Weibliche Punk- und Hardcore-Drummer gibt es ja nicht wie Sand am Meer. Umso erfreulicher ist es, wenn eine so eindrucksvolle Dame wie die Kalifornierin Myra Gallarza mit ihrer Band BAD COPS/BAD COPS ein derartig starkes Debütalbum vorlegt. Gutes Timing und eine extrem druckvolle Produktion kennzeichnen den Drumsound auf „Not Sorry“. So war es ein Vergnügen, Myra auf dem Groezrock Festival zum Interview zu bitten.
Myra, hast du auch schon als kleines Mädchen auf den Küchengerätschaften deiner Eltern herumgetrommelt?
Ich hatte das Glück, sehr früh auf einem richtigen Schlagzeug trommeln zu können. Meine Eltern waren sehr religiös, und in unserer Kirchengemeinde gab es eine richtige Band, in der mein Großvater Gitarre spielte. Da war natürlich auch ein Schlagzeug und ich habe als Kind immer gern darauf herumgeklopft. Meine Mutter bekam sehr schnell mit, dass ich gern auf Dingen herumklopfe, und um zu verhindern, dass ich ihre Töpfe benutzte, gab sie mir einfach ihre Tupperdosen. Die waren weniger laut sowie unkaputtbar und klangen einfach besser. Da war ich ungefähr fünf Jahre alt, und als ich sieben war, habe ich angefangen, mit Drumsticks zu spielen. Ich hatte nur das Problem, dass meine Beine zu kurz waren und ich die Pedale nicht erreichen konnte. Ich wuchs sehr schnell, aber leider in die Breite und hatte daher eine größere Reichweite als andere Kinder in meinem Alter, so dass ich die Toms und Becken gut erreichen konnte.
Hast du dir die ersten Rhythmen selbst beigebracht oder hattest du Schlagzeugunterricht?
Nein, die ersten Sachen habe ich durch Zuschauen und Zuhören bei der Kirchenband gelernt. Ich hatte nie Unterricht und war Autodidaktin, aber es gab da einen Typen in der Gemeinde, der mir viel über Timing beigebracht hat und mich immer wieder korrigierte, wenn ich wieder mal zu schnell spielte. Irgendwie wollte ich schon damals immer schneller spielen als andere. Zu Schulzeiten habe ich mich dann in den Musikkursen immer für das Schlagzeug gemeldet, aber da waren jedes Jahr hunderte von Kindern, die auch Trommeln wollten, und es gab an der Schule nur ein einziges Schlagzeug. Da musste man sehr schnell sein, und ich habe nie das Schlagzeug bekommen. Also habe ich bis ich zwölf war, weiter mit der Kirchenband getrommelt, denn da hatte ich wenigstens ein Schlagzeug, auf dem ich üben konnte.
Was für Musik hast du damals zu Hause gehört?
Das war wirklich ein großes Problem, denn meine Eltern waren so religiös, dass sie alle Bands hassten, die ich gut fand. Punk habe ich mit elf Jahren für mich entdeckt und Metal ebenso, denn ich war großer KISS-Fan. Meine Eltern sahen in KISS natürlich das personifizierte Böse und ich durfte auf keinen Fall irgendwelche Poster bei mir im Zimmer aufhängen. Ich habe natürlich versucht, sie davon zu überzeugen, dass nirgendwo in den Songs von KISS der Teufel verherrlicht wird, aber das war vergebene Liebesmühe. Von der Seite meines Großvaters hatte ich einen großen Blues- und Jazz-Einfluss, so dass ich mit sehr vielen verschiedenen Musikstilen großgeworden bin.
Hattest du als Teenager die Möglichkeit, dir Live-Shows anzusehen?
Das war wirklich sehr schwierig. Ich wuchs in San Pedro auf, der Stadt, die eigentlich nur als Heimatstadt von Mike Watt bekannt ist. Als ich noch viel zu jung war, fanden dort sehr viele Punk-Shows statt, die ich nicht besuchen konnte. Ich erinnere mich aber an meine erste Punkrock-Show, in die ich zufällig hineingeriet. Ich war auf dem Weg nach Hause, als ich aus plötzlich laute Musik hörte, die offensichtlich von einer Hinterhofparty kam. Ich bin dann dahin und von den versammelten Punks, Skatern und Metalheads hat sich niemand darum gekümmert, wie alt ich war. Gespielt haben damals die NIP DRIVERS und von diesem Zeitpunk an hatte mich der Punk-Virus gepackt.
Wann hast du das erste Mal in einer richtigen Band gespielt?
Ich habe dann auf der Highschool erst mal mit Trommeln aufgehört, weil ich mich nur noch für Partys interessierte. Nach Abschluss der Highschool ging ich aufs College und habe dann 1997 mit meiner Freundin Sheila meine erste Band gegründet, in der wir – mit Unterbrechungen – 13 Jahre lang gespielt haben. Danach habe ich in einer Girl-Punkband namens RADIO SWEETHEART gespielt, die sich nach dem gleichnamigen Song von Elvis Costello benannt hatte. Zu dieser hatte ich viel zu tun und spielte zeitweise in drei bis vier Bands gleichzeitig. 2011 habe ich dann Stacey Dee in San Francisco auf der Record-Release-Party ihrer Band COMPTON SF kennen gelernt und war von der Musik total begeistert. Wir waren uns wohl irgendwie sympathisch, haben viel über Musik gesprochen und begannen, unsere Band BAD COP/BAD COP zu entwickeln. Wir probten sehr viel und die Band nahm so viel Zeit in Anspruch, dass ich alle anderen Bands aufgeben musste.
Spielst du heute nur noch mit der Band oder übst du viel für dich allein?
Früher habe ich sehr viel für mich allein zu Hause geübt, um besser zu werden. Manchmal habe ich vier bis acht Stunden am Tag neue Sachen gelernt, und da ich keine Band hatte, habe ich mir einfach die Kopfhörer aufgesetzt und das „Paranoid“-Album von BLACK SABBATH oder BLACK FLAG-Songs gespielt. Das konnte ich stundenlang tun, aber heute fehlt mir dazu meistens die Zeit, so dass ich heute „nur“ mit der Band probe.
Du hast mehrfach deine Liebe zu Heavy Metal erwähnt. Wie steht’s mit Doppelbass?
Als Kind habe ich mit einer Fußmaschine begonnen und später hat mir der Gitarrist meiner ersten Band eine Doppelfußmaschine zum Geburtstag geschenkt. Ich dachte, er will mich verarschen, denn diese Iron Cobra-Maschinen sind wirklich nicht billig, aber er war der Meinung, ich müsste sie unbedingt haben. Ich benutze sie natürlich nicht durchgängig, denn wir sind ja eine Punkband, aber für Akzente ist sie schon sehr gut. Ich habe mich daran gewöhnt und es macht viel Spaß, Doublebass zu spielen.
Sind CUNT SPARRER eigentlich noch aktiv?
Nein, mit CUNT SPARRER machen wir gerade Pause, denn Jennie und ich sind mit BAD COP/BAD COP ausgelastet und Sara ist selbstständig und wird demnächst heiraten, so dass für dieses Projekt keine Zeit bleibt. Das war aber ein sehr schönes Projekt, weil der akustische Ansatz so ganz anders war als der Krach, den ich sonst so mache. Ich hatte da einen Koffer als Bassdrum, eine Snare und Jazzbesen, denn ich musste ja leise spielen, um Akustikgitarre und Keyboard nicht zu übertönen.
Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?
Ich liebe es, die Drums hart zu bearbeiten. Wenn das Adrenalin mich durchströmt, werde ich aggressiv und versuche dann die Aggression in kontrollierte Bahnen zu lenken. Ich zerbreche viele Sticks, mein Verschleiß auf Tour ist sehr groß. Ich versuche, immer songorientiert zu spielen und verzichte gern auf unnötige Fill-ins oder sonstige Gimmicks. Ich bin keine Showfrau und spiele keine Drumsoli. Ich bin schließlich nicht Nicko McBrain und wir sind keine Metalband.
Gefällt dir die Live-Myra oder die Studio-Myra besser?
Ich liebe die Live-Myra sehr, denn die Studio-Myra ist mir einfach zu zahm. Im Studio muss man sich gut benehmen und immer sein Bestes geben. Als wir das erste Mal im Studio waren, nannten mich die anderen „One-Take-Myra“, weil ich eigentlich nie einen Song zweimal spielen musste. Das war bei unserem BAD COP/BAD COP-Album ganz anders, denn da habe ich viele Songs mehrmals eingespielt. Wir hatten zwar die einzelnen Songs geschrieben, aber viele waren noch nicht fertig, so dass wir im Studio noch reichlich daran arbeiten mussten. Ich wusste bei manchen Sachen noch nicht, was und wie ich dazu spielen sollte und war am Ende total überrascht, wie großartig das ganze Album klang. Der Studioaufenthalt war also eine tolle Erfahrung für uns.
Kannst du dir vorstellen, dich auch mal an anderen Instrumenten auszuprobieren?
Die Mädels würden es gern sehen, wenn ich mich mal am Mikro versuchen würde, weil ich wohl ganz gut singen kann, aber ich habe das bisher immer abgelehnt. Ich möchte mich ganz auf das Trommeln konzentrieren und finde es wirklich sehr schwer, zu singen und gleichzeitig die Drumparts richtig zu spielen. Ich habe das mal versucht, empfand es aber als zu schwer, zumal ja nicht jeder so ein Naturtalent ist wie Duncan Redmonds von SNUFF. Beim Singen muss man sich darauf konzentrieren, dass man die Töne trifft und gleichzeitig soll man dann in Hochgeschwindigkeit die Drumparts sauber spielen. Nein, dass wollte ich nicht tun, denn am Ende würde es vielleicht so schrecklich klingen wie bei Phil Collins.