OLLI SCHULZ & DER HUND MARIE

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No Klappskalli!

„Brichst du mir das Herz, dann brech ich dir die Beine“, so der Titel des Albums, mit dem Olli Schulz im letzten Jahr auf seinem Heimatlabel Grand Hotel Van Cleef in verhältnismäßig kleinem Kreise für Aufmerksamkeit und Begeisterung sorgte. Vor allem live konnten mich der Hamburger und sein Hund (Max von TOMTE) davon überzeugen, dass eine Art Soloprogramm, was sich in erster Linie auf Olli und seine Akustikgitarre beschränkte, durchaus funktionieren kann. Entsprechende Entertainment-Qualität ist dabei vorausgesetzt, denn bei einer One-Man-Show, wie sie Olli auf der Bühne bringt, sind alle Augen auf ihn gerichtet und der Erwartungsdruck ist hoch. Denn „Brichst du mir das Herz …“ war gespickt mit kleinen charmanten, tiefgehenden, tragischen, aber auch vor allem witzigen und gefühlvollen Songs über Leben, Liebe und alltäglichen Irrsinn. Jetzt steht das zweite „Beige Album“ an. Diesmal, schon beim Hören des Eingangssongs „Der Film beginnt“, entsteht zunächst der Eindruck, dass man nun ernsthafter an die Sache rangegangen ist. Ich traf Olli Schulz kurz vor seiner Heimreise nach Hamburg am Kölner Hauptbahnhof.

Songs geschrieben hat der Hamburger schon immer – für Freunde, Bekannte und sich selbst. Das Glück, diese irgendwann auch auf einen Tonträger zu bannen, hätte er sich aber damals auch nicht träumen lassen. Durch seinen langjährigen Freund Markus Wiebusch von KETTCAR, der ihm dann irgendwann das Angebot machte, doch seine zahlreichen Songs aufzunehmen, kam es zu „Brichst du mir das Herz ...“. „Ich war damals an so einem Punkt, an dem ich eine Menge Schicksalsschläge verkraften musste. Ich hatte mein Studium abgebrochen, mit der Freundin Schluss gemacht, dann ist auch noch ein guter Freund gestorben und zu guter Letzt wurde ich noch von Hooligans zusammengeschlagen. Alles so Sachen, die mich damals echt haben verzweifeln lassen, aber Hemingway hat mal gesagt: ‚Wenn Menschen brennen, dann entsteht hohe Kunst‘. Das ist vielleicht in meinem Fall etwas hoch gegriffen, aber ich hab dadurch einfach den Mut gefasst, eine Platte aufzunehmen.“
Warum das neue Album insgesamt ausgereifter und stellenweise ernster rüberkommt und welche Rolle die Farbe Beige spielt, macht Olli auch an der Stimmung fest, die während der Aufnahmen auf Föhr vorherrschte: „Uns war irgendwie etwas mehr nach Harmonie und Ruhe. Es sollte kein Album werden, das pseudopoetisch vor sich hinkleckert, aber ich schreibe halt sehr gern Liebeslieder. Momentan höre ich auch sehr gern Bonnie Prince Billy und Elliott Smith. Das hat die Aufnahmen bestimmt mit beeinflusst, obwohl ich mir nicht anmaßen will, solche Musik zu machen. Rockige und lustigere Songs kommen aber auch nicht völlig zu kurz.“ So klingt das Album auch nicht völlig beige, aber der erste Albumtitel war, so Olli, einfach nicht mehr zu toppen: „Zuerst dachten wir an Titel, wie ‚Wenn ich du wäre, dann wäre ich gerne ich‘ oder ‚Du siehst aus, als könnte ich ’nen Drink gebrauchen‘. Aber das ‚Beige Album‘ gibt’s ja bis jetzt noch nicht in Deutschland und so ist es halt eine Mischung aus dem schwarzen METALLICA- und dem weißen BEATLES-Album.“

Das lasse ich an dieser Stelle einfach so stehen und frage, was er von dem ganzen Medienhype um deutsche Rock/Popmusik hält, den das Grand Hotel ja definitiv nicht mitprägt, aber in dessen Kontext Bands wie KETTCAR gerne genannt werden. „Ich denke, dass jedes Land einfach die Musik kriegt, die es verdient hat. Wenn die Leute es mögen, was SILBERMOND und JULI machen, dann ist das in Ordnung. Es bringt nichts, sich über die Musik anderer Leute aufzuregen, sondern man kann halt nur sein eigenes Ding machen, wenn einem das nicht gefällt. Mit WIR SIND HELDEN war ich ja auch mal auf Tour und das sind wirklich nette Menschen und musikalisch wahrscheinlich auch mit eine der besten Bands aus der Sparte. In meinem Fall bin ich zufrieden, dass ich inzwischen von meiner Musik halbwegs leben kann, was natürlich auch an einem fairen Deal mit meinem Label liegt. Mit meiner Musik alle Leute vereinnahmen, hab ich nie vor gehabt. Das ist mir scheißegal!“
Auch was die Gesellschaft mit Menschen macht, die generell im Verruf stehen lustig zu sein, verarbeitet er, wie ich finde, auf sehr intelligente Weise in seinem Song „Klappskalli“. Hier dachte ich zunächst an meinen etwas benachteiligten Nachbarn, aber dass sich Olli selbst mit in diesen Kontext einschließt hätte ich so nicht erwartet. „Der ‚Klappskalli‘ ist erst während der Aufnahmen auf Föhr entstanden. Ich saß einen Abend mal freitags vorm Fernseher und es lief den ganzen Abend auf jedem Sender Comedy. Überall steht jemand, der die Leute zum Lachen bringen will und ich fand das alles so fürchterlich gequält. Da hab ich mir nur gedacht, wenn du jeden Abend irgendwo auftrittst und die Leute, vor allem die, die Freitags abends vor der Glotze sitzen, zum Lachen bringen musst, wirst du irgendwann nur noch auf deine Gags limitiert. Den Schmerz, den jeder Mensch nun mal auch mit sich rum trägt, sieht dann keiner mehr. Tragik und Komik gehören eben oftmals zusammen. Und mich hat an meiner ersten Platte etwas geärgert, dass viele Leute dachten, Olli Schulz ist ein Spaßvogel und das bin ich trotz aller Komik in vielen Songs nicht. Der ‚Klappskalli‘ ist daher eben eine tragische Figur, der von einem gnadenlosen Publikum nur auf seine Gags fixiert wird, und es oft schwer hat, dieser Rolle zu entkommen.“
Durch comedymäßiges Entertainment auf der Bühne und bei Dialogen auf dem Album scheint die gesellschaftliche Reaktion nachvollziehbar. Und so entwirft Olli das Bild seines Songwriterdaseins auf dem „Beigen Album“ nicht ganz neu, aber stellt sich in ein etwas anderes Licht. Hier kann getrost zweimal hingehört werden, wenn Olli eine „Geschichte“ vertont. Einen beknackten Song wie „Affenbär“ hingegen kapiert ohne Erklärung jedoch kein Mensch. „Das ist einfach ein Lied, das ich über meinen Hund geschrieben hab. Es klingt jetzt kitschig, aber er ist für mich nun mal so süß wie ein Bär und verspielt wie ein Affe. Er ist Teil meines Lebens und ich schätze besonders die ehrlichen Emotionen, die er mir entgegenbringt. Man sagt ja nicht umsonst, dass Hunde oft die besseren Menschen sind.“

Witz und Albernheiten hat der Hamburger also nicht völlig über Bord geworfen. Das wäre wohl auch nicht seine Art. So konnte er auch beim neuen Album beim Song „Bettmensch“ auf Farin Urlaub setzen, der hier den Eingangsdialog mit ihm spricht und auch im Hintergrund zu hören ist. Solche Zusammenarbeiten entstehen jedoch immer spontan und, wie im Fall Nora Tschirner (Ex-VIVA-VJ) auf dem Debüt, aus einer freundschaftlichen Beziehung heraus. „Das kam durch Zufall zustande. Ich schätze DIE ÄRZTE sehr und Farin war in der Nähe, wir haben telefoniert und er hatte einfach spontan Lust mitzumachen, was mich sehr gefreut hat.“
Nach der bevorstehenden Tour und einigen Festivals in diesem Sommer, die diesmal mit einer richtigen Band gespielt wird, bestehen schon Pläne für ein drittes Album, das ganz anders werden soll. Die Kontakte sind schon geknüpft. „Im Herbst will ich dann mal eine Platte mit meinem Alter Ego Bibi McBenson machen. Das soll dann so ’ne Mischung aus Punkrock und etwas Hartproletenhumor werden, wo ich frühere Texte verwenden will. Vielleicht mache ich das mit Nagel von MUFF POTTER zusammen, mit dem ich in Kontakt bin. Das steht aber noch nicht so richtig fest, wir quatschen im Moment nur drüber“. Das sind doch mal viel versprechende Zukunftspläne. An dieser Stelle viel Glück weiterhin und Danke Olli für ein weiteres grandioses Album in meinem Plattenregal und entspannte Autofahrten zwischen Baustellen.