NO RESPECT & SCRAPY

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Zwei befreundete Bands und eine gemeinsame Liebe zur Punk- und Ska-Musik. Seit Jahren agieren die beiden politisch aktiven Gruppen gemeinsam in Europa. NO RESPECT haben Anfang des Jahres bekannt gegeben, dass sie ihre letzte Show zu Hause in Göttingen am 12. April gemeinsam mit SCRAPY spielen werden. Im Rahmen der Band-interviewt-Band-Rubrik, bat ich die Straßenpolitiker, sich einmal gegenseitig unter die Lupe zu nehmen.

SCRAPY befragt NO RESPECT

T.W. Kaiser, 30 Jahre und Gitarrist bei SCRAPY, wohnt in Vilshofen bei Passau und hat die Fragen an das NO RESPECT-Kollektiv gestellt.


Ihr löst euch im April 2008 nach zwölf- oder dreizehnjähriger Bandgeschichte bedauerlicherweise auf. Was ist los mit euch?

Unsere Bandgeschichte ist ungefähr so alt wie ihr persönlich es seid: Chris und Sauer haben die Combo 1988/89 mitgegründet, damals als vierköpfige Punktruppe. Wie so viele Probleme der Menschheit ist auch unsere Teilauflösung nicht monokausal. Zum einen nehmen Jobs und Familien tatsächlich viel Zeit in Anspruch, die für die Band fehlt. So waren wir seit der letzten Scheibe nicht mehr sehr kreativ und haben auch selten geprobt. Das wird NO RESPECT nicht mehr gerecht, wir wollen mehr. Einer von uns führt sein schändliches Dasein mittlerweile in Wiesbaden, das ist auch großer Mist, zumal er unser Kapellmeister und rundlicher Gottkaiser ist. Aus diesen Gründen hat Stevie für sich die Konsequenzen gezogen und einen Zeitpunkt festgelegt, an dem er aussteigen wird. Dabei bleibt festzuhalten, dass wir absolut im Guten auseinander gehen, da wir das alle ähnlich sehen wie er. Wir werden keineswegs älter, unser Publikum wird jünger! Außerdem baden wir regelmäßig im Jungbrunnen des Punkrock. Das hält frisch und fit.

Als Band habt ihr aus meiner Sicht eine beeindruckende Geschichte hingelegt: vier Platten veröffentlicht, hunderte Gigs gespielt, zig Länder durchquert und eine Million Leute kennen gelernt. Euer Fazit: Sind subkulturelle Strukturen nach wie vor Alternativen zur bürgerlichen Gesellschaft oder doch nur Reproduktion des Ganzen im Kleinen?

Sowohl als auch. Zum einen sind Zentren, Musik, Bands und Fanzines, also die Subkultur an sich, ein wichtiges kulturelles Gegenprojekt zum gesellschaftlichen Mainstream, der aus nahe liegenden Gründen Mist ist. Erschwinglich, antikommerziell, ein Angebot für jedermann, so sollte das sein, denn Kultur ist in unseren Augen ein Menschenrecht. Kultur, nicht Glotze. Wichtig ist das alles natürlich auch als Freiraum im politischen Kontext, ohne den wir seit langem ganz schön alt aussehen würden. Deshalb verfolgt der Staat das alles ja mit solchem Ehrgeiz. Subkultur sollte gut funktionieren, ohne viel zu kosten. Ein gewisses Maß an Professionalität, Fleiß und Enthusiasmus stehen ihr gut. Wenn Zentren und Häuser in unserer Verwaltung einfach nur verkommen und verfallen, dann kann das kein Gegenentwurf zu irgendetwas sein. Reproduktion. Die Streitigkeiten und Selbstzerfleischungen innerhalb der linken Szene sehen wir schon als eine Art Reproduktion der negativen gesellschaftlichen Einflüsse. Natürlich ist die Frage nach den Widersprüchen, nach Anspruch und Wirklichkeit ein zentrales Thema auch unserer persönlichen Leben. Wir alle wachsen in dieser Gesellschaft auf, werden früh und stetig geimpft und sind nicht frei von Fehlern. Der Subkulturelle ist nicht per se ein besserer Mensch, aber er kann es wenigstens versuchen.

Ihr spielt eure letzten Shows im März und April mit den STAGE BOTTLES und dankenswerterweise mit uns - SCRAPY. Warum ausgerechnet diese Bands, und welche Bands würdet ihr zusätzlich zu euren Freunden rechnen?

Mit diesen beiden Bands verbindet uns eine lange Geschichte. Wir sind uns immer wieder über den Weg gelaufen, haben gemeinsame Konzerte hingelegt, viel getrunken und gelacht und uns über das Schlechte in der Welt oder über unsere kleine Szene ausgetauscht. Dabei haben wir schnell festgestellt, dass wir nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich und politisch in einer ähnlichen Liga spielen. Es war alles immer völlig easy, wie zum Beispiel Absprachen über die Backline. Da haben wir schon ganz andere Erfahrungen gemacht. Hätten ZSK sich nicht aufgelöst, hätten wir die statt euch angehauen. In bester Erinnerung bleiben BRIGADA FLORES MAGON, BAMBIX, DEROZER, MOLOTOW SODA, SUPABOND oder die versoffenen Serben von den BAYONETS. Die Liste könnte lange so weitergehen.

Obwohl ihr euch ja im April als Band auflöst, arbeitet ihr bereits an einem neuen Projekt.

Genaues wissen wir selber noch nicht. Wir kommen gerade aus dem Proberaum, haben mit neuen Leuten Session gemacht und es hat großen Spaß gemacht. Mehr können wir noch nicht sagen. Sollte es weitergehen, dann auf jeden Fall als NO RESPECT, denn das sind wir nun mal. Es würde sich definitiv einiges ändern, da Stevies Weggang natürlich ein heftiger Verlust für uns ist. Durch sein geniales Bassspiel und seinen tollen Gesang hat er unsere Musik ganz entscheidend mitgeprägt. Wir waren auch menschlich ein super Team, sonst hätten wir die vielen Jahre so nicht erlebt. Auch unter diesen Gesichtspunkten werden wir ihn sehr vermissen.


NO RESPECT interviewen SCRAPY

Sauer (Schlagzeug, 40 Jahre), Volker (Saxophon, 36 Jahre) sowie Chris, (Gitarre, 44 Jahre) von NO RESPECT in Göttingen haben SCRAPY folgende Fragen gestellt ...

Ihr seid ja so ziemlich auf ganz Bayern verteilt, was das Proben nicht einfacher macht. Wie ist denn derzeit euer Bandfeeling?

Ausgezeichnet. Nach einem turbulenten Jahr 2007 mit Labelwechsel von Mad Butcher zu Grover, den zweimonatigen Aufnahmen mit neuem Drummer zu "The Smart Sensation" haben wir zwei echt schöne Kurztouren absolviert, unter anderem im Dezember mit Roy Ellis alias Mr. Symarip und den sehr coolen HARDDISKAUNT. Die Touren waren nicht zuletzt auch deshalb so genial, weil wir uns außerhalb der Band leider viel zu selten sehen und auf Tour mal wieder so ein echtes Bandfeeling hatten. Hinzu kommt, und auch das hebt die Stimmung, dass Ede und Biertom im Januar Nachwuchs bekommen haben. Wir proben eigentlich nur vor Touren oder zur Vorbereitung von neuen Platten, frei nach dem Motto: "Wer probt, hat Angst!"

Und trotzdem seid ihr auffallend produktiv. Wie kriegt ihr das hin mit dem Songwriting, wie entstehen die Lieder und Texte und wieso kommt ihr immer in das beschauliche Göttingen und Toms Out-O-Space-Studio?

Mit dem Songwriting haben wir es bisher eigentlich immer so gehalten, dass Boscho, Woif und ich, jeder für sich Songs schreibt, diese dann in die Bandprobe mitbringt, und wir dann gemeinsam arrangieren. Für "The Smart Sensation" haben wir uns eine Woche lang im Bandkeller eingeschlossen und von morgens bis abends an dem Material gefeilt. Den Großteil der Texte schreibe ich, nachdem die Songs musikalisch fertig sind, wobei Biertom seine dionysischen Ergüsse natürlich auch ab und an zum Besten gibt. Wieso immer wieder Göttingen? Erstens Gotmarstraße 9, einer der wenigen Orte, an denen man noch wirklich wohnen kann. Zweitens NO RESPECT und ROGUE STEADY ORCHESTRA, Leute, die man noch als echte Kumpels bezeichnen kann. Drittens Juzi und T-Keller, Läden, in denen man noch linksdrehendes Bier trinken kann. Viertens der Göttinger 05-Streetchoir, Leute, die noch ordentlich grölen können. Und last but not least Tom Spötter und das Out-O-Space-Studio, Leute, die immer wieder für eine Überraschung gut sind.

Wollt ihr von eurer Musik leben oder gibt es etwas wie eine alternative Berufsplanung in eurem Bandleben. Und inwieweit lassen es eure Planungen zu, ein Leben auch außerhalb der bürgerlichen Kackgesellschaft zu führen?

Wenn man von fünf Euro fünfzig im Monat leben könnte, dann wären wir Profimusiker. Aber mal im Ernst: Wer von seiner Mucke leben möchte, muss zwangsweise auf dem Musikmarkt konkurrenzfähig sein. Also muss er den Gehalt seiner Musik automatisch auf diverse Geschmäcker hin zuschneiden. Diesen Mechanismus nennt man dann, soweit ich weiß, Kulturindustrie, welche wiederum Begriffe wie Autonomie, Spontaneität und Kreativität, die Gründe also, warum es überhaupt so etwas wie Subkulturen gibt, völlig ad absurdum führt. Deshalb sagen wir uns: Lieber weniger Kohle verdienen, irgendwelche Kackjobs machen, um wenigstens in einem gesellschaftlichen Subsystem relativ frei handeln zu können. Ich weiß: "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen", "Das Ganze ist das Unwahre" ...! Ein Leben außerhalb der bürgerlichen Kackgesellschaft? Gibt es bis jetzt leider nicht. Nenn mir nur einen, der nicht irgendwie und irgendwann, sei es bei Aldi oder Lidl, in einem Dritte-Welt-Laden oder einem linken Buchladen Kohle ausgegeben hat, die dann wiederum über irgendwelche Umwege in den universellen Tausch- und Verwertungszusammenhang eingespeist wird und somit das kapitalistische Ganze reproduziert. Oder wie steht es mit dem gesamten Steuer- und Rechtssystem? Völlig unmöglich, da rauszukommen.

Wo zieht ihr für euch die Grenzen bei den Kompromissen?

Ich würde niemals für irgendeinen Großkonzern arbeiten wollen.

Immer, wenn wir in Bayern spielen, werden wir von den Cops gefilzt und genervt. Wie ist es, wenn man da leben muss?

Wenn man in Bayern lebt, dann wird man natürlich immer irgendwie und sowieso von den Cops gefilzt und genervt. Es ist in Bayern bereits verdächtig, wenn man überhaupt lebt. Es gibt aber so etwas wie zwei Bayernlande: Da ist zum einen das CSU-Bayern mit Traditional- und Katholizismus, bürgerlichem Arbeitsethos, Verwertungs- und Nützlichkeitsdenken, FC Bayern ... Es gibt aber ohne Zweifel auch das Bayern, wie es etwa von Gerhard Polt, BIERMÖSL BLOSN oder von Franz Xaver Bogner in den Fernsehserien "Irgendwie und sowieso", "Zur Freiheit", "München 7" verkörpert wird. Das ist der Spirit von 1968, der von der Gruppe SPUR aus Schwabing ausgegangen ist.