OUR TURN

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Maybe simple, but at least it‘s real

Als ich vor ungefähr einem Jahr das Demo von OUR TURN aus San Francisco in die Hände bekam, konnte ich nicht anders, als es mir zwei oder drei Monate mehrmals täglich anzuhören. Dieses Demo war so unverschämt gut, mit Posi-Core, wie man ihn kaum besser machen kann. OUR TURN ist so eine Band, die nicht wirklich viele Leute kennen, und die auch in den USA nicht gerade zu den angesagtesten Bands gehört, weil sie wohl aus der falschen Ecke kommen und nicht die hippeste Musik machen. Ich mailte Sänger Carl Cordova einige Fragen.

Wie seid ihr zusammengekommen?


„Carlos spielt Bass, Isaac Schlagzeug, Josh Gitarre und ich singe. Ich habe Carlos und Josh an der San Francisco State University kennen gelernt, und Isaacs Freundin ging dort auch hin, also haben wir ihn durch sie kennen gelernt. Wir haben zwar alle verschiedene Einflüsse aus dem Hardcore-Bereich, aber hatten alle das Ziel eine Posi-Hardcore-Band zu gründen. Dadurch ist es irgendwie zu OUR TURN gekommen. Nicht schlecht für ein paar Freunde, die in einem Studentenwohnheim geprobt haben.“

Warum spielt ihr ausgerechnet diese Art Hardcore? Denkst du, dass es momentan so wenige Posi-Bands gibt?

„Wir wollten von Anfang an etwas anderes machen. Wir hatten kein Interesse daran, auch nur ansatzweise so zu klingen, wie die großen tourenden Bands, auf die alle vor ein paar Jahren abgegangen sind. Von Anfang an wollten wir Musik spielen, deren Haltung progressives Denken, Gewaltlosigkeit und Respekt für die Geschichte des Hardcore-Punk widerspiegelt. Wobei die ‚Geschichte‘ das Wichtigste ist. Wir glauben, dass Hardcore seine Wurzeln tief im Punk und seinen Idealen hat. Die nordkalifornische Hardcore-Szene ist momentan eine der besten in den Staaten, und das liegt daran, dass alle Bands verschieden sind. Wenn die nihilistische Rollins-Stimmung zu ‚Damaged‘-Zeiten dein Ding ist, dann mach das, wenn du Morrisey-Texte zu einer Musik singen willst, die sonst guter Hardcore wäre, mach das. Es macht keinen Sinn, eine Band nur für andere zu gründen. Ich bin mit UNIFORM CHOICE, ENDPOINT, MOUTHPIECE, und MINOR THREAT aufgewachsen, andere mit ganz anderer Musik. Mach eine Band und hab Spaß, wenn das aus deinem Herzen kommt, werden die Kids es merken.“

Wie seid ihr zu Youngblood Records gekommen? Denkst du, dass es das richtige Label für euch ist? Sie haben ja eine kleine, aber treue Anhängerschaft.

„Ich war schon lange mit Joe Onlife und Sean Youngblood befreundet, bevor ich überhaupt an OUR TURN gedacht habe. Es gibt kein Label, auf dem wir lieber wären. Youngblood ist mein Lieblingslabel, seitdem ich die LIFES HALT-7“ zum ersten Mal gehört habe, die immer noch ihre beste Veröffentlichung ist. Wir hätten wirklich kein besseres Label finden können.“

Wie viel Zeit nimmt die Band in Anspruch? Meinst du, dass da jemals eine Vollzeitbeschäftigung draus wird?

„OUR TURN wird leider niemals eine Vollzeit-Band. Wir sind schon zu sehr mit der Uni und unseren Jobs beschäftigt. Wir würden gerne im nächsten Sommer durch Europe touren, und wenn das nicht klappt, werden wir versuchen, eine US-Tour zu machen. Im Moment versuchen wir einfach, hier in der Bay Area so viele Shows wie möglich zu spielen.“

Was hältst du davon, dass im Moment so viele Tough Guy- und Emo-Bands so gehypet werden?

„Wie ich vorhin schon sagte, bedeutet Hardcore für viele Leute etwas anderes als für mich. Ich denke, dass Hardcore einen großen Arschtritt gebrauchen könnte. Aber die Leute werden mit verschiedenen Dingen groß, und sie denken dann halt, dass es cool ist, so etwas wie eine Pop-Punk/Hardcore-Band zu gründen, um bei einem großen Label unterzukommen. Während das Genre altert, verändern sich die Dinge, und die Ideale werden verwässert oder komplett ausgelöscht. Bei OUR TURN geht es nicht nur darum, die reichhaltige musikalische Geschichte von Hardcore und Punk zu respektieren, sondern auch um die Ideale, die Hardcore einst zu etwas Besonderem gemacht haben. Es sollte anders sein als die Mainstream-Musikindustrie.“

Was denkst du über die momentane Position der USA in der Welt? Denkst du, dass Kerry es schafft und auch eine wirkliche Alternative zu Bush ist?

„Obwohl sich die beiden Parteien leider sehr ähneln, denke ich, dass Kerrys Ansichten zu inländischen und sozialen Belangen so sind, dass ich ihn wählen werde. Ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass Kerry die beste Alternative ist. Er hat keine wirkliche Alternative zum Militarismus und Imperialismus geboten. Und er hat bei seinen Reden und Interviews gesagt, dass er mit Bush darin übereinstimmt, dass die USA ihre militärische Dominanz behalten müssen. Aber ich denke, dass Bush der schlechteste Präsident ist, den ich je in meinem Leben sehen werde. Ich kann mich nicht an Ronald Reagan erinnern, da war ich zu jung, ich weiß nicht, ob er schlimmer war, aber Bush macht mir Angst.“

Du schreibst auch im Maximum Rock‘n‘Roll.

„Ich habe da jeden Monat eine Hardcore-Kolumne, Reviews und mache ab und zu ein Interview. Manchmal ist das schon stressig, aber ich liebe es. Das Schlimmste ist, wenn ich krampfhaft versuchen muss, Material für meine Kolumne zu bekommen, wenn zu der Zeit nicht viel passiert. Das Beste dabei ist der Zugang zur umfassendsten Punk/Hardcore-Sammlung der Welt.“

Denkst du, dass es jemals wieder ein Youth Crew-Revival wie in den späten 90ern geben wird?

„Es ist schon lustig, dass die meisten – so wie ich auch – bis in die späten 90er dachten, dass Youth Crew-Hardcore komplett tot wäre. Mittlerweile ist es ein Genre, das immer da ist. Zum Glück, denn es ist meiner Meinung nach bei weitem die beste Art von Hardcore, die je gemacht wurde. Ich denke zwar nicht, dass wir jemals wieder ein Revival wie 1996 sehen werden, aber Youth Crew-Hardcore wird bestimmt nicht innerhalb der nächsten Jahre verschwinden. Ich persönlich mag es nicht, wenn man von ‚Youth Crew‘ spricht und damit die Musik meiner Band beschreibt. Ich denke, dass ‚Youth Crew‘ eine Beschreibung für einige wenige Bands aus den späten 80ern ist. Aber da es nun mal der verbreiteteste Name für diese Art Musik ist, die OUR TURN spielen, muss ich wohl damit leben.“

Gibt es ein Thema, dass sich durch eure Texte zieht?

„Ich würde sagen, dass sich viele meiner Texte gegen Gewalt aussprechen, und das wird bei der neuen 7“ auf Youngblood Records auch richtig deutlich. Wenn uns die Kids als eine weitere mittelmäßige positive Hardcore-Band abschreiben, macht mir das nichts aus. Sie sollten sich aber genau so wenig angegriffen fühlen, wenn ich ihre Band als einen BANE-Klon bezeichne. Jedem das seine ...“

Was hältst du davon, dass Bands wie YOUTH OF TODAY und INSTED Reunion-Shows gespielt haben?

„Mach es für deine Freunde, Familie und für die Fans, die damals zu jung waren, um euch zu sehen. Machst du es aus einem anderen Grund, werden die Leute es merken. Warum solltest du die Ideale, für die deine Band so hart gearbeitet hat, in den Schmutz ziehen? Die INSTED-Reunion-Shows waren einige der besten, bei denen ich seit langem war.“

Was steht jetzt bei euch an?

„Wir wollen eine LP aufnehmen, in Europa oder den USA touren, und dabei eine Menge Spaß haben. Und jetzt geh raus und gründe deine eigene Band.“

Foto: Rebecca McFarland