Vor einem knappen Jahr landete das erste Album von NOSEBLEEDER aus Köln zum Reviewen in meinem Briefkasten und seitdem häufiger auf meinem Plattenspieler. Uptempo, rauhe Stimme, Riffs in der Schnittmenge von LEATHERFACE, HDQ und STRAWMAN, mit einer Leichtigkeit vorgetragen, dass man glauben könnte, sie würden seit den Neunzigern nichts anderes machen. Höchste Zeit mal nachzufragen, wie es seit der Veröffentlichung gelaufen ist.
Die unvermeidliche Dreifaltigkeit der Standardfragen: Wie hat alles angefangen, was habt ihr vorher gemacht und welche Motivation fürs Musikmachen habt ihr?
Daniel: Wir waren in diversen Konstellationen in anderen Bands aktiv, sind befreundet, uns in Proberäumen über den Weg gelaufen und seit etwa 2014 als NOSEBLEEDER unterwegs, mit dem Vorsatz, die ideale Vorband zu sein, indem wir möglichst schnell auf den Punkt kommen und dann die Bühne frei machen. Das passiert nämlich viel zu selten.
Eure Hinwendung zum Neunziger-Sound in der Schnittmenge LEATHERFACE/JAWBREAKER verbinde ich spontan mit Nostalgie. Hat eure Musik etwas Nostalgisches für euch?
Daniel: Nein. Obwohl es, nachdem Guido Lucas, mit dem wir damals zusammengearbeitet haben, plötzlich verstarb, eine bewusste Entscheidung war, den Sound vom SAMIAM-Album „Soar“ anzustreben. Die hat Brett Gurewitz mit Donnell Cameron im Westbeach Recorders-Studio produziert, wie so viele andere Platten auch, aber „Soar“ klingt einfach total anders und ganz eigen. Nicht dass uns das gelungen wäre, aber wir haben zu vielen modernen Aufnahmeoptionen bewusst „No“ gesagt.
Jochen: Hey, ich bin großer Nostalgiker! Hab sogar ’ne Colt Seavers Trucker-Cap. Außerdem ist Punkrock durchtränkt von Nostalgie, finde ich.
Thomas: Wir haben jetzt nicht mit dem Ansatz begonnen, Neunziger-Sound zu machen. Ich war sonst immer im deutschsprachigen Punk unterwegs und wollte mal etwas Englischsprachiges machen und dieses Genre ist eines, das wir alle mögen, da musste es so kommen.
Ab wann wird Nostalgie zu Kitsch oder sogar unangenehm?
Daniel: Wenn man darauf angesprochen wird?
Jochen: Das Musikalische kann in gewisser Weise nie nostalgisch sein, eher die Texte. Wenn man mit Ü50 und schmerbäuchig nach wie vor nur übers Saufen und Skaten und die good ol’ times singt, kann das in der Tat unangenehm werden.
Thomas: Für mich wird es unangenehm, wenn man etwas ausschließlich aus nostalgischen Gründen tut, obwohl man eigentlich wissen müsste, dass es totaler Scheiß ist.
Ernster, trocken gespielter Punkrock von Thirtysomethings wie eurer wird gerne auch mal als Adult-Punk bezeichnet. Könnt ihr dem Begriff etwas abgewinnen beziehungsweise was bedeutet er für euch?
Daniel: Nichts, man wird halt älter, jedenfalls wenn’s gut läuft. Tatsächlich befinden wir uns alle schon im fünften Jahrzehnt unserer Existenz. Dass man dann graduell zynischer wird und die Hoffnung schwindet, gehört vermutlich dazu. Jedenfalls versuche ich mein Bestes, das in den Texten entsprechend interessant zu verpacken.
Thomas: Ich bin ja froh, dass wir offenbar erwachsen klingen. Wenn ich mit über vierzig nur Leute anspreche, die nicht einmal halb so alt sind wie ich, würde ich mir Gedanken machen.
Großstädte wie Köln haben eigene Szenen und eine Reihe guter Bands in jedem Genre. Bands aus kleineren Städten sind schnell ,,die“ Band aus Stadt XY. Empfindet ihr es als Kölner Band als vorteilhaft oder von Nachteil, einer ,,größeren“ städtischen Szene anzugehören?
Daniel: Wir sind Dorfpunks in jobbedingter Diaspora, aber eine „Szene“ habe ich persönlich nie gebraucht, das gehört angenehmerweise zu meiner individuellen Definition von Punkrock. Netzwerke hingegen machen durchaus Sinn.
Jochen: Es hat vor allem Vorteile, wenn es um Gigs mit anderen Bands geht oder einen Draht zu einer Location oder einem Veranstalter.
Thomas: Es ist schon so, dass man als Band eher Schwierigkeiten hat, in einer großen Szene auf den Radar zu kommen. Mich freut es ehrlich gesagt auch, wenn man auch von Menschen wahrgenommen wird, die man nicht persönlich kennt. In der Kleinstadt wusste man nie so genau: Mögen die Leute jetzt die Musik oder kaufen sie die Platte nur, um einen zu supporten. Ich höre es gerne, wenn auch mal ein, zwei Alben im Plattenladen über die Theke gehen. Allerdings wird dir in Köln bei Konzerten dank des großen Angebots gnadenlos gezeigt, wenn du noch nicht in der Szene angekommen bist. In einer kleineren Szene sind die Läden immer voll, was ich auch sehr cool finde.
Flight 13 hat 2020 euer selbst produziertes Album „No“ noch mal neu aufgelegt, aber mit komplett neuem Artwork. Warum das?
Daniel: Auch um dem Bandnamen einen Kontext zu geben. Der Nasenbluter konsumiert kein Kokain und möchte niemandem auf die Fresse hauen. Der saß damals auf dem Schulhof unter der Tischtennisplatte und hatte Angst, dass ihm jemand seinen Corny-Riegel klaut. Aber tatsächlich wurde das im Vorfeld erbittert diskutiert.
Jochen: Das hat ein befreundeter Grafiker gemacht und als er damit ankam, sagte ich zuerst: „Cooles Scribble, kannst du ausarbeiten.“ Und er: „Nö, das soll so sein.“ Da ging die Diskussion los, auch mit dem Label. Am Ende waren wir aber alle happy.
Thomas: Ich denke, es lag daran, dass wir das Album anfangs tatsächlich mehr oder weniger für uns aufgenommen haben. Das alte Artwork fand ich künstlerisch klasse, aber konnte auch die Kritik verstehen, die sich grob zusammengefasst auf einen fehlenden Genrebezug richtete. Wenn man jetzt die Platte in der Hand hält, kann man schon drauf kommen, was einen erwartet.
Der alte DAG NASTY-Sänger Peter Cortner, heute bei FIELD DAY, singt bei eurem Song „Poe“ mit. Wo und wie treibt man Peter Cortner auf?
Daniel: Indem man zehn Jahre lang seinen Senf auf dem Messageboard der DAG NASTY-Homepage absondert. Da ist mittlerweile allerdings nichts mehr los.
Ich habe gelesen, dass ihr keine Tour am Stück spielen wollt beziehungsweise könnt. Bleibt es dabei?
Daniel: Als Adult-Punk fällt es mir mittlerweile schon schwer, einen Gig am Stück zu spielen.
Jochen: Es bleibt nicht dabei. Mit Medikamenten schaffen wir das, haha! Neues Album und Gigs sind jedenfalls in Planung.
Thomas: Wenn wir mehr als zwölf Proben pro Jahr schaffen, bin ich gesprächsbereit.
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