Zwei Dinge vorweg: CULM kommen aus Rheine. Und Rheine ist nicht Münster. Trotzdem qualifizieren sich CULM gleich mehrfach für den Tanz auf dieser Hochzeit: Rheine wäre gerne Münster. Rheine liegt ganz dicht bei Münster. 25 Prozent der Bandmitglieder wohnen bereits hier. Im Gleis 22 und bei Green Hell finden sich zeitweilig mehr CULM-Aufkleber als Umhängetaschen auf einem Indiekonzert. Die meisten hiesigen Dischord-Fans mit Gitarre im Schrank würden gerne in einer Band wie CULM spielen. Spätestens seit dem Erscheinen ihres Debüts auf Miyagi Records.
Kanonenfutter im 16. Jahrhundert" - so hätten sie sich gerne genannt. Aber "CULM" war letztendlich doch die knackigere Alternative. Lässt sich ja auch viel schneller aussprechen. Vier junge Männer wollen nicht viel Zeit verlieren mit Dingen, die nicht ihre Musik sind. Gerade einmal zwei Jahre Bandgeschichte können sie vorweisen. Normalerweise bringt es eine Band in dieser Zeit nur zu einem Namen und einem klapperigen Demo. Vielleicht noch ein paar Konzerte.
CULM sind da anders. Bereits drei hochklassige D.I.Y.-Veröffentlichungen haben sie vorzuweisen, bevor im Januar ihr Labeleinstand folgt. Am Ende dieses Jahres werden sie mehr als 50 Konzerte gespielt haben. CULM fackeln nicht lange. "Wir lassen die Songs nicht lange liegen, bevor wir sie aufnehmen", sagt Sänger Christoph. Wozu auch? Viel besser kann sie wahrscheinlich auch gar nicht werden, ihre schräge Indie-Musik mit dem schweren D.C.-Einschlag. Ein bisschen Washington in der Provinz. Dabei kann man sie gar nicht auf einen bestimmten Sound festlegen. Christoph gibt sich viel Mühe, möglichst wenig Pop in die Melodien zu bringen. Trotzdem braucht man kein Postcore-Diplom, um Zugang zu den Songs zu finden. Das Chaos findet nämlich nur vordergründig statt, und dahinter warten die großen Momente. Keine Frage, diese Musik meidet die längst ausgetretenen Pfade, auch die ruhigen Momente wühlen auf, haben internationalen Tiefgang. Kompromisslos und brutal brechen CULM mit den gängigen Strukturen.
Bis vor kurzem sind sie noch ganz ohne fremde Hilfe ausgekommen. Darauf ist Christoph besonders stolz: "Wir machen alles selbst" - und zwar per Hand. Von den Aufnahmen im eigenen "Tanztee-Studio Rheine" bis zum fertigen Endprodukt in einzigartigem Design. In nächtelanger Heimarbeit haben sie Schriftzüge auf Metallboxen geätzt, Pappcover gestanzt, Textblätter gefaltet, T-Shirts und Aufnäher bedruckt. Die CDs gehen zum Selbstkostenpreis raus. In Zeiten, in denen viele Bands einfach eine Hunderterwurst-CD-Rohlinge durch Brenner und Drucker schieben und das rumpelige Ergebnis viel zu teuer verkaufen (möchten), verlangt das CULM-Konzept "Handarbeit für wenig Geld" Respekt.
Nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Bandkarriere sicher nicht geplant. "Es ist ohnehin schwierig, was zu werden, mit dem Stil, den wir spielen", klärt Schlagzeuger Martin über die internen Zielsetzungen auf. Man könne eben nichts erzwingen. Und so erhoffen sich CULM zunächst ganz realistisch eine gute Zusammenarbeit mit dem neuen Hamburger Label Miyagi Records, die übrigens auch für Klasse statt Masse eintreten.
Das Quartett hat sich also noch nicht eingemietet ins Luftschloss "Zum Heiligen Rockstar". Trotzdem ist die Ernsthaftigkeit, mit der Christoph und Martin über ihre Band reden, bemerkenswert. Verstehen sie Spaß? Martin: "Wir sind total spaßige Typen, aber sobald es ans Mucke machen geht, sind wir ernst." Auch den Texten lässt sich wenig Humor entnehmen. Dafür liegen Christoph die kritischen Inhalte zu sehr am Herzen. CULM ist eine Band, die eben nicht Beziehungsprobleme und postpubertäre Selbstfindung in den Mittelpunkt stellt, sondern sich traut, übergeordnete Probleme, Politik und Gesellschaft seriös zu thematisieren. Mit Soziologiestudententum hat das nichts zu tun. Dafür sind CULM viel zu gut.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Arne Koepke