PANTHERS

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„Its paw marks on the earth“ (N. O’Gorman)

Man kommt einfach nicht umhin, zu erwähnen, dass alle Beteiligten dieses Projektes bereits vorher erfolgreich Wellen geschlagen haben. Ex-ORCHID, Ex-RED SCARE beziehungsweise Ex-TURING MACHINE beziehungsweise PITCHBLADE. Da bekomme ich feuchte Hände und greife freudig nach dem neuen Opus der Band „Things Are Strange“. Dort wird nicht das zu erwartende Chaos-Irgendetwas-Hardcore-Brett geschrubbt, sondern Progrock mit Free Jazz-Einlagen geboten.

Wir versuchen, einfach nur gute Rocksongs zu schreiben. Die sich entwickeln und in eine Richtung gehen, die du nicht erwartest, psychedelisch werden zum Beispiel. Es ist sehr einfach, laut und schnell zu spielen und dabei heavy zu klingen. Es ist sehr viel schwerer, langsamer beziehungsweise midtempo zu spielen und heavy zu klingen. Dabei musst du gut aufeinander eingespielt sein“, erklärt mir Gitarrist Justin, als ich frage, ob man von Hardcore einfach gelangweilt gewesen sei. Das Interessante an Psychedelic Rock, sagt er weiter, sei: „Es passiert einfach etwas in der Musik, was in anderen Musikrichtungen nicht passiert und es trägt dich irgendwohin, was bei anderen Stilrichtungen nicht der Fall ist.“
Dass aber trotz allem irgendwo immer noch ein Punkrock/Hardcore-Hintergrund bei der Band vorhanden ist, sieht man auch daran, mit welchen Bands die PANTHERS auf Tour geschickt werden, in Deutschland mit DAS OATH. Und dass hier Punkrock noch groß geschrieben wird, wird spätestens klar, wenn der andere Gitarrist Kip gesteht, dass er den Stuhl über die Bühne geworfen hat, während des Auftritts der befreundeten Band: „Zu dem Zeitpunkt waren wir alle ziemlich betrunken und auf der Bühne. Die Kids scheinen es klasse gefunden zu haben.“

Während wir also über die Wurzeln sprechen, kommt man auch auf die zurzeit grassierende Reunion-Show-Welle zu sprechen. Da die PANTHERS aus New York sind, frage ich nach, ob sie nicht auch bei der GORILLA BISCUITS-Reunion zugegen waren. Justin: „Uhm, ja, im Internet. Ich fand das ja ein bisschen traurig. Das Traurige für mich ist, dass das im CBGB’s war. Seit zehn Jahren waren dort keine guten Shows mehr. Die einzigen Bands, die da spielen, sind die, die da vor zehn Jahren gespielt haben. Keine jüngere Band spielt dort. Sie buchen einfach schreckliche Bands. Sie klagen, dass sie aus dem Business raus wären, aber sie helfen der so genannten Szene auch nicht.“
Wo wir gerade bei der so genannten Szene sind, ORCHID war ja schon immer eine Band, mit der ich einen bestimmten Stil verbunden habe. Die Texte waren anspruchsvoll und beinhalteten immer viele Querverweise, als Beispiel einfach mal der Songtitel „Snow delay at Frankfurt school“. Auch bei PANTHERS kann man sich diese intellektuellen Lyrics zu Gemüte führen. „Dabei geht es nicht um eine politische Message in dem Sinne. Ich würde sagen, wir beschäftigen uns mehr mit den kulturellen Aspekten innerhalb der Gesellschaft“, wie mir Jayson, der bei beiden Bands für die Texte verantwortlich zeichnet, erzählt.
Gitarrist Justin sieht das etwas pragmatischer: „Wir gehen jetzt nicht auf die Bühne und rufen ‚Fuck George Bush‘. Das macht keinen Sinn. Wir gehen auf die Bühne und können Songs über Menschen und ihre Lebensumstände machen. Wir müssen dabei keine Flaggen schwingen und dabei erzählen, dass wir eine politische Band sind. Gerade innerhalb der Punkrockszene wollen die Menschen immer wissen, was für eine Band du bist, ob du politisch bist. Als eine Rockband erwartet keiner von dir, politisch zu sein. Wir haben eine Menge Songs über Beziehungen, die das Thema Sex thematisieren, deswegen sind wir ja keine Sexband.“
Ein weiteres Stichwort ist gefallen: Sex. Gender. Wenn man sich mit den Lyrics auseinandersetzt, ist man direkt ins Dickicht der postmodernen Ansätze geraten. Als ich darauf verweise, dass es innerhalb der Szene eine zeitlang die Mode gab, sich als Junge die Nägel zu lackieren und Haarspangen zu tragen, ist es also überhaupt nicht verwunderlich, folgende Antwort von Jayson zu erhalten: „Ich mag die Idee, dass man der Szene einen neutralen Anstrich gibt und nicht diese heterosexuelle Ausrichtung hat, denn Hardcore kann sehr homophob sein.“
Dabei frage ich mich, ob es denn immer angemessen ist, einen leicht ironischen Tonfall anzuschlagen. Meiner Meinung nach kann Ironie manchmal sehr hinderlich sein, den Leuten Verständnis abzuringen, Kurzformel: ‚Irony is for suckers‘.“ Geoff, seines Zeichens Bassist, hält dagegen: „Wir sind ja nicht CHOKEHOLD. Man kann über alles einen Witz machen. Manchmal braucht man dann eben länger, um etwas zu verstehen.“ Jayson führt weiter aus: „Oh, ich denke, dass man über alles Witze machen kann. Auch über das Dritte Reich oder Georg Bush. Wenn ich sagen würde, dass die Regierung unter Bush schlecht ist, dann würde ich einer Diskussion nichts Neues hinzufügen. Es ist nicht kontrovers oder schockierend genug. Deswegen fühle ich mich auch nicht in der Lage, dieses Thema in einer ernsthaften Weise zu behandeln, und ich denke, dass man auch durch Humor eine sehr ernsthafte Nachricht vermitteln kann. Es geht um den Kontext.“

Die eigene Homepage der Band ist auch ein eher ungewöhnlicher Kontext, um dort auf einen Link zu stoßen, der sich mit Baader-Meinhof auseinander setzt. Das hätte ich nicht erwartet und frage nach, was es denn damit auf sich hat. Die beiden Gitarristen verweisen auf Jayson, das „sei wohl mehr sein Ding.“ Er antwortet: „Ich bin sehr fasziniert von dieser Gruppe. Es war eine revolutionäre Jugendbewegung und ich wollte irgendetwas haben, das außerhalb der USA liegt und wo der politische Zusammenhang anders als der in den USA ist. Ich mag direkte Aktionen und diese Menschen sind bis zu einem gewissen Grad gespusht worden, so dass sie nur mit Gewalt antworten konnten. Und sie waren alle gut angezogen. Was mich so fasziniert, es waren alle Studenten in unserem Alter, manche auch jünger, und sie sind zu einer Armee geworden, weil sie das Gefühl hatten, dass ihre Regierung sie betrügt.“
Heißt man deswegen vielleicht auch PANTHERS? Immerhin kann man neben Pink Panther auch die amerikanische, radikale Bewegung der Black Panthers mit dem Namen assoziieren. Kip rückt als erstes mit der Sprache raus: „Das ist eine lange Geschichte. Unser Sänger war mit seiner vorherigen Band auf Tour und er und sein Freund hatten so was wie eine Wette, dass sie ihre Band nach Tieren benennen würden. Sein Freund nannte seine Band WOLVES und Jay nannte sie PANTHERS. Er mochte die Idee.“ So einfach kann das manchmal sein, man muss nur Dschungeltiere mögen und hat schon den Namen für seine Band.
Aber was verbirgt sich denn hinter der „Everyday revolution“, einer Phrase, der man bei ORCHID-Interviews immer gerne mal begegnet ist und die auch jetzt noch von Bedeutung für Geoff und Jayson ist: „Kreiere deine eigene Umwelt ... Mit ORCHID haben wir auch nicht danach gestrebt, jeden Menschen auf der Welt zu erreichen. Sondern deine Freunde, es ist einfacher, mit einem Freund zu reden als mit einem Unbekannten.“ Geoff bringt es auf die altbekannte Formel, dass man „die Menschen mit dem nötigen Respekt behandelt, versucht, die Leute im alltäglichen Umgang miteinander zu erreichen.“

ORCHID, immer wieder dieser Name. „Sie waren auch eine gute Band. Die Kids erinnern sich an sie. Was wir machen, könnte aber musikalisch nicht weiter von ORCHID entfernt sein“, sagt Kip auf die Frage, ob sie diesen Schatten jemals los werden. Eine realistische Einschätzung der Lage. Das erste Album der Band wurde von den Kritikern nicht gut aufgenommen, vielleicht lag es auch an den Erwartungen, die man im Zusammenhang mit den Vorgängerbands hatte. Ich frage Justin, inwieweit das denn Einfluss auf die weitere Entwicklung der Band genommen hat: „Wir haben uns zu sehr beeilt, ein Album raus zu bringen. Wir hatten gerade angefangen, in einer Band zu spielen, und hatten diese Songs, vielleicht hätten wir warten sollen und hätten uns die Zeit nehmen sollen, die richtigen Leute zu finden, mit denen wir arbeiten können. Wir waren so aufgeregt, wir waren jung. Wir haben unsere Lektion gelernt. Wir haben danach nicht weitergemacht und Platten aufgenommen, um den Kritikern zu gefallen, sondern um unseren Ansprüchen als eine Band zu genügen. Wir lassen es ruhiger angehen, nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, und hören auf den anderen.“
Das Interview nähert sich dem Ende und auf die Frage, was man denn so nach PANTHERS machen wolle, sagt Jayson mit einem Lachen: „Durch die Gegend ziehen und die ORCHID-Songs akustisch spielen.“ In einem etwas ernsteren Ton fügt er hinzu: „Ich meine, ich war schon immer in Musik involviert, Shows machen, in einer Band spielen, wir touren gerade ... wir lieben diese Sachen einfach.“