PETER CARSTENS / TURBOSTAAT

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My Little Drummerboy – Folge 7

TURBOSTAAT und HALLO KWITTEN sind zwei der deutschsprachigen Bands, die sich seit Jahren auf höchstem Niveau landauf, landab den Arsch abspielen und immer wieder durch ihre Symbiose aus großartigen Platten und starken Live-Auftritten überzeugen können. Motor beider Bands ist Peter Carstens, dem es immer wieder spielend gelingt, seine Bandkollegen auf der Bühne zu Höchstleistungen anzutreiben. So soll es sein und daher wurde es auch höchste Zeit, Peter in der Serie unserer Lieblingstrommler endlich mal zu Wort kommen zu lassen.

Peter, hast du schon als kleiner Junge auf den Kochtöpfen deiner Mutter herumgetrommelt oder bist du erst durch Freunde zum Trommeln gekommen?

Ich bin tatsächlich die zweite Kategorie und eigentlich erst recht spät eingestiegen. Ich war also nie dieser hypernervöse Jüngling, der überall auf dem Tisch herumgehauen hat, sondern habe erst 1988 im Alter von 19 Jahren als Schlagzeuger angefangen. Das war tatsächlich schon sehr sehr spät, aber damals ging es darum, eine Band zu gründen, und dann wurden halt die Instrumente verteilt. Ich hatte mal bei einer Projektwoche in der achten Klasse ein paar Tage Schlagzeugunterricht und das hat dann als Kriterium ausgereicht, um in der Band Schlagzeug zu spielen. Das waren damals Kumpels aus Husum, wobei eigentlich nur der Gitarrist ein bisschen mehr auf dem Kasten hatte und wir dann erst im Laufe der Zeit zu einer Band zusammengewachsen sind. Wir hießen WIDERSTAND und das war eine gute Geschichte für uns, die aber über lokalen Status nie hinausgegangen ist. Wir haben Songs gegen das Regime in Südafrika und über solche Themen gemacht und haben im Radius von 50 Kilometern überall gespielt, wo man uns haben wollte.

Hattest du damals schon ein eigenes Schlagzeug?

Nein, dass erste eigene Schlagzeug habe ich mir tatsächlich erst für die Band gekauft. Damals kostete ja ein komplettes Schlagzeug noch 300 Mark inklusive dem kompletten Beckensatz, wo man heute für dieselbe Summe in Euro gerade mal ein Ridebecken bekommt. Aber damals war das noch egal und es musste halt erst mal richtig knallen. Ich bin auch heute noch kein Soundfetischist und damals noch viel weniger.

Hattest du nach deinem Start manchmal das Gefühl, es wäre nicht schlecht, mal ein paar Stunden Unterricht zu nehmen?

Nein, ich habe eigentlich immer autodidaktisch weitergemacht, was vielleicht auch nicht so ganz klug gewesen ist, weil ich mit dem Bisschen, was mir an Talent in die Wiege gelegt worden ist, auch nicht wirklich weit komme. Ich kann jetzt auch immer noch nicht wirklich was anderes spielen als in einer Punkband, aber letztlich wollte ich ja auch nie Schlagzeuger werden, sondern ich wollte in einer Punkband spielen. Ich hatte mir ja nie das Schlagzeug bewusst als Instrument ausgesucht. Es hätte zu dem Zeitpunkt genauso gut Gitarre sein können, wenn ich irgendwann mal eine Gitarre in der Hand gehabt hätte. Aber es hätte nie Keyboard oder Glockenspiel sein können, es war halt klar, dass es Bass, Gitarre oder Schlagzeug sein musste, und während dieser Projektwoche hatte ich halt Viervierteltakt gelernt und dabei ist es eigentlich auch bis heute geblieben.

Ärgert es dich rückblickend, dass du nie irgendwelche komplizierten Samba-Rhythmen gelernt hast?

Auf der einen Seite ist es schon schade, dass ich nichts großartig anderes machen kann, aber auf der anderen Seite will ich jetzt zur Zeit auch gar nichts anderes machen. Aber später – im fortgeschrittenen Alter – könnte ich mir durchaus vorstellen, auch mal in einer Jazz-Band zu spielen, denn das ist auch so eine Geschichte, die ich sehr gerne höre. Da muss man dann natürlich auch noch ein paar andere Sachen draufhaben, aber auch dann wird es mit den richtigen Leuten schon passen. Das sehe ich ja jetzt auch, wo ich gelandet bin. Da spielt es keine Rolle, dass ich nicht großartig technisch versiert bin. Wir sind als Band über zehn Jahre unterwegs und haben halt unseren Style gefunden. Dann passt es halt und es wird kein Schlagzeuger verlangt, der ganz komplizierte Fills oder so einen Kram spielt. Der Sound ist halt etwas aufgeräumter und sparsamer, wobei zur Beat-Untermalung auch schon mal ein paar Akzente gesetzt werden, obwohl ich bis heute nicht das Wirbeln gelernt habe. Aus diesem Grund habe ich dann sogar irgendwann die Hängetoms weggelassen, denn es brachte einfach nichts. Ich konnte damit einfach nichts anfangen, weil ich keinen großartigen Wirbelkram hinbekommen habe. Das klang bei mir immer, als ob jemand einen Sack Kartoffeln auskippt. Dementsprechend habe ich das auch immer weiter reduziert, aber weniger geht jetzt wohl nicht mehr, dann wäre ich doch zu sehr eingeschränkt.

Hat sich schon mal jemand aus der Band zu deinem reduzierten Set geäußert?

Vielleicht hat das mal einer gedacht, aber bisher hat sich dazu keiner geäußert. Es war ja auch von Anfang an klar, welche Fähigkeiten man hat, und die waren und sind halt immer noch ausreichend. Viel weniger dürfte es wahrscheinlich nicht sein, aber so ist es für alle okay.

Auf allen TURBOSTAAT-Platten fällt immer der besondere Drive auf, der den Sound der Band ausmacht. Wie würdest du deinen Stil beschreiben, der ja doch maßgeblich zum Sound der Band beiträgt?

Den eigenen Stil kann man ja immer nur schwer beschreiben, aber durch das reduzierte Schlagzeug ist es letztlich schon so, dass ich versuche, den Beat besonders kraftvoll zu spielen. Ich spiele also mehr aus dem Bauch heraus und versuche nicht besonders viel zu zaubern. Das geht schon immer voll auf die Zwölf und es wird kräftig reingehauen, damit der Sound ordentlich knallt. Ich versuche, so ein Grundgerüst zu schaffen, das dann die Band richtig gut treibt.

Nach elf Jahren TURBOSTAAT und vier LPs tritt eine technische Weiterentwicklung doch automatisch ein?

Das bleibt natürlich nicht aus und ich finde es halt immer wieder faszinierend, mit wie wenig technischer Raffinesse man so weit kommen kann. Wir sind ja auch nie eine Proberaum-Band gewesen, sondern haben kurz nach unserer Gründung gleich die ersten Konzerte gespielt. Wir wollten gleich raus aus dem Proberaum und nicht erst proben, bis der Arzt kommt. Wir wollten immer live vor Leuten spielen und uns nicht jahrelang im Proberaum verkriechen, bis die Instrumente einen beherrschen. Das widerspricht ja auch der D.I.Y.-Punkrock-Attitüde. Du willst eine Band, dann mach eine Band. Mach dein Ding, egal, ob du ein Instrument beherrschst oder nicht, das lernst du dann schon irgendwann. Über die zehn Jahre ist es natürlich nicht ausgeblieben, dass man mit der Zeit auch besser wird.

Dann ist die Frage „Studio oder live“ für dich sicherlich kein Thema?

Auf alle Fälle präferiere ich live zu spielen, denn im Studio wird man doch ziemlich schnell damit konfrontiert, wie limitiert man eigentlich ist, weil man halt doch viel exakter und sauberer spielen muss. Außerdem hört man seinen Kram viel genauer, weil er viel mehr auseinander genommen wird. Live läuft ja auch viel über die Lautstärke, und wenn man sich dann im Studio die einzelnen Drumspuren anhört, ist das schon ein großer Unterschied. Besonders, wenn man sich dann zum Beispiel fragt: „Was macht der da schon wieder mit der Bassdrum?“ Aber da wir zum Glück die letzten Platten live eingespielt haben, war das kein so großes Problem.

Habt ihr alle eure Platten live eingespielt oder habt ihr auch schon mal einzeln aufgenommen?

Die ersten beiden Platten haben wir einzeln eingespielt und bei den letzten beiden war es live. Witzigerweise die beiden, die wir auf dem Major mit Geld und großer Produktion gemacht haben. Da wurde es dann so, wie man es eigentlich früher hätte machen sollen: Man baut sich zusammen im Studio auf und spielt halt eigentlich wie bei einem Konzert seinen Kram runter.

Wie hat sich für dich als Schlagzeuger die Situation durch euren Major-Vertrag geändert?

Also das Drumset bekomme ich nicht umsonst gestellt, aber die Becken, die ich benötige. Meine Ride- und Crash-Becken halten in der Regel ein Vierteljahr, und wenn die ausgetauscht werden müssen, bekomme ich sie sofort. In meinem Fall ist das von Paiste die Alpha-Serie im unteren Preissegment. Der Deal ist über unser Management zustande gekommen, die da die richtigen Leute kannten, und dann hatte ich Glück, dass ich ausgewählt wurde. Beim Schlagzeug selbst hat mich vor kurzer Zeit bei einem Gig, als wir in Zürich auf Tour waren, ein Typ angesprochen, der sich bei mir als Schlagzeugbauer vorgestellt hat. Der hat mit seinem Bruder eine eigene kleine, feine Firma und hat mir dann angeboten, er würde mir gern ein maßgeschneidertes Schlagzeug bauen. Erst dachte ich natürlich, dass wäre jetzt in der Konzertlaune nur so daher gesagt, aber als wir nach der Tour wieder zu Hause waren, habe ich tatsächlich eine Mail von dem Typen bekommen, in der er mich fragt, was ich mir denn so vorstellen würde. Da war ich natürlich erst mal platt, weil das jetzt wirklich konkret zu werden scheint und ich auch noch gar keine wirkliche Vorstellung habe, wie denn nun mein Traumschlagzeug aussehen soll. Da ich mit meinem Schlagzeug eigentlich total zufrieden bin, habe ich ihm dann gesagt: „Ich will eigentlich dasselbe – was ich jetzt habe – nur noch mal von dir neu gebaut.“

War Doublebass für dich mal ein Thema?

Ich hatte schon mal eine, aber halt keine Doublebass, sondern nur eine Doppelfußmaschine. Metal ist ja für mich gar nichts und mochte ich auch noch nie. Ich war auch nicht erst Metaller und dann Punker, weil ich Metal immer grauenvoll fand. Dementsprechend war auch dieses ganze Schlagzeuggewichse nichts für mich. Ich hatte dann aber nach meiner ersten Punkband auch eine Hardcore-Band und da musste Doublebass dann schon mal sein. Die Doppelfußmaschine habe ich damals für ein paar Betonungen eingesetzt, ohne jetzt gleich so ein Doppelbassgewitter durchzuziehen.

Hattest du am Start deiner Karriere irgendwelche Vorbilder unter den damaligen deutschen Punkrock-Drummern?

Nein, tatsächlich gar keine, ich bin da völlig vorbildfrei. Ich fand zwar so die ganzen Hamburger Bands, ANGESCHISSEN, DACKELBLUT und die ganzen Rachut-Bands immer gut, aber ich wollte halt einfach in einer Band spielen und habe mich nie groß an dem orientiert, was andere Drummer so machen.