Vier Jahre nach ihrem letzten Album „Periphery IV: Hail Stan“ kommen die Amerikaner dieser Tage mit „Periphery V: Djent Is Not A Genre“ um die Ecke. Wir sprechen mit den beiden Gitarristen Misha und Jake nicht über den Titel des Albums, dafür aber über dessen schwierigen Entstehungsprozess.
Wie kamt ihr auf die Idee, Zagreus, den Namen des Hauptcharakters des Spiels „Hades“ als Songtitel zu nutzen?
Misha: Ich habe sehr viel „Hades“ gespielt. Das Thema des Liedes passt ungefähr zum Spiel. Wir haben immer ein bisschen Spaß mit unseren Songtiteln. Fast alles wird in unserer Band demokratisch entschieden. Einzig, wenn Spencer der Meinung ist, dass ein Name gar nicht passt, schreitet er ein. Wir alle haben zu der Zeit aber viel „Hades“ gespielt, außer Jake, der war, glaube ich, zu sehr in „Final Fantasy XIV“ vertieft und hatte sonst für kein anderes Spiel Zeit. Ich wollte unbedingt diesen Tag, der abgespielt wird, wenn du stirbst, in einem Lied unterbringen. Das kam mir lustig vor und macht die Sache rund. Viele haben, nachdem wir den Song auch als Single rausgebracht haben, dieses kleine Easteregg entdeckt. Lasst uns zusammen Nerds sein!
Wie wichtig ist es für euch als Band, die Hörer mitzunehmen, ihnen einen Einblick zu geben und nicht wie die technisch versierten Künstler in ihrem Elfenbeinturm zu erscheinen? Ich denke da auch an die Dokumentationen, die ihr mittlerweile immer zu euren Alben herausbringt.
Jake: Zu Beginn war das eigentlich nicht als große Sache geplant. Unser guter Freund Jeff, Marks Bruder, hatte mal damit angefangen, Behind-the-Scenes-Material zu filmen, diese kleinen Schnipsel aufzunehmen. Wir fanden dann, dass er dafür Talent hat und so wurde es irgendwie zu einer Tradition. Er macht das einfach super gut und muss diesen Job jetzt immer machen. Wir saßen aber nie zusammen und haben uns überlegt, dass wir nun immer eine Doku veröffentlichen. Es war einfach ein glücklicher Umstand. Es ist cool, weil die Musik zwar für viele sehr ernst klingen mag, aber in diesen Videos lernen sie uns noch einmal von einer anderen Seite kennen. Wir nehmen uns nicht sonderlich ernst. Oft ist einfach zu sehen, wie wir zusammen abhängen. Das ist cool, wenn die Leute das mitbekommen. Wir sitzen nicht die gesamte Zeit hinter einem Computer und arbeiten.
Wie lief der Schreibprozess dieses Mal konkret ab?
Misha: Es war wesentlich schwieriger, unsere früheren Alben kamen einfacher zustande. Der Unterschied zwischen „Periphery III“ und „Periphery IV“ war zum Beispiel, dass wir uns wesentlich mehr Zeit zum Schreiben genommen hatten, aber auch das Material haben wachsen lassen. Dadurch konnten wir vor allem den Recency Bias umgehen. Wenn du etwas mal einen längeren Zeitraum liegen lässt, in der Zwischenzeit etwas anderes tust und dann zurückkehrst, erkennst du erst wirklich, was du davon hältst. Dieses Mal kamen die Pandemie und der Umstand, dass wir alle an verschiedenen Orten leben, zusammen. Auch hat der Ansatz, den wir zu Beginn gewählt hatten, nicht funktioniert. Es gab sehr viele Sessions, in denen wir Material geschrieben haben, das nie verwendet wurde. Das waren bestimmt Songs für zwei Alben. Wir haben so versucht uns etwas anzunähern, mit dem wir zufrieden sind. Der Standard, den wir von uns erwarten, ist mittlerweile wirklich sehr hoch. Es ist dadurch wesentlich schwieriger, da hinzukommen. Während des Prozesses fühlte sich das zweitweise unmöglich an für mich, ich denke, da ging es den anderen in der Band aber nicht anders. Wenn uns kein Album gelungen wäre, das gut genug ist, hätten wir es nicht veröffentlicht, sondern uns mehr Zeit genommen. Bis wir etwas gehabt hätten, auf das wir stolz sein können. Es gab Zeiten, in denen ich nicht wusste, wir wir das erreichen sollen. Aber dank der Jungs und der gegenseitigen Unterstützung haben wir diese Phasen durchgestanden. Das war wirklich gut. Wenn ich mich in der Zukunft wieder einmal so fühlen sollte, kann ich immer auf den Prozess zurückschauen und mich erinnern, wie wir da rausgekommen sind.
Was sind das für Standards, die du erwähnt hast? Sind die genau definiert oder sprechen wir hier eher von einem Gefühl?
Misha: Die sind eher abstrakt. Ich würde das wirklich einfach als ein Gefühl beschreiben. Wir schreiben nun so lange zusammen Musik und arbeiten so eng und gut zusammen. Ich weiß, dass wir in der Lage sind, etwas hinzubekommen, das uns fünf gefällt. Das erkennst du einfach, wenn du es hörst. Wenn aber nur drei oder vier von uns etwas gut finden, weiß ich nicht nur, dass wir etwas verbessern müssen, sondern fühle mich auch irgendwie schlecht. Ich möchte nicht, dass sich ein Bandmitglied mit einem Part nicht wohl fühlt. Dann überarbeiten wir den Teil oder machen mit etwas anderem weiter, bei dem wir alle einer Meinung sind. Mittlerweile sind wir alle sehr anspruchsvoll, was einzelne Parts angeht. Manchmal ist es auch total frustrierend und demoralisierend, wenn wir an einem Stück arbeiten, das erst einmal jedem gefällt, bei der nächsten Session, ein paar Monate später kommt jemand an uns sagt, dass er einen Teil davon nicht mehr mag. Manchmal bin das auch ich, der ankommt und sagt, dass ich diese oder jene Idee nicht mehr mag. Dann arbeiten wir entweder weiter daran oder verwerfen sie. Was würdest du sagen, Jake?
Jake: Ich denke, das Wichtigste, das du gesagt hast, ist, dass du merkst, dass etwas passt, wenn du es hörst. Wenn die Einzelteile ineinander greifen und es klickt, merkst du das einfach. Es fühlt sich einfach richtig an. Leider ist das die beste Art, diesen Vorgang zu beschreiben. Du müsstest dabei sein, um zu verstehen, wovon wir sprechen – was natürlich schwierig ist. Ein weiterer Umstand, der die Arbeit an diesem Album verkompliziert hat, ist, dass wir alle unsere Produzentenrolle weiter ausbauen mussten. Zum Beispiel hatte Spencer irgendwann im Laufe des Prozesses Probleme, etwas zu arrangieren. Ich habe ihm dann vorgeschlagen, dass ich mich an den Computer setze, er mir sagt, was er hört , und wir den Song so neu arrangieren. So haben wir zum Beispiel sichergestellt, dass alle immer an Bord bleiben. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das jemals zuvor auf diese Weise gemacht haben. Spencer hat noch nie eingebracht, was er in seinem Kopf hört. Das hat sich aber am Ende ausgezahlt. Spencer war dadurch auch inspirierter, als er seinen Gesang geschrieben hat. Er hatte eine viel tiefere Verbindung zu den Arrangements. So hat ihm die gesamte Sache mehr Spaß gemacht.
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