OUT OF ORDER

Foto

Deutsch-britische Freundschaft

Punkrock erreichte in den späten Siebziger Jahren nicht nur die Großstädte der BRD, sondern auch schnell die ostwestfälische Provinz. Das lag auch unter anderem an den britischen Soldaten, die in Städten wie Herford stationiert waren und auch ihren Kindern, die sie mitbrachten. OUT OF ORDER sind ein Ergebnis dieser Umstände. Gegründet 1979 in Herford, bestand die Band aus britischen Squaddies, Soldaten-Kids und deutschen Punks. Bis zu ihrer Auflösung 1982 spielten OUT OF ORDER zahlreiche Gigs unter anderem mit ZK, HASS und UPRIGHT CITIZENS und veröffentlichten eine EP und Album, die ihren energiegeladenen Pogo-Punk auf Vinyl bannten. Wir sprechen mit Gründungsmitglied Kol, Drums, und Schnell John, Gitarre, über die Frühphase des Punk in der BRD, über heiße Fußball-Matches mit ZK und chaotische Konzerte. Weitere Bandmitglieder waren Eric ShunN, Gesang, Geoff, Gitarre und Orgel, sowie am Bass jeweils Volker, Frank und Detlef.

Wie bist du damals auf Punk aufmerksam geworden und wann hat dich das Virus selbst erfasst?

John: Ich war ganz am Anfang dabei, als London 1976 Punk-verrückt wurde. Um 1975/76 war ich ein regelmäßiger Besucher in der Londoner Pubrock-Szene und habe viele der frühen Punkbands gesehen wie KILBURN AND THE HIGH ROADS, THE 101’ERS, TYLA GANG, STRANGLERS, THE MOTORS und so weiter.
Kol: Ich war 15 und sah im Sommer 1976 ein Bild von den SEX PISTOLS in einer Zeitschrift und die sahen einfach toll aus. Dann kaufte ich mir die „Anarchy In The UK“-7“ und die „New Rose“ von DAMNED im NAAFI, dem Einkaufscenter der britischen Armee, und war sofort süchtig. Ich hörte jeden Abend John Peel auf meinem beschissenen Mittelwellen-Radio und zusammen mit einem Freund kauften wir die meisten der frühen Punk-Singles per Mailorder ... meistens bei Small Wonder, Bonapartes oder Good Vibrations.

Was bedeutete Punk damals für dich – und wie ist das heute?
John: Zu Beginn ging es für mich nur um die Musik, die Power und Energie. Das Outfit war zweitrangig. Ich denke, das gilt auch heute noch, obwohl das Aussehen eine große Bedeutung in der Bewegung hat.
Kol: Viel zu viel, ich habe Bands wie THE CLASH viel zu ernst genommen, und das hat mir meine Ausbildung versaut – nicht dass ich es bereue. Ich sammle immer noch Original-Punk-LPs und 7“-Singles von 1976 bis ’79 und war ein paar Mal beim Rebellion Festival. Vor Corona habe ich mir mindestens ein Konzert pro Woche angesehen, ich schaue mir alles an, was die gleiche Energie hat wie Punk ganz am Anfang.

Wie sah die Punk-Szene in deiner Heimatstadt in England aus?
John: Ich bin in West-London rund um die Portobello Road, Westway und Notting Hill aufgewachsen und war 1976 mit 16 Jahren mittendrin. Ich habe die Geburt des Punk in London miterlebt!
Kol: Meine Heimatstadt war Portsmouth in England, aber ich war nicht oft dort. Armeeangehörige und ihre Familien sind ständig in Bewegung. Die erste Band, die ich dort gesehen habe, waren 999, das war Ende 1977 und es waren vielleicht 200 Punks dort. Aus Portsmouth kommen auch keine berühmten Punkbands.

Was war der Grund für dich, in die Armee einzutreten? Gab es da Probleme, weil du Punk warst?
John: Ich trat im Mai 1977 in die Armee ein, nachdem meine beiden Eltern gestorben waren. Ich hatte sonst keine Familie, also war die Armee eine Möglichkeit für einen Neuanfang für mich – mit einer neuen Familie. Zu diesem Zeitpunkt war die Punk-Szene in London bereits auf dem absteigenden Ast. Die Armee hat mich nicht verändert. Im Gegenteil, es hat die Dinge besser gemacht, weil ich jetzt Geld verdiente und es mir leisten konnte, zu vielen Gigs in unserer Region zu gehen – und Junge, ich habe einige großartige Bands gesehen!
Kol: Ich war ein Army-Kid, also bin ich nie zur Army gegangen. Ich hätte fast mal bei der Air Force angefangen, habe es mir aber anders überlegt, weil wir gerade die OUT OF ORDER-Single aufgenommen hatten und ich viel zu viel Spaß hatte. Wir haben zwei bis drei Mal die Woche gespielt oder uns andere Bands angeschaut, und das in ganz Deutschland. Außerdem hatten Geoff und John beide gerade das Militär verlassen, also wäre ich ja verrückt gewesen, den gleichen Fehler zu machen.

Wie und wo hat die Band zusammengefunden? Gab es von deiner Seite aus von Anfang an die Idee, Musik zu machen?
Kol: Ich habe 1977 in Bünde mit einem Haufen Army-Kids eine Band gegründet, die PARALYTIC WORMS hieß, aber wir konnten überhaupt nicht spielen, außer dem Gitarristen, der ein Jimi Hendrix-Fan war. Wir sind Anfang 1979 in ein Konzert der frühen Mindener Punkband THE ROTATORS in Herford reingeplatzt und haben einen Song gespielt. „I’m an upstart“ von den ANGELIC UPSTARTS. Dann lösten wir uns auf. Danach antwortete ich auf eine Annonce in einem Plattenladen und ging zu einer Probe, um der Bassist bei AHEADS zu werden, obwohl ich noch nie Bass gespielt hatte. Ich hatte gerade angefangen Schlagzeug zu spielen, also entschied ich mich, beim Schlagzeug zu bleiben. Ein paar Monate später eröffnete in Herford ein großartiger Konzertclub namens Scala. Viele UK-Bands spielten dort, wenn sie durch Deutschland tourten, ich hing dort zwei bis dreimal die Woche ab und dort traf ich auch Geoff, unser ursprünglicher Gitarrist und Sänger, und er schlug vor, dass wir zusammen spielen. Zwei Wochen später stellte er mich Isaac, Gitarre, und Volker, Bass, vor. Ich weiß nicht mehr, woher er sie kannte. Jedenfalls probten wir und hatten bald sieben oder acht halbfertige Songs und supporteten dann nach nur vier Wochen die UK SUBS in der Scala! Am folgenden Wochenende spielten dort AHEADS zusammen mit den DEAD KENNEDYS. Es war ein großartiger Ort, um Bands zu sehen. Zwei oder drei Gigs später verließ Isaac die Band nach dem berüchtigten „Heute Punk Morgen Papst“-Festival in Osnabrück. Nachdem Isaac gegangen war, fragten wir John, Gitarre, und Eric, Gesang, ob sie mitmachen wollten, weil wir sie aus der Scala kannten und sie auch eine Band gründen wollten. Also fragten wir einfach, ob sie sich uns anschließen wollen, so schnell ging das damals.
John: Ich wurde Anfang 1980 nach Herford, Deutschland versetzt. Ich war noch Punk, hatte eine Gitarre und besuchte den berühmten Scala Club, wo 1980 alle größeren Bands spielten. Ich hing immer mit Andy Stillion ab, dem mittlerweile verstorbenen Sänger der AHEADS, den ich schon seit 1978 aus England kannte. Ich traf bald Andy und Eric und wir beschlossen, eine neue Punkband zu gründen. Dann trafen wir noch Kol und Geoff von OUT OF ORDER bei verschiedenen Gigs und bekamen das Angebot, bei OUT OF ORDER einzusteigen.

Wer hatte die Idee für euren Namen? Und was bedeutet er für euch?
John: Ich mochte die Tatsache, dass immer „Out of order“-Schilder an den Dingen hingen, die kaputt waren. Es war ein guter Name für eine Punkband!
Kol: Geoff kam auf den Namen, er ging immer ins Roxy in London und hatte diesen Namen schon die ganze Zeit im Kopf, bis ihn die Army nach Deutschland brachte.

Welche Einflüsse hattet ihr?
John: Wir brachten alle etwas anderes in die Band ein. Ich war sehr von Pubrock-Rhythm-and-Booze-Bands beeinflusst wie DR. FEELGOOD, EDDIE AND THE HOT RODS, NINE BELOW ZERO und so weiter, und auch von der frühen Oi!-Szene, COCKNEY REJECTS, PETER AND THE TEST TUBE BABIES, 4 SKINS ... Kol brachte Rockabilly-Elemente mit ein, Geoff Post-Punk und Andy den Anarchopunk – eine starke Mischung!

Wo habt ihr geprobt – und wie oft?
John: Ein Proberaum war damals schwer zu finden. Wir hatten zahlreiche Stationen, eine alte Kirche, der Kotten der AHEADS, ein Dachboden in der Kaserne, wo ich stationiert war, haha. Wir haben auch versucht, vor den Gigs zu proben, während wir aufbauten, bevor wir irgendwann zu betrunken waren.
Kol: Zuerst haben wir in einer Kneipe in Bünde geprobt, vielleicht einmal die Woche, aber wir hatten wirklich schlechtes Equipment, so dass niemand den Gesang hören konnte. Wir haben ein paar Wochen lang in einer Armeekirche geprobt und durften auch den Proberaum der AHEADS außerhalb von Herford nutzen.

Wie sah die Punk-Szene in Herford aus? Gab es ein Autonomes Zentrum, die Möglichkeit, selbst Konzerte zu organisieren?
John: Um 1980/81 war es in Herford großartig. Alle großen Bands kamen, um dort zu spielen, entweder in der Scala oder im Hellepark. UK SUBS, CURE, STIFF LITTLE FINGERS, DEAD KENNEDYS, CHARGE 69, um nur ein paar zu nennen. Die Scala war der Haupttreffpunkt für Punks aus Herford, Bielefeld oder Bad Salzuflen, die sich dort regelmäßig trafen. Aber es gab nicht viele Möglichkeiten, um selbst Gigs zu veranstalten.
Kol: In Herford gab es nicht so viele Punks, die meisten kamen zu Konzerten aus Bielefeld, Minden, Osnabrück und so weiter. Viele Hippies gingen auch in die Scala, die hatten lange Haare, aber ich glaube, die mochten auch Punk. Es waren nicht nur Punkbands, die dort spielten, wir sahen dort UB40 und THE CURE, aber auch alte Rocker wie Roger Chapman oder ZELTINGER BAND. Jeder wollte in einer Band sein, ich habe in einem Sportgeschäft in Minden gearbeitet und eines Tages kam Zombie, der spätere Sänger der NEUROTIC ARSEHOLES rein. Er war gerade von Köln nach Minden gezogen und hat mich in diesem beschissenen Sportgeschäft angerempelt. Ich habe gesagt: „Komm in die Scala“. Und dann gründete er seine eigene Band. In dieser Zeit gab es so wenige Punks, dass man jedes Mal Freunde fand, wenn man einen sah ... Wir erlebten großartige Gigs in der Scala, Highlights für mich waren die UK SUBS – natürlich –, da Charlie Harper der netteste Punk aller Zeiten war und ist, aber auch die Konzerte mit KILLING JOKE, MEKONS, DEAD KENNEDYS, DAF, HANS-A-PLAST, MALARIA! und vielen anderen sind unvergesslich. Ich glaube, die Scala mit dem großen Saal hat vielleicht ein Jahr durchgehalten und dann ging ihnen das Geld aus. Kein Problem, nebenan war eine Bar mit einer kleinen Bühne und jemand organisierte dort stattdessen lokale Bands. Sie fasste hundert Leute oder so und für das nächste Jahr spielten dort Punkbands, darunter HASS und NOTDURFT und viele mehr, an die ich mich nicht erinnern kann.

Exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum – gab es das bei euch, in eurer Szene?
John: Alkohol spielte in unserer Band eine sehr große Rolle. Wir waren berühmt fürs Trinken, haha. Wir spielten einige Gigs ohne Gage, aber für Freibier. Wir waren alle große Trinker und gingen selten nüchtern auf die Bühne! Es gab nicht viele Drogen bei uns, vielleicht mal einen Joint oder einen Haschkuchen, aber nichts Hartes. Ich erinnere mich, dass in der Hausbesetzerszene viel Klebstoff geschnüffelt wurde.
Kol: Oh ja, wir waren bekannt dafür, bei den meisten unserer Gigs total betrunken zu sein, die waren deswegen meist total chaotisch. Ich glaube, von den 25 bis 30 Gigs, die wir hatten, waren wir bei den meisten zu betrunken, um zu spielen und es war ein einziges Chaos, aber das war unsere Einstellung. Wir haben allerdings nie Drogen genommen, eine Menge Bands nahmen Speed, aber niemand hat es uns je angeboten, also haben wir einfach jede Menge Bier getrunken. Ich glaube, Geoff hatte die Schnauze voll davon und beschloss zu gehen, nachdem wir GANG OF FOUR in Köln supportet hatten, also waren wir dann ein Vierergespann. Volker verließ uns, um zur Bundeswehr zu gehen, also kam Frank am Bass dazu.

Welche Aktionen, Peinlichkeiten, Konzerte sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
John: Viele chaotische Gigs, viele Mädchen, zu denen man den Kontakt verloren hat – und viel Alkohol! Ich habe alle Gigs, an die ich mich erinnern kann, genossen. Wir haben immer unser Bestes gegeben, um eine gute Show hinzulegen und eine tolle Atmosphäre aus Spaß und Chaos zu schaffen. Wir spielten eine Menge guter Gigs, darunter ein großartiges Open Air-ähnliches Festival 1982 in Marl. Daran erinnere ich mich sehr gut, ebenso auch an unseren Gig mit GANG OF FOUR in einer großen Halle in Köln, wo sie den ganzen Nachmittag für ihren Soundcheck brauchten – und uns keinen machen ließen. Aber wir haben es trotzdem geschafft, vielleicht einen unserer besten Gigs zu spielen.
Kol: Es gab Millionen von Peinlichkeiten, deshalb gehe ich nicht darauf ein, aber wir waren eng befreundet mit ZK, später DIE TOTEN HOSEN, und hatten viele gemeinsame Konzerte mit ihnen. Wir haben vor den Shows auch Fußball gegen sie gespielt, England gegen Deutschland, und wie üblich hat Deutschland meistens gewonnen, aber ich gebe unserem Alkoholkonsum die Schuld! Auf jeden Fall waren ZK die unterhaltsamste Punkband zu dieser Zeit und unsere denkwürdigsten Gigs waren mit ihnen, besonders in Bremen, wo die Punks genauso viel Spaß hatten wie wir. Aber es gibt auch andere Erinnerungen wie das „Heute Punk, morgen Papst“-Festival 1980 in Osnabrück. Denn nachdem dort gerade mal zwei oder drei von zehn Bands gespielt hatten, machten ein paar idiotische Punks ein Feuer im Keller und die Feuerwehr kam und brach das Festival ab, so dass wir gar nicht mehr drankamen. Es waren vielleicht 800 bis 1.000 Punks aus ganz Deutschland in der Stadt und sie wussten nicht, wohin sie gehen sollten, also gab es Randale und eine große Straßenschlacht, aber Fernsehen und Radio sowie die Zeitungen hielten es geheim, weil die Welt zusah und es schlecht für Deutschland ausgesehen hätte, weil nämlich der Papst gerade in der Stadt war.

Habt ihr oft in anderen Städten oder im Ausland gespielt? Wie wurden die Konzerte in einer Zeit ohne Internet organisiert?
John: Wir haben eine kurze Tour durch Holland gemacht. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, wie wir damals Gigs bekommen oder organisiert haben, als es kein Handy oder Internet gab.
Kol: Ich schätze, Jens von H’art Records hat das organisiert. Wir sollten eigentlich mit HASS spielen, aber die haben sich aufgelöst, also haben wir stattdessen mit den noch sehr jungen UPRIGHT CITIZENS gespielt. Inzwischen hatte Frank die Band verlassen und wir hatten Detlef am Bass, der von der Band ARTLESS aus Duisburg kam. Wir wurden musikalisch immer besser, obwohl wir nur einmal im Monat probten, denn Detlef wohnte in Heidelberg, der Rest der Band im Raum Bielefeld und wir probten in Essen! Es war schwer, oft zu proben. Wie auch immer, wir waren immer noch kein „Gegner“ für UPRIGHT CITIZENS, die verdammt tight waren. Bei einem Konzert in der Nähe von Amsterdam gab es eine riesige Rasierschaumschlacht mit dem Publikum. Am nächsten Tag spielten wir in Zwolle und alle Leute vom Vorabend kamen wieder zu unserem Gig, weil wir so verrückt gewesen waren. Das Problem war, dass wir einen schrecklichen Kater hatten und wahrscheinlich unser bestes Konzert spielten, weil wir nüchtern waren, aber das Publikum stöhnte, weil es mehr Chaos wollte, wie in der Nacht zuvor. Wie auch immer, das Gute an Holland war, dass sie tolle PA-Systeme mit Monitorboxen hatten, so dass man tatsächlich hören konnte, was man spielte. Außerdem bekamen wir sogar etwas Geld bezahlt. Wir haben nirgendwo Geld bekommen, denn wenn die Punks merkten, dass es dir ums Geld ging, haben sie dich von der Bühne geworfen. Es war zwar hart, wir mussten Benzin, den Van und so bezahlen, also waren wir immer knapp bei Kasse, aber was soll’s, es war Punk, wir wollten es nicht anders haben.

Habt ihr das Gefühl, dass eure Texte noch aktuell sind?
John: Ja, viele der Songs, die wir geschrieben haben wie „Government“, „Tribal“, „Politician“ oder „Wasted youth“ sind alle auch heute noch, vierzig Jahre später, genauso relevant.
Kol: Wir waren nicht wirklich politisch, wir hatten aber alle einen Standpunkt, und ich denke, unsere Texte brachten das auf den Punkt, da jedes Bandmitglied mit Songs und Texten aufwartete. Es gab zu dieser Zeit viele Bands mit „Bullenschweine“-Texten, aber wir waren eher wie die ADICTS oder PETER AND THE TEST TUBE BABIES. Wir hatten einfach hauptsächlich Spaß.

Gibt es Texte oder Songs, die ihr heute nicht mehr schreiben oder spielen würdet?
John: Der einzige, den wir heute nicht mehr spielen könnten, wäre „Royal wedding song“ über die Hochzeit von Prince Charles und Lady Diana. Aber ich würde mich freuen, sie alle zu spielen ... Obwohl mit der heutigen Technik und unseren älteren, erfahreneren Köpfen wären wir in der Lage, sie viel besser zu spielen, haha.
Kol: Es gibt ein paar, die ich heute nicht mehr machen würde.

Wie kam der Kontakt zu euren Labels Daviton und H’art zustande? Wie erinnert ihr euch an die Aufnahmen der LP?
John: Ich glaube, zu H’art kamen wir durch HASS, die ein gutes Wort für uns eingelegt hatten. Die Aufnahme-Sessions waren sehr schnell vorbei, das ist alles ziemlich verschwommen. Der Techniker, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, war sehr gut und hat einen fantastischen Job gemacht. Auch wenn mir das damals nicht bewusst war, aber das Album steht heute noch gut da, was die Soundqualität angeht.
Kol: Wir haben die Daviton-Platte, also die EP, selbst bezahlt und aufgenommen, das Studio hieß Daviton, also haben wir deren Label benutzt. Ich bin mir nicht sicher, wie H’art von uns erfahren hat. Ich schätze, es war, weil wir mit HASS in Herford gespielt haben und wir unsere Single bei diesem Konzert verkauft haben, vielleicht haben HASS eine an H’art weitergegeben? Damals lief alles über Mundpropaganda oder Fanzines, die Leute wussten einfach, was los war, und eines Tages fragte uns Jens, ob wir ein Album für H’art machen wollten. Wir haben es in zwei Tagen aufgenommen und abgemischt. Wir bekamen sogar einen Anruf von Rock-O-Rama, die uns baten, für sie aufzunehmen, weil sie unsere Single in ihrem Laden verkauft hatten oder so. Aber wir waren sehr glücklich mit H’art.

Was waren die Gründe für die Auflösung der Band?
John: Wir lebten alle in verschiedenen Städten in Deutschland und trafen uns nur zu den Gigs, also waren wir auch nicht so aufeinander eingespielt. Aber wir haben es irgendwie geschafft, uns zu steigern und reifer zu werden. Wir schrieben ein paar tolle neue Songs und spielten als Band tighter. Aber dann drifteten wir auseinander und es hat sich einfach so ergeben. Ich denke, die Dinge wären anders gelaufen, wenn wir damals das Internet und Handys gehabt hätten.
Kol: Es war das Beste, was wir tun konnten, uns ging einfach das Geld aus, jemand hat meine Becken bei einem Konzert gestohlen, wir haben den Van zu Schrott gefahren, wir hatten auch richtige Jobs, die wir machen mussten ... Also haben wir uns einfach aufgelöst. Ich fühlte mich schlecht wegen John, da er die Armee verlassen und erwartet hatte, dass wir weitermachen würden.

Die Chaostage 1984 in Hannover waren für viele Leute ein einschneidendes Erlebnis. Warst du selbst dabei und was sind deine Erinnerungen?
John: Ich war bei den ersten Punktreffen 1982 in Wuppertal und Recklinghausen sowie in anderen Städten des Ruhrgebiets dabei. Ich wohnte damals in Marl in einem besetzten Haus, und die Punktreffen waren fantastisch. Es kamen so viele Punks aus dem ganzen Land. Tolle Zeiten, ich wünschte ich hätte ein paar Fotos.
Kol: Ich war sehr oft in Hannover, mein erstes Konzert, das ich dort gesehen habe, war in der Kornstraße mit BOMBED BODIES, die erste Band von Pedder von DAILY TERROR. Alle großen hannoverschen Bands wie BLITZKRIEG, CRETINS, KONDENSATORS spielten dort, es war eine gute Szene. Also ja, ich ging zu den ersten zwei oder drei Chaostagen. Aber ich fing langsam an, mich für andere Musik wie Psychobilly oder Goth zu interessieren. Ich kann nicht für die anderen Mitglieder sprechen, aber nach vier oder fünf Jahren Punk wurde es langsam langweilig.

Rückblickend, wie war es für dich, in den Achtziger Jahren in einer Punkband gespielt zu haben?
John: Es war fantastisch. Und ich war immer stolz darauf, sagen zu können, dass ich in der frühen deutschen Punk Szene involviert war. Ich bin froh, dass einige Fotos, ein Video und natürlich die Aufnahmen überlebt haben.
Kol: Es war eine aufregende Zeit, ich habe viele tolle Leute getroffen.

Welche Veröffentlichungen gibt es von eurer Band? Und wie ist es zu dem Rerelease auf Überfall Records gekommen?
John: Es gibt nicht viele Veröffentlichungen, eine EP und eine LP, natürlich auch die OUT OF OUR HEADS-EP in Zusammenarbeit mit den AHEADS. Es gibt auch ein paar Tracks auf diversen Samplern.
Kol: Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wie das mit dem Rerelease auf Überfall Records angefangen hat, da ich zu der Zeit in Asien lebte. Jedenfalls hatten wir ein Treffen mit Überfall in Bielefeld, da sie sich für alle ostwestfälischen Punkbands interessierten und fragten, ob es für uns in Ordnung sei, eine Neuauflage zu machen. Das war’s.

Ihr wart beide auch bei OUT OF OUR HEADS? Was steckt dahinter?
John: Die Idee für das Projekt OUT OF OUR HEADS entstand zwischen Andy Stillion, dem Sänger von AHEADS, und mir Ende 1980, wenn ich mich richtig erinnere. Ich hing in Herford hauptsächlich in der Scala mit Andy und den Jungs von AHEADS ab, bevor ich zu OUT OF ORDER kam. Andy und ich waren immer große Saufkumpane und sehr enge Freunde und sprachen darüber, vielleicht eines Tages entweder eine Band zu gründen oder ein paar Songs zusammen aufzunehmen. Nachdem ich Anfang 1981 zu OUT OF ORDER kam, hatten wir irgendwann die Gelegenheit dazu. Wir probten schließlich in dem Kotten, in dem auch die AHEADS probten. Ich hatte ein paar Ideen, die Andy und ich versuchten, zu kompletten Songs auszuarbeiten, normalerweise wenn wir betrunken waren, haha. Wir machten uns daran, die Songs als Gruppe zu spielen, mit Kol von OUT OF ORDER am Schlagzeug und Bernie Meyer von den AHEADS am Bass. Wir hatten ein paar Proben in der Hütte, entweder nach oder vor denen unserer anderen Bands, und wir klangen eigentlich ganz gut. Es war alles sehr unregelmäßig und nicht sehr gut geplant. Jedenfalls hatten wir nach einer kurzen Zeit drei Songs fertig, „Warzone“, „Hungerstreik“ und „Living for today“. OUT OF ORDER waren zu diesem Zeitpunkt bei H’art Music in Bochum unter Vertrag und wurden von Jens Schöneich unter die Fittiche genommen, der sich auch um die Band HASS kümmerte. Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam, aber HASS nahmen gerade ihr Debütalbum „... allein genügt nicht mehr“ in einem Studio in Düsseldorf auf, und wir bekamen ein paar freie Stunden im Studio angeboten, nachdem HASS ihr Album im Kasten hatten. Es passierte alles sehr schnell. Wir fuhren schnell nach Düsseldorf und gingen ins Studio, HASS hatten ihr Equipment für uns aufgebaut, und wir gingen die Songs kurz ein paar Mal durch und nahmen sie dann auf, zuerst das Schlagzeug und den Bass, dann die Gitarre und den Gesang. Es lief sehr eilig und überstürzt, da der Techniker nicht viel Zeit hatte, außerdem waren Andy und ich zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich betrunken. Jedenfalls schafften wir es, die drei Spuren grob aufzunehmen und überließen sie dem Studiotechniker zum Abmischen. Ich war nie zufrieden mit dem Gitarrensound, er bat mich, eine cleane Einstellung für die Aufnahme zu verwenden, und er sagte, er würde dem Mix später eine Verzerrung hinzufügen, aber das geschah nie. Die Backing Vocals auf der Platte hat Stefan Jansen, der damalige Sänger von HASS, beigesteuert, der mit uns bei der Session war. Der Name OUT OF OUR HEADS entstand an einem Nachmittag, als Andy und ich in Werners Wohnung, dem Schlagzeuger der AHEADS, seine Platten durchstöberten und dabei auf die LP der ROLLING STONES mit dem Titel „Out Of Our Heads“ stießen. Wir sahen uns an und sagten beide gleichzeitig: „OUT OF OUR HEADS!“ Das war ein magischer Moment. Nachdem wir die Songs aufgenommen hatten, musste ich mir schnell ein Design für das Cover ausdenken, wieder hatten wir nicht viel Zeit. Damals gab es überall in Großbritannien Unruhen, daher der Name „Riot EP“. Andy wollte Babyfotos der Bandmitglieder auf der Rückseite unterbringen, aber wir hatten nicht genug Zeit, um das zu organisieren. Wir besprachen auch, ein Promo-Video für den Track „Living for today“ aufzunehmen, und wir entwarfen sogar ein Storyboard für das Video! Zu diesem Zeitpunkt nahmen die Dinge für OUT OF ORDER bereits Fahrt auf, und wir waren sehr beschäftigt mit Gigs und den Aufnahmen zu unserem Album „Open Prison“, so dass wir leider nie die Zeit fanden, das Projekt OUT OF OUR HEADS weiter voranzutreiben. Die Single wurde nur in einer kleinen Auflage gepresst und ist heute sehr selten und schwer zu finden.
Kol: John hat alles organisiert und ich glaube, wir probten nur drei oder vier Mal und die drei Tracks waren fertig. Die Aufnahme war allerdings grauenhaft. Wir mussten einen Click-Track benutzen, der das Tempo bestimmte, und wir mussten zuerst den Bass und das Schlagzeug aufnehmen, ohne die Gitarre oder den Gesang zu hören. So wird man am Ende vorsichtig und verliert die Energie. Ich glaube, ZK haben dieses Studio auch für ihr Album benutzt, und das Ergebnis ist das gleiche, nichts im Vergleich zu ihrer brillanten Live-Performance. Das ist der völlig falsche Weg, Punkrock aufzunehmen ... Um den Sound von 1977 zu bekommen, hätten wir einfach reingehen und es direkt spielen sollen – ohne sich über leichte Soundüberschneidungen Gedanken zu machen. In unserer üblichen professionellen Art und Weise haben wir uns in der Nacht zuvor alle total betrunken und ich hatte am nächsten Tag einen höllischen Kater. Die Songs sind trotzdem großartig, aber ich finde, die Aufnahme hätte 100% besser sein können.

Seid ihr heute noch musikalisch aktiv? Würde eine Reunion für euch infrage kommen?
John: Ja, ich würde mich freuen, wenn wir so was machen würden, denn ich würde gerne hören, wie wir heute klingen würden. Es hat bei vielen Bands nicht funktioniert, also könnte es auch bei uns nicht klappen. Aber man weiß ja nie. Ich spiele immer noch in Punk- und Oi!-Bands, zuletzt, bevor das Virus die Stadt traf, in einer Punkband namens ANTISCUM, die ich mit einigen anderen alten Punks aus den frühen Tagen gegründet habe, darunter Stefan, der ursprüngliche Sänger von HASS, und Crocker, der Bassist von UPRIGHT CITIZENS.
Kol: Ich habe seit dreißig Jahren kein Schlagzeug mehr angefasst. Ich bezweifle, dass wir die ganze Band zusammenbekommen könnten.

Was ist mit deinen ehemaligen Bandkollegen? Machen die noch Musik, habt ihr noch Kontakt?
John: Ja, wir sind jetzt alle über Facebook verbunden. Ich war sehr spät dran mit den sozialen Medien, haha.
Kol: Wir sind alle noch in Kontakt. John ist immer noch in Bands in Großbritannien aktiv.

Der Status von Musikerinnen ist heute sehr umstritten. Wie männlich/macho oder emanzipatorisch hast du die Szene damals wahrgenommen?
John: Es gab damals eine Menge Female-fronted-Bands in Deutschland. Wir spielten Gigs mit einigen von ihnen und haben uns immer gut mit ihnen verstanden. Ich persönlich habe das begrüßt und ich denke, dass es gut für die Szene war, dass Frauen beteiligt waren und auch eine führende Rolle innehatten – da sie etwas anderes in die Szene einbrachten, sowohl visuell als auch klanglich.
Kol: Wir haben gerne mit den Mädels geredet, ja. Ich denke, die Punk-Szene war sehr gleichberechtigt und ich habe nie ein schlechtes Verhalten gegenüber Female-fronted-Bands beobachtet. Nach OUT OF ORDER war ich in einer deutschen Goth-Band mit einer Sängerin. Es gab auch hier keinen Sexismus in der Band.