PASCAL BRIGGS, SEAN WHEELER & ZANDER SCHLOSS

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Kohlenstaub und Wüstensand

Ich kannte die Musik von Zander Schloss lange, bevor ich mit seinem Namen vertraut war. Spielt(e) er doch bei CIRCLE JERKS, WEIRDOS und DIE HUNNS, sowie mit Mike Watt, Stan Ridgway und zig anderen. Als ich anfing, mir meine eigene musikalische Welt jenseits der Radiocharts der Achtziger und der Plattensammlung meiner Eltern aufzubauen, waren „Rum, Sodomy & The Lash“ von den POGUES und das erste SPECIALS-Album zwei meiner liebsten Platten. „Platten“ heißt in diesem Fall eigentlich eher Tapes, denn ich bin in einer kleinen Stadt im Niemandsland ganz im Westen von Deutschland aufgewachsen.

Alles, was irgendwie mit Subkultur oder Underground jeglicher Form zu tun hatte und an meine Ohren drang, war spannend und aufregend, hatte aber bereits einen weiten Weg zurücklegt, von London, L.A. oder San Francisco. Zu dem Zeitpunkt, als es in meinen Breitengraden mit ein paar Jahren Verspätung ankam, war es meist von mangelhafter Qualität, von einem zum anderen Tape kopiert, vom älteren Bruder von der Freundin eines Freundes weitergereicht. Und so hatte ich eben auch noch nie von einem Mann namens Elvis Costello und seinem songwriterischem Genie gehört, und noch länger brauchte ich, um herauszufinden, dass er die zwei oben erwähnten Alben produziert hat und somit half, meine Teenagerjahre zu retten. Mit dem CIRCLE JERKS-Bassisten Zander Schloss verhielt es sich ähnlich.

Sean Wheeler ist ein Musiker aus der Wüste Kaliforniens, ich kenne seine Band THROW RAG noch von den „Old Skars & Upstarts“-Compilations. Als Sean mich vor ein paar Monaten anschrieb, um zu fragen, ob ich es für eine gute Idee halten würde, mit ihm und Zander in Europa auf Tour zu gehen, musste ich nicht eine Sekunde nachdenken. Ich hielt es sogar für eine sehr gute Idee. Und je mehr ich über Sean erfuhr, der mühelos einem Jim Jarmusch-Film entsprungen sein könnte, desto mehr freute ich mich auf die gemeinsame Tour mit meiner neuen Band THE STOKERS.

Als das Ox vorschlug, uns gegenseitig zu interviewen, nahm ich die Gelegenheit wahr, den Dialog aufzunehmen, um die Herkunft der beiden schon im Vorfeld etwas zu durchleuchten, und warum es mir so wichtig ist, diese Tour zu spielen, in deren Vorfeld auf Mad Drunken Monkey Records auch ein Split-Album jener Bands erschien.


Pascal: Sean, du bist in der Wüste Kaliforniens aufgewachsen, Zander kommt aus L.A. Eure Musik ist stark beeinflusst vom Bluegrass und anderer amerikanischer Roots-Musik. Seid ihr in eurer Kindheit ganz selbstverständlich damit in Berührung gekommen, wird diese Musik immer noch von Familienmitgliedern bei bestimmten Anlässen gespielt, oder habt ihr sie für euch wieder entdecken müssen, als ihr bereits Musiker gewesen seid?

Zander: Geboren wurde ich in Missouri, wo es ein großes musikalisches Country- und Bluegrass-Erbe gibt. Besonders in den Ozarks und in Branson, Missouri. Meine Heimatstadt St. Louis hat Leute wie Chuck Berry, Miles Davis, Ike & Tina Turner und B.B. und Albert King beherbergt, also gab es dort eine Menge Blues, Jazz, Soul, R&B und natürlich Rock’n’Roll. Ich war durch meine Geschwister jeder Art von Musik ausgesetzt, darunter viel Motown. Hippie-Rock aus San Francisco kam von meinen Schwestern, und die Basics wie ROLLING STONES und BEATLES von meinem Bruder. Als ich zwölf war, trennten sich meine Eltern. Ich verbrachte dann viel Zeit mit meiner Mum, bekam einen Job als Hausmeister in einer Bonbonfabrik und sparte Geld für meine erste Gitarre. Ich entstamme drei Generationen von Künstlern väterlicherseits und drei Generationen von Metzgern mütterlicherseits. Musiker gab es auf keiner Seite. Statt zum Fleischbeil griff ich lieber zum Pinsel, ließ ihn aber schnell wieder fallen, als ich meine erste Gitarre in die Hand bekam. Jemand gab mir Bob Dylans „Anthology“, das auch seine Texte, Zeichnungen, Gedichte umfasst. Und eine Kopie vom „Nashville Skyline Rag“-Album – das Album, wo er seinen Zylinder antippt, eine Gitarre hält und die Mundharmonika-Halterung um den Hals trägt. Ich erwarb daraufhin einen Zylinder, eine Mundharmonika und auch einen Mundharmonika-Halter und erlernte jedes Stück auf dem Album nach Gehör. Ich malte ein lebensechtes Porträt von mir selbst, als ob ich Bob Dylan auf diesem Plattencover wäre, und war wie verwandelt. Danach verschlang ich jede Form von Country, Folk und Bluegrass, die ich finden konnte, von Kris Kristofferson über Doc Watson bis hin zu FLATT & SCRUGGS, die alle diesen Plektrum-Gitarrenstil spielen, den ich bei den SEAN & ZANDER-Sachen benutze. Seitdem habe ich mir viele musikalische Stilrichtungen angeeignet, Rock, Jazz, Funk, Punk, Latin, bis hin zu Orchestermusik und Filmsoundtracks. In etwa in dieser Reihenfolge. Einiges war komplizierter, aber in jedem Fall wert, es zu erlernen und zu versuchen, es zu beherrschen. Meine Reise hat mich nun zu meinen bescheidenen Anfängen zurückgeführt, mit den Sachen, die ich jetzt mit Sean mache.

Pascal: Das Dylan-Plattencover kenne ich, denn mein Vater nannte eine respektable Plattensammlung sein Eigen, wobei der einzige Unterschied zu den meisten anderen Sammlungen darin bestand, dass es sich zu 90% um Bob Dylan-Platten handelte, inklusive aller Arten von Bootlegs und Raubkopien. Nachdem er von Yorkshire nach Deutschland zog und Geschäftsmann wurde, hatte er nur noch wenig Zeit zum Musikhören. Irgendwann schenkte er mir dann einen Großteil der „Nicht-Dylan“-Platten, was nicht das Schlechteste war, waren darunter doch die Stones, die DUBLINERS, Bob Marley, Jimi Hendrix, Johnny Cashs „Live At San Quentin“ und eine British-Rock-Compilation, auf der THE WHO mit „Pinball wizard“ zu hören waren. Eine Dylan-Platte hätte er mir aber wohl niemals gegeben. Ich bin bei meiner Mutter großgeworden, aber jedes Mal, wenn ich meinen Vater besucht habe, spielte ich tagsüber, wenn er bei der Arbeit war, die Bob Dylan-Platten und sie zogen mich in eine andere Welt. Ich erlernte seine Songs und kannte die Texte, bevor ich sie wirklich begriff. Es gab dort auch ein überlebensgroßes Porträt von ihm, mein Vater hatte ihn mit einer Tarantel auf der Wange gezeichnet. Ich hörte dann aber als Teenager auf, meinen Dad zu besuchen, denn in einem natürlichen Zustand der Rebellion wollte ich wenig mit dem Hippie-angehauchten Erbe meiner Eltern zu tun haben ... vorerst.

Sean: Ich habe Bilder von meinen Großonkels, wie sie auf der Familienranch herumsitzen, vor langer Zeit. Sie hätten auch eine Platte aufgenommen, hat meine Großmutter mir erzählt, aber ich habe sie nie gehört. Aus einer Familie von Pionieren im alten Westen kommend, hab ich’s also im Blut. Als ich aufwuchs, hörte ich mir an, was auch immer im Radio so lief. Vor 1983 habe ich nicht angefangen, Hank Williams Sr. und den alten Country zu hören, sondern überwiegend Ska und Punkrock ... und viel Reggae.

Zander: Was ist dein Lieblingsmoment in Zander Schloss’ langer und legendärer musikalischer Geschichte?

Pascal: Beinhaltet das deine Rolle als „Kevin the Nerd“ in „Repo Man“? Vor fünf Jahren bin ich mal in einer Aufnahmesession bei Vom Ritchie gelandet, um mit ihm und ein paar Freunden eine Version von „I wanna destroy you“ aufzunehmen. Ich hatte die Originalversion der SOFT BOYS bis dahin noch nie gehört, lediglich die von den CIRCLE JERKS. Das Sitar-Intro ist ein Zander Schloss-Highlight!

Tatsächlich gab es einige Momente in meinem Leben, in denen ich mit Zander Schloss’ musikalischer Karriere in Berührung kam. Meine Teenager-Jahre waren von vielen Verwirrungen begleitet, wie es ja meistens auf die eine oder andere Weise der Fall ist. Mein älterer Bruder war ein Skinhead und ich befand mich inmitten eines Skinhead-Umfelds, welches zu dem Zeitpunkt, als die Achtziger in die Neunziger übergingen, verstärkt von rechtsextremen Ideologien infiziert war. Da war ich noch in meinen frühen Teenager-Jahren, und die verschiedensten Dinge übten eine große Anziehungskraft auf mich aus, es hieß SKREWDRIVER vs. SKATALITES. Eine meiner frühesten Berührungen mit „Country-Musik“ war ein Tape mit musikalisch untermalter Ku-Klux-Klan-Propaganda, das mein Bruder mitbrachte. Als ich in eine Schule in der nächst größeren Kleinstadt überwechselte, freundete ich mich mit ein paar Skatepunk-Kids aus meiner neuen Klasse an. Aber ich hing immer noch jeden Tag mit einer Gang von meist älteren Nazi-Skins auf der Straße rum. Abgefuckte Existenzen, Hakenkreuz-Tattoos, nichts zu verlieren. Wir machten jede Menge Ärger, nichts worauf man stolz sein könnte. Eines Tages kamen meine Klassenkameraden vorbei, einer mit einem CIRCLE JERKS-Logo auf seiner College-Jacke. Meine Gang lief ihnen hinterher, um sie zu drangsalieren. Ich musste also Stellung beziehen, und sagte meinen Nazi-Freunden, sie sollen die anderen in Ruhe lassen, und wechselte kurze Zeit später schließlich endgültig die Seiten. Der Typ mit dem Schriftzug auf der Jacke wurde dann der Schlagzeuger in meiner ersten Band und brachte mir die Musik von BLACK FLAG, THE AVENGERS, DEAD KENNEDYS und eben CIRCLE JERKS näher. Er war etwas älter, mit Sicherheit cleverer als ich und hat mir viel mit auf den Weg gegeben. Ich gab ihm dafür die „Hippie“-Platten von meinem Vater mit ... verdammt!

Zander: Und wer ist eigentlich Sean Wheeler?

Sean: Nach dem Jahrtausendwechsel stand ich vor dem Nichts, hatte meine Bands hingeschmissen und war gelangweilt. Das Letzte, was ich aufgenommen hatte, war eine Single mit Duane Peters, mit einer Tom Waits-Coverversion auf der B-Seite, die zu meinen ersten Gehversuchen gehörte, den üblichen musikalischen Punkrock-Rahmen aufzubrechen. Meine Ideen schienen aber ansonsten kaum realisierbar und fanden oft wenig Anklang in den Kreisen der Musiker, in denen ich mich bewegte. Ich zog mich eine Weile aus dem Rock’n’Roll-Treiben zurück, und lebte schließlich ein paar Jahre in einer Art Zirkuswagen zusammen mit einem Haufen anderer Aussteiger, Möchtegern-Zigeuner und „Modern Primitives“ zusammen – Wasser aus Kanistern, keinerlei Stromversorgung, und so weiter. Alles, was ich hatte, war ein Ghettoblaster, der mit Batterien lief. Ich war der verzerrten Gitarren und herausgeschrienen Lyrics überdrüssig geworden, es schien meinem Lebensgefühl nicht mehr zu entsprechen. Stattdessen verbrachte ich meine Tage damit, Nick Lowe- oder Woody Guthrie-Kassetten zu lauschen, oder einem Tape mit Bluegrass-Musik, das mein Nachbar Long Shot Hooky bei einem Trip in die Rocky Mountains einer Straßenband abgekauft hatte. Hooky führte mich auch an die Musik von Hank Williams und Townes van Zandt heran, die mir zusammen mit einem oft spärlich gefütterten Kohleofen über die kalten Winternächte half. Und es waren auch diese Art von Songs, die wir abends am Feuer spielten, vor dem Wagen sitzend, manchmal mit Freunden und Freundinnen, die Lippen geschwärzt von Qualm und Rotwein. Aber allen voran war es wohl Joe Strummer, dessen Musik mein Verlangen beflügelte, die Idee von Punkrock musikalisch und kulturell zu öffnen, auf meine ganz eigene Art, und mich nicht auf verzerrte Gitarren und eindimensionale Lyrics zu beschränken. Als er mit den MESCALEROS wieder auf der Bildfläche erschien, knüpfte er in meinen Augen genau da an, wo THE CLASH aufgehört hatten, und ich fing an, mich mehr mit dem Solokünstler Strummer zu beschäftigen. Ein Punkrocker, der ein paar Jahre älter war, machte mir ein Tape mit Songs vom Strummer-Album „Earthquake Weather“, und zwar „Gangsterville“ und „Ride your donkey“ ... Ich wusste nicht, dass der Mann, der hier Gitarre und Banjo spielte, Zander Schloss hieß. Aber obwohl ich damals überwiegend von dem lebte, was andere Leute wegwarfen, war ich nicht faul, und unter diesen Einflüssen schrieb ich die meisten Songs, die später mein Album „The Mercenary“ ausmachten.

Zander: Pascal, ich habe gesehen, dass du in der Vergangenheit auch solo gearbeitet hast. Hat es dir Spaß gemacht, auf dich selbst gestellt zu sein? Nachdem du jetzt mit der neuen Band aufnimmst und tourst, kannst du nun die Unterschiede in deiner Vorgehensweise beschreiben? Ist es eine kollektive Anstrengung oder hauptsächlich immer noch Pascal Briggs, der als die leitende Kraft die Musik und das Geschäft dirigiert?

Pascal: Die Zeit alleine auf Tour war sehr wichtig für mich und tatsächlich hilfreich bei der Selbstfindung nach einer kreativen Krise. Ich war viel alleine mit der Bahn unterwegs, habe nur mit der Gitarre halb Europa bereist, von Tschechien bis ins Baskenland und runter nach Andalusien. Das schafft einen klaren Kopf, denn wenn der Körper in Bewegung ist, bekommen auch Geist und Seele neuen Schwung. Ich habe aufgehört mit jeglicher Form von Drogen und war stattdessen von einer großen Rastlosigkeit getrieben. Und auch mein Album in Eigenregie herauszubringen, war eine große Herausforderung. Schließlich kämpfe ich bei diesen Prozessen manchmal gegen meine inneren Dämonen, auf jeden Fall aber immer gegen einen Haufen gut ausgebildeter Neurosen und letztendlich wohl immer gegen mich selber. Aber schon das alles hätte ich nie ohne die Hilfe von Freunden fertigbringen können. Sei es Muttis Booking, was das Touren angeht, oder die Produzenten und Musiker, die mich bei den Aufnahmen trotz des ganzen Chaos’ unterstützt haben. Und jetzt hat das Ganze eine neue Qualität, denn die STOKERS sind tatsächlich die erste Band, die ich selber mitbegründet habe. Das hat den Vorteil, dass ich in diesem Verbund von Musikern zum ersten Mal sagen kann, ich respektiere die Meinung aller wie meine eigene. Mittlerweile suche ich den Dialog mit der Band, alle steuern ihre Ideen zu den Songs bei. Im Idealfall habe ich beides, die einsamen Momente und die Möglichkeit, einer festgefahrenen Angelegenheit durch die Perspektive im Spiegel des Gegenüber neue Impulse zu geben. Oder jemand inspiriert mich mit einer Idee, und im Stillen spinne ich daran weiter. Es gibt nichts Absolutes, jeder Song entsteht anders. Bei den Aufnahmen stehen akribisch komponierte Stücke oft Arrangements gegenüber, bei denen die STOKERS einfach improvisieren, der Intuition freien Lauf lassen und spontanen Einfällen folgen.

Sean: Was ist ein Stoker? In Südkalifornien ist „stoked“ ein Slang-Wort für „begeistert“.

Pascal: In England ist ein Stoker zum Beispiel ein Heizer auf einer Lokomotive oder einem Dampfschiff. Das Ruhrgebiet im Westen Deutschlands war im letzten Jahrhundert das Zentrum der Stahl- und Kohleindustrie. Zudem heißt das Studio, in dem die Band beheimatet ist, „Heizraum“, weil das die ursprüngliche Funktion der Räumlichkeiten war, bevor Burn Harper sie in einen Rock’n’Roll-Hexenkessel verwandelte. Es gibt also eine Reihe von Bedeutungen, die mehr oder weniger Sinn ergeben ...

... nach ein paar Jahren fühlte ich, dass es wieder Zeit wäre, mich in Bewegung zu setzen, und für kurze Zeit reformierten wir DISTRICT, eine meiner alten Bands. Wir gingen mit auf das „Where The Bad Boys Rock“-Tourpackage, bei der auch die U.S. BOMBS dabei waren. Ich traf Duane wieder, und er wirkte fast enthusiastisch, als er mir erzählte, dass sie ein neues Line-up für sein anderes Baby DIE HUNNS zusammengestellt haben, und dass sie nun imstande wären, mit vielen verschiedenen Einflüssen zu arbeiten, von Blues über Siebziger-Rock bis Bowie. Neben Corey Parks sei auch ein Musikgenie namens Zander Schloss mit an Bord, der unter anderem schon mit Joe Strummer an mehreren Film-Soundtracks gearbeitet hat, und er konnte kaum glauben, dass ich noch nie von Zander gehört hatte. Tatsächlich hatte ich schon so einiges von ihm gehört ... und als „You Rot Me“ schließlich erschien, wusste ich genau, was er meinte. Ich versuchte also zu ergründen, wie Punkrock und traditionelle, akustische Musik zusammenpassen – was gibt einem das eine, was das andere nicht geben kann?

Zander: Ich fand die Gewalt und das Chaos bei den Punkrock-Shows, die ich spielte, als ich jünger war, ziemlich übel. Ich konnte mit dieser Art von Energie nie etwas anfangen. Ich mochte es nicht, wenn die Leute mich anspuckten, und tue das auch immer noch nicht. Leute, die auf die Bühne hüpfen, wie Idioten tanzen und sich dann wieder ins Publikum werfen. Was zum Teufel soll das? Ich wollte immer für ein Publikum spielen, das wegen der Musik da war, nicht wegen des Spektakels. Jetzt, da ich älter bin, ist der Adrenalinschub von Punkrock ein willkommenes Gefühl. Es braucht viel Ausdauer, um so schnell und hart zu spielen. Das Feeling, das ich jetzt bei der SEAN & ZANDER-Geschichte habe, ist das, wonach ich immer gesucht habe, nämlich die Anerkennung für Songwriting, Texte, musikalisches Können und der gesamten Darbietung.

Sean: Punkrock zu spielen ist auf vielerlei Art einfacher, weil du dich hinter der Lautstärke verstecken kannst. Ich stehe drauf, wenn es gut gemacht ist. Dasselbe gilt für akustische Musik. Fühlt sich toll an, wenn es toll ist, und beschissen, wenn es beschissen ist.

Pascal: Wahrscheinlich gibt es eine Zeit und einen Ort für beides. Es muss Musik für 15-Jährige geben, die nur zu einer Show wollen, um zu feiern und durchzudrehen und ihre Teenager-Depressionen für eine Weile hinter sich zu lassen. Aber was ist mit denen, die mit gebrochenem Herzen alleine zu Hause sitzen, oder denen, die gar keines haben? Ich denke, diese Tour ist irgendwie für beide ... die gebrochenen Herzen, die kommen, um durchzudrehen, haha. Das werden ja keine reinen Akustikabende. THE STOKERS sind eine Rock’n’Roll-Band, und am Ende jedes Abends werden wir ein gemeinsames Set von Klassikern spielen, die meist mit Zanders Karriere verknüpft sind. Aber weder wir, noch Sean und Zander spielen Mitgröl-Fußball-Songs. Stattdessen handeln die meisten Songs von irgendeiner Art von Elend und Verlierertum. Das mag vielleicht nicht jedermanns Sache an einem Freitagabend sein, aber wir richten uns auch nicht an halbnackte, verschwitzte Hardcore-Hooligans, die uns mit Dosen bewerfen. Bei dieser Tour geht es mit Sicherheit um die Musik, besser gesagt, um die Liebe zur Musik.

Zander: Es ist meine feste Überzeugung, dass das, was wir nun machen, unmittelbar zugänglich ist, weil es so ehrlich, einfach und direkt ist, wie die Sachen, die mich ursprünglich dazu angeregt haben, Gitarre zu spielen und Lieder zu schreiben. Ich kann nur hoffen, dass es uns möglich ist, die Menschen zu erreichen und zu inspirieren, besonders jüngere Leute, die Musik erst noch entdecken und ihre eigenen Songs schreiben und spielen wollen. Ich fühle mich wieder ähnlich, wie ich mich als kleiner Junge gefühlt hab, als ich diese Musik gehört und diese Lieder auf der Akustikgitarre gelernt habe. Inspiriert und voller Hoffnung. Es ist mein Wunsch, dass ihr euch genauso fühlt, wenn ihr unsere Musik hört.

Das Gitarrenspiel von Zander kann nur als atemberaubend beschrieben werden und in Kombination mit Sean Wheelers Gesang, einer Stimme, die – sind die Worte auch manchmal schräg und verschroben – einfach keine Lügen erzählen kann, entstehen wunderbar erdige Songs. Mal rauh und lebendig oder heiter melancholisch, einfach und virtuos zur gleichen Zeit. Dies hier ist keine Nachahmung, das ist echte Roots-Musik mit viel Herz und doch „Punk as fuck“.