MR. REVIEW

Foto

Keep the fire burning!

„Keep the fire burning“ ist wohl einer der legendärsten Aufrufe der „Third Wave“-Zeit und gleichzeitig der Titel eines der besten Ska-Live-Alben überhaupt. Seit nun 25 Jahren schmettert „Docta Rude“, Sänger der niederländischen Uptempo-Ska-Ikone MR. REVIEW, einem dieses Motto von der Bühne aus um die Ohren. Diese Band, die sich in den Neunzigern absoluten Legendenstatus erspielte und bis heute in weiten Teilen Europas eine große Fangemeinde hat, durchlebte seither viele unterschiedliche Schaffensphasen. Die neue Veröffentlichung trägt den Titel „XXV“ und klingt – unzählige Jahre nach dem letzten Album – erneut 100% nach MR. REVIEW. Zusammen mit Arne Visser, Songwriter und Gitarrist der Band, versuche ich eine kleine Bestandsaufnahme.

Im Jahr 1983 ist wohl kaum einem der Beteiligten klar, dass man rund 25 Jahre später weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus immer noch gefeiert und einen ganz eigenen, besonderen Status in der europäischen Ska-Szene innehaben wird. Man beginnt, beeinflusst durch die damaligen Chart-Erfolge von Bob Marley, MADNESS oder den SPECIALS, aber erst einmal mit Reggae, bevor man sich entscheidet, ganz auf Ska umzuschwenken und die Pubs im örtlichen Nachtleben von Amsterdam zu bespielen. „Die Geschichte von MR. REVIEW begann mit Docta Rude, Roel Ording und mir als frühen Kern der Band in einem örtlichen Jugendclub. Wir brauchten keine Miete zu zahlen, mussten aber zwei Mal im Jahr dort auftreten. Das muss furchtbar gewesen sein, da wir unsere Instrumente zu der Zeit nicht wirklich spielen konnten“, erinnert sich Arne Visser an die frühen Tage.

Der erste große Wurf gelingt MR. REVIEW mit dem Album „Walking Down Brentford Road“, einem Meilenstein des europäischen Ska. Hier gibt es zum ersten Mal diesen total typischen, weil melancholischen Sound, für den die Band bis heute so geliebt wird. „Another town“ oder „Ice & snow“ sind noch heute Highlights eines jeden Live-Sets der Niederländer. Visser, gibt an, beim Schreiben von allen möglichen Stilen und Künstlern beeinflusst worden zu sein. Weiter sagt er: ,,Wenn ich einen neuen Song schreibe, bringe ich viele Dinge zusammen und versuche nicht zwingend, etwas ganz Neues zu erschaffen. Alles, was man irgendwann mal irgendwo abgespeichert hat, kommt dann zum Tragen ... Es passiert einfach.“

Die Band spielt unzählige Konzerte in ganz Europa und bringt 1994 ihr zweites Studioalbum „Lock, Stock & Barrel“ heraus, auf dem insbesondere Songwriter Arne Visser sein gesamtes Können unter Beweis stellt: „One way ticket“, „The girl is money“ oder die sensationelle Ska-Ballade „Rainy day“, um nur drei der Hits auf dem Album zu nennen. Nachzuhören ist diese Ansammlung von Highlights auch auf „Keep The Fire Burning“ einem der herausragenden Ska-Live-Alben, das bei Konzerten in Deutschland aufgenommen und 1998 auf Grover Records veröffentlicht wird. Das Münsteraner Label veröffentlicht die meisten Alben, neben den genannten noch zwei Singles, eine EP sowie die Best-Of-Compilation „One Way Ticket To Skaville“, und kümmert sich auch lange um das Booking der Band und ist somit nicht ganz unschuldig an der bis heute ungebrochenen Popularität von MR. REVIEW. „Wir haben für sehr lange Zeit mit Grover/Moskito zusammengearbeitet. Wir waren von Anfang an sicher, von dieser Kooperation zu profitieren. Viele Dinge ändern sich im Laufe der Zeit und so kümmern wir uns mittlerweile selber um unser Business.“, sagt Arne mit Rückblick auf die lange Zusammenarbeit.

1999 trennen sich MR. REVIEW. Einige Mitglieder schließen sich der 1998 ebenfalls in Amsterdam gegründeten Band RUDE RICH & THE HIGHNOTES an, die sich dem traditionellen Rocksteady verschrieben hat und auch als Backing-Band jamaikanischer Größen wie Derrick Morgan, Winston Francis oder Rico Ridriguez aktiv ist. Um Arne Visser und Docta Rude wird es für einige Zeit ruhiger. „Es gibt da keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Phasen der Bandgeschichte. Dinge ändern sich einfach. Als wir uns Ende der Neunziger trennten, taten wir das, weil es an der Zeit war. Frauen, Kinder, Familie – das alles spielte nach und nach eine immer größere Rolle und das ist normal. Wir waren nicht mehr der Haufen junger Typen, der wir mal waren“, so Arnes Kommentar dazu.

Die Pause währt allerdings nicht für lange. Gitarrist Arne und Sänger Rob sowie Saxophonist Remco beschließen 2001 zusammen mit ein paar anderen Musikern weiterzumachen. Sie gehen fortan als RUDE & VISSER aka MR. REVIEW auf Tour und nehmen 2002 die „Red Rum EP“ auf. In diesem Jahr gibt es seitens Docta Rude bei einem Konzert zum ersten Mal die Ankündigung eines neuen Albums – die Arbeit an diesem sollte sich dann jedoch über viele Jahre hinziehen. Die langsam, aber sicher zum Ritual werdenden Ankündigungen aber werden zu einer Art Running Gag in der Szene. Durch das veränderte Line-up – zwei Saxophone statt des vollen Bläsersatzes – klingt alles etwas anders und man spielt in der neuen Besetzung auch gefühlt einen Takt schneller, doch nichtsdestotrotz klingen RUDE & VISSER nach MR. REVIEW. So tourt man nun ähnlich viel wie vorher, auch oft in Deutschland, wo man nach wie vor einen guten Ruf genießt und das Publikum in seiner Zuneigung keinen großen Unterschied zur ursprünglichen Band macht.

Im Jahr 2009 formiert sich die Band neu. Nachdem Gründungsmitglied Remco die Band verlässt, gibt es nun wieder einen „großen“ Bläsersatz mit Saxophon, Trompete und Posaune. Außerdem stoßen mit Annemieke Henrichs und Pier Borkent zwei neue, weitaus jüngere Mitglieder zur Band. Zu der Frage, ob so etwas nicht generell, gerade auf Tour, schwierig sei meint Arne Visser: „Klar, was das Alter angeht, könnten einige meine Kinder sein. Aber das ist egal, wir haben unsere neuen Musiker gut ausgesucht. Der richtige Spirit ist wichtig. Wir arbeiten zusammen an der Musik und an der Band, da spielt Alter keine Rolle. Wir verbringen unzählige Stunden zusammen in Bussen, Hotels oder an Flughäfen und wir haben dabei nach wie vor eine Menge Spaß – das ist großartig.“ Man nennt sich wieder MR. REVIEW und nimmt alte Dauerbrenner, die zwischenzeitlich nicht mehr gespielt wurden, wieder ins Live-Set auf. Plötzlich hört man Titel wie „Rudeboy’s rhapsody“ oder das geniale „Chasing“ wieder live. Irgendwie scheint alles etwas frischer als früher zu sein, wenngleich Visser das heute anders sieht: „Ich glaube nicht, dass es gegenüber den früheren Jahren einen anderen Ansatz bei uns gibt. Es ist immer schwer, eine Tracklist zusammenzustellen, da wir einfach so viele Songs haben, die die Leute hören wollen. Wir als Band wollen natürlich ebenfalls auf jeden Fall unsere neuen Stücke präsentieren und schließlich waren die alten auch mal neu und wussten zu überzeugen.“ Recht hat er. Was im Jahr 2010 nun noch fehlt ist eigentlich nach wie vor das seit einer gefühlten Ewigkeit angekündigte „neue“ Album.

Im gleichen Jahr ist es dann tatsächlich soweit. Die Band, mittlerweile mit scheinbar neuem Elan und neuer Website veröffentlicht „XXV“ anlässlich des 25. Bandjubiläums. Erst mal ohne Label, denn man möchte die Dinge zukünftig wieder selbst in der Hand haben. Das neue Album, „XXV“, das man nun, Anfang 2012 nun doch noch mal offiziell beim Label Pork Pie Records veröffentlicht, ist die konsequente Weiterführung der bisherigen MR. REVIEW-Alben. Viele Tracks hat man als Fan bereits diverse Male live erleben können, da das Album ja, wie gesagt, seit ungefähr zehn Jahren „in der Mache“ ist und viele Stücke länger schon gespielt werden. Es gibt insgesamt zwölf Tracks voller Uptempo-Ska, langsamere Songs sowie ein Dub-Titel. Mit „Niet naar huis“ ist sogar die niederländische Version von „Where the carpark ends“ darauf zu finden. Für Fans ist das alles genau das Richtige. Man hat nicht mehr erwartet von den Herrschaften, aber, und das darf man bei allem, was zur Zeit so veröffentlicht wird auch sagen, nicht weniger.

Auf die Frage, ob auf der Platte auch Stücke aus der Feder anderer Bandmitglieder zu hören sind, sagt Visser sehr überzeugt: „Nein, als Songwriter bin ich so eine Art ,russischer Diktator‘. Abgesehen von ein paar Coverversionen in der Vergangenheit und einem Song von Remco, habe ich alles geschrieben. Das Schreiben macht mir, seit man es mir erlaubt hat, als wir vor 25 Jahren anfingen, mit am meisten Spaß.“

Welches ihrer Alben ihnen wohl selber am besten gefällt? „Kann ich nicht sagen. Es ist natürlich so, dass man von jedem Album, an dem man gerade arbeitet, denkt, es sei das Beste. Das muss ja auch so sein. Es gibt kein Album auf der Welt, auf dem ich jeden Titel toll finde – das gilt auch für meine eigenen. Es gibt schon Unterschiede zwischen einzelnen unserer Alben – weniger bei den Songs, als in der Art, wie sie entstanden sind und welche Musiker gerade beteiligt waren, um der Musik ihren Stempel aufzudrücken. Ich war an allen Alben beteiligt und eines kann ich sagen: Man lernt ständig weiter dazu. Ich bin total glücklich mit ,XXV‘, obwohl ich auch daran noch was zu meckern hätte. Man bekommt es halt nie perfekt hin. Aber man gibt sein Bestes“, ist Arnes Meinung dazu.

Live funktioniert das alles genauso gut wie eh und je. MR. REVIEW, das ist in der Wahrnehmung vieler erst einmal das Frontduo Arne Visser und Docta Rude. Ihre Sonnenbrillen, die Mundharmonika von Visser und der Kilt, mit dem Rude auf der Bühne herumtanzt wie ein Besessener, die klassische Rampensau mit einer Ausstrahlung, die einen ohne Umschweife in seinen Bann zieht, während Songwriter und Gitarrist Visser sich etwas zurückhält, aber ebenfalls das gewisse Etwas mitbringt, das die beiden so beliebt macht.

Bleibt nun eigentlich nur noch, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Das allerdings scheint nicht das Thema von Arne Visser zu sein. Auf die Frage nach zukünftigen Aufnahmen, einem möglichen weiteren Album in der nächsten Zeit oder etwaigen Tourplänen, bekommt man ein süffisantes Abschlussstatement von ihm:„Hm, sehr optimistisch von dir! Bei der Regelmäßigkeit, in dem wir veröffentlichen, was meinst du? Denk nicht so viel über so was nach ... wir werden sehen!“