu groß geworden. Ich vermisse die Zeit, als man mit 300 Leuten Spaß haben konnte und nicht 900 Szenefremde einem die Luft zum Pogen weggeatmet haben. Es ist natürlich auch etwas Besonderes, wenn man bei Rock-Festivals vor 3.000 Leuten spielt. Aber 300 ist eigentlich eine Größe, die ich vor oder auch auf der Bühne am besten finde – wenn man als Zuschauer ohne bescheuerte Großbildleinwand erkennen kann, was auf der Bühne los ist, oder man hinterm Mikro die Gesichter der letzten Reihen erkennen kann. Auch acht Bands an einem Abend sind mir einfach zu viel. Gib mir einen Headliner, dazu eine oder zwei Bands wie PITMEN und eine Newcomer-Band und ich bin zufrieden.

Wie lässt du dich für neue Songs inspirieren, hat die Pause den Speicher für Themen wieder ausreichend aufgefüllt?

Ich schreibe immer noch über das Leben, Sterben, Trinken, Lieben, Hassen und was einen sonst noch so beschäftigt. Manchmal ist es eine Sitcom, manchmal ein nerviger Zeitgenosse. Mein Speicher ist übervoll. Deshalb vergesse ich Songideen immer noch so schnell. Wenn ich keine Gitarre dabeihabe oder nichts zum Aufschreiben, ist das Lied oft futsch.

Psychobilly lebt inhaltlich oft vom Horrorgenre und viele Bands bedienen sich auch dort für ihre Songideen.

Man darf auch die Science-Fiction-Einflüsse nicht außer Acht lassen. Es geht ja nicht nur um Horrorfilme, sondern auch mal um eine gruselige Geschichte. Ich selbst mag auch Horrorfilme, bin aber kein wirklicher Fan wie Ron Clark von BLINDING EYE DOG. Ich habe auch nicht den Anspruch, anderthalb Stunden gut gemachtes Kino auf dreieinhalb Minuten Zweivierteltakt zu pressen. Gute Horrorfilme sind beide „Nosferatu“-Fassungen, also Kinski und Murnau, die Freddy-Krueger-Filme Teil I und III und „Tanz der Teufel“. Bela Lugosi ist auch ganz groß, aber es gibt natürlich einen Unterschied zwischen Grusel und Horror. Von Splatter ganz zu schweigen.

Erinnerst du dich noch an die Frage: „Wie lange bist du schon drauf?“ – so wurden wir auf dem Weg zum ersten Psycho-Konzert noch „begrüßt“. Welche Erinnerungen kommen dir da?

Und ob! Im Sommer 1987 hatte ich das Glück, zu einer Gruppe von meist noch nicht ganz so lang drauf gewesen seienden zu stoßen, die mich dann nach nur wenigen Jahren akzeptierten. Auch heute würde es manch einem Neuling gut zu Gesichte stehen, etwas mehr Demut zu zeigen. Ich hielt mich damals in der Coesfelder Fabrik eher zurück, wenn die großen Onkels eine Stunde lang zu „Wreckin’ crew“ und „Holy Hack Jack“ abfeierten.

Was versprecht ihr euch von der Wiederveröffentlichung auf Vinyl?

Es ist die Idee von Bernd Schreiber von Mad Drunken Monkey Records und ich finde es einfach schön, dass, so wie es sich für Rock’n’Roll gehört, das erste Album nun endlich auch auf einem Plattenspieler abgespielt werden und man ein echtes Cover in Händen halten kann. CDs sind natürlich praktisch, aber was Richtiges ist schon Vinyl.

Wie ist dein Gefühl zur eigenen Platte, die jetzt noch einmal rausgeholt wird?

Schon nachdem die CD herauskam, hätte man einiges anders gemacht. Aber so ist das eben. Wir haben uns jedenfalls damals beim Aufnehmen und Korrekturhören sehr angestrengt und hatten trotzdem sehr viel Spaß dabei.

Wie sind die Pläne? Kann man sich auf neues Material freuen?

Wir arbeiten wieder an neuen Stücken, die man zum Teil auch schon live hören konnte, und freuen uns schon auf die nächsten Auftritte im April in Kiew und im Mai in Herne.