Für diese Ausgabe unserer Drummer-Spezialserie haben wir einen echten Tausendsassa der heimischen Schlagzeugerzunft gewinnen können. Caddy spielt beziehungsweise spielte in so vielen verschiedenen Bands, dass wahrscheinlich jeder von euch die eine oder andere Platte im Schrank stehen hat, auf der seine unglaublich tighte Art zu trommeln zu hören ist: BAMBIX, CHEFDENKER, CASANOVAS SCHWULE SEITE, WOHLSTANDSKINDER, SCHROTTGRENZE, SUPERNICHTS, ANGELIKA EXPRESS, KNOCHENFABRIK, MOLOTOW SODA ... Da er außerdem einer der wenigen Punk-Drummer sein dürfte, die eine solide musikalische Ausbildung genossen haben, entwickelte sich ein besonders spannendes Gespräch über die unterschiedlichen Aspekte von Ausbildung und Intuition während seiner langjährigen Karriere als Drummer-Boy.
Caddy, bist du als kleiner Junge schon deiner Mutter auf die Nerven gegangen, weil du auf ihren Töpfen und Pfannen herumgetrommelt hast?
Nicht dass ich wüsste. Meine erste Wahl war das Keyboard, weil ich meinen großen Bruder auf einer Urlaubs-Animationsveranstaltung zu irgendeinem Playback-Song an einer Orgel habe rumposen sehen. Damals war ich neun oder zehn und ziemlich talentfrei. Mir fehlte jegliches Gefühl für Rhythmik und der Intellekt, um zu begreifen, was Noten von mir wollten. Mit zwölf gestand ich meiner Mutter unter Tränen, dass ich nun endgültig vor dem Instrument kapitulieren werde. Allerdings hatte ich da schon zwei Kumpels, die jeweils ein Drumset im Keller stehen hatten. Einer war schon ziemlich weit für sein Alter und der konnte mich für die Schießbude begeistern. Ich stellte fest, dass mir die Koordination für den Vierviertel-Rockbeat recht leicht fiel, und die Tatsache, dass der andere Kumpel deutlich größere Schwierigkeiten als ich hatte, brachte mich darauf, dass das wohl das richtige Instrument für mich sein musste. Leider zeigte mir meine Mutter den Vogel, als ich den Wunsch nach einem Drumset äußerte. Ich verbrachte zwei weitere Jahre mit Quengeln und der Trommelei mit Essbesteck auf Sessellehnen, bis Muttern entnervt aufgab, und mit vierzehneinhalb stand zu Weihnachten mein erstes beschissenes Japan-Sperrholz-Kackset in meinem Kinderzimmer.
Haben deine Eltern dir nur das Schlagzeug hingestellt oder auch auf Unterricht gedrängt?
Unterricht war Bedingung. Der Lehrer wurde per Kleinanzeige im Dorfblatt gesucht und gefunden. Das war der Sohn des musikalischen Leiters scheinbar jeder Schützenvereinskapelle. Der war zwar einerseits eine coole Sau mit langen Haaren und einer Vorliebe für Hardrock, andererseits aber auch der Sohn seines Vaters, und so gab es im Unterricht für mich erst mal zwei Jahre ausschließlich die Marschtrommel. Und auch sonst waren die Unterrichtsinhalte recht trocken, was so überhaupt nicht zum Lehrer passen wollte.
Hast du damals schon daran gedacht, eine Band zu gründen, oder nur so für dich im stillen Kämmerlein getrommelt?
Na ja, ich war ein pubertierender, inzwischen dem Rock’n’Roll anheim gefallener Jugendlicher, ein Trotzkopf, bewaffnet mit einem Schlagzeug. Ich hatte auch ein Skateboard, aber um damit Eindruck schinden zu können, war ich zu dick und zu unsportlich, also war es sonnenklar, dass ich schnellstmöglich mit meinen Kumpels eine Band gründen und Rockstar werden würde. Alles andere schloss ich ab diesem Zeitpunkt aus. Ich hatte vier Freunde mit ähnlichem Musikgeschmack. Bis zur ersten Band dauerte es aber noch ein paar Jahre, und so sahen wir eine zeitlang unsere Aufgabe darin, in der neunten und zehnten Stunde im Musiksaal der Schule Sprünge mit Gitarre von Tischen und Mikrofonwirbeln zu üben oder uns im Keller des Gitarristen zu betrinken und dabei zu proben.
Welche Schlagzeuger haben dich in deiner Jugend begeistert?
Natürlich die der Bands, die ich hörte. Am liebsten die, die auch optisch was hermachten, sprich die mit großem Set: Lars Ulrich, Alex Van Halen, Dave Lombardo, Rikki Rockett und natürlich Charlie Benante von ANTHRAX! Und Bela B, weil er im Stehen spielte. Das Geile an Ulrich und Lombardo war, dass sie hart und schnell spielten und dabei technisch unsauber waren, erstgenannter mehr, letzterer weniger. Purer Körpereinsatz! Das konnte ich auch und sie dürften somit als Vorbilder gelten.
Übst du heute auch noch manchmal für dich allein oder immer nur mit einer deiner Bands?
Das hat beides seinen Reiz, weil es einen zu einem tighten Drummer macht. Und je tighter ein Drummer einfachen Kram spielt, um so mehr schiebt es nach vorn. Für mich selber will ich aber noch viel mehr können. Geübt habe ich erst, indem ich die Platten genannter Bands mittrommelte. Das hat sich radikal geändert, nachdem ich 2007 ein komplettes Studienjahr am Drumset verbrachte, um hinterher so ein komisches Institutsdiplom zu haben. Ich habe also von hinten nach vorne gelernt. Zuerst mit 16 Jahren Band die komplette Praxiserfahrung abgefrühstückt, und danach erst in Theorie, Technik und die verschiedensten Stilistiken sowie Didaktik eingetaucht. Da ich im weitesten Sinne ausschließlich in Punkbands spiele, wo das Drumming zwar intensiv, aber doch in Fragen der Originalität limitiert ist, und ich eben auch an Musikschulen unterrichte, beschäftige ich mich neben den Bands mit komplett anderen Sachen wie Marschtrommel, Jazz, Latin-Grooves und Technik.
Füllst du dich durch die Punk-bedingten Stilmittel-Limits manchmal gelangweilt und würdest gern noch mal ganz andere Sachen ausprobieren?
Ich kann mir schon vorstellen, was anderes als Punk-Musik zu spielen. Naheliegend wäre natürlich irgendein Metal- oder Stoner-Zeug, gerne auch Psychedelic oder schön harten, dreckigen Funk. Aber es geht eigentlich nicht um die Musik, sondern um die Leute, mit denen man sie spielt. Wenn ich mich menschlich wohlfühle, kann ich alles spielen. Wenn nicht, muss die Musik schon sehr gut sein – oder die Kohle stimmen. Zwei von diesen drei Voraussetzungen sollten immer erfüllt sein.
Studioarbeit oder Live-Auftritte, wo bringt oder brachte dir das Studium besondere Vorteile?
Live-Auftritte. Ich hasse Studioarbeit. Sie zeigt dir deine Schwächen. Und wenn man nicht gerade Steve Gadd ist, der Platten im Vorbeigehen und in ausschließlich geil groovenden First Takes einspielt, macht das einfach keinen Spaß. Allerdings muss es eben sein, man lernt ja auch unglaublich viel dabei. Über Equipment, Aufnahmetechnik und über sich selbst. Beim Live-Auftritt geht es nur um Ausdruck und die Frage, ob du die Meute kriegst oder nicht. Wie fehlerfrei du spielst, ist dabei nebensächlich. Gut bist du, wenn du scheiße spielst und die Leute trotzdem begeisterst. Ich bin Rock’n’Roll-Romantiker, und in meiner Welt hat ein Musiker sich den Arsch abzutouren und zu spielen. Sauanstrengend, aber eben auch sehr ehrenvoll. Das Institutsstudium hat mich zu einem viel bewussteren und effektiveren Drummer gemacht. Vorher kam alles aus dem Bauch, während des Studiums eher aus dem Kopf, vielleicht auch ein bisschen zuviel, heute ist es die richtige Mischung. Ein praktisches Beispiel war meine Tour mit den GO FASTER NUNS, da hatte sich der Drummer beide Beine gebrochen, es stand aber „leider“ eine Rutsche als Support für die DWARVES an. Also habe ich angerufen und „Ich mach’s!“ gesagt. Am nächsten Tag bin ich nach Bielefeld gefahren und schlug pünktlich zum Soundcheck auf. Das war unsere erste Probe, drei Stunden später dann das erste Konzert. Vom Blatt. Voll Punk. Ohne die ernsthafte Schlagzeugausbildung hätte ich das nicht gekonnt.
Bei wie vielen Bands hast du maximal parallel gespielt und wie viele Songs kannst du direkt aus dem Stehgreif spielen, ohne lange überlegen oder üben zu müssen?
Der Rekord liegt bei fünf Bands gleichzeitig. Momentan sind das BAMBIX, CHEFDENKER, CASANOVAS SCHWULE SEITE, ANGELIKA EXPRESS, und mit MOLOTOW SODA üben wir gerade die Songs für ein kommendes Album ein. Wenn ich das Live-Repertoire der Bands zusammenzähle, komme ich schon auf über 100, dazu kommt mein Fan-Repertoire. Wenn man in einem Stil zu Hause ist, kann man ja das Meiste spielen, wenn man den Song oft gehört hat.
Wirst du von irgendwelchen Firmen unterstützt, da man dich ja sicherlich als Profimusiker bezeichnen kann?
Nein. Ich habe einmal bei einem Beckenvertrieb angefragt, als es mit THE WOHLSTANDSKINDER ganz gut abging. Die wollten nur wissen, wie viel TV-Auftritte ich im Jahr habe. Konnte ich nicht beantworten, also kein Deal. Wie überall im Musikfotzenbusiness kommt es auf Vitamin B an, auch wenn man ein Endorsement will und nicht gerade bei METALLICA spielt. Und weil ich keinen Bock habe, freundlich zu einem Vertriebswiderling zu sein und dann auch noch irgendwo seinen Namen abzufeiern, kaufe ich mir den Kram also lieber selbst. Das tut zuweilen ganz schön weh, aber ich kann nicht anders.
Wie bringst du deine vielen Bands unter einen Hut und bleibt da noch Zeit für so etwas Nebensächliches wie Familienleben?
Den Überblick zu behalten, kann anstrengend sein, und manchmal müssen meine Mitlärmer schon ein bisschen Geduld aufbringen. Wenn alle fünf Bands gleichzeitig aktiv sind oder auf ein Release hinarbeiten, bedeutet das eine Sieben-Tage-Woche mit 15 Stunden Arbeit am Tag. Andererseits haben die Musikschulen drei Monate im Jahr geschlossen, und im letzten Winter hatte ich bedingt durch Babypausen von Mitmusikern und anderen Umständen gar keine Shows. Das kommt also schubweise. Obwohl ich anscheinend sehr gut mit Kindern kann, habe ich als Überzeugungstäter das Thema Familienplanung für mich bis dato ausgeschlossen und kann mir das auch nicht vorstellen, weder finanziell noch als Lebenssituation.
Wenn du dir was wünschen dürftest, mit wem würdest du gern einmal in einer Band zusammen spielen?
Das ist nicht leicht, und jeder Wunsch birgt vor allem in Kombination mit anderen Musikern Gegenargumente in sich. Es gibt ja außerdem den musikalischen als auch den menschlichen Aspekt. Ein super Musiker kann ja auch ein Riesenarschloch sein, und der beste partner in crime ein lausiger Musiker. Rein musikalisch gesehen würde ich momentan sehr gerne mal der Drummer von MOTORPSYCHO sein. Und ich würde die Seele meiner Mutter verkaufen, wenn ich bei den HELLACOPTERS hätte trommeln können! Und immerhin meine eigene, um es bei IMPERIAL STATE ELECTRIC zu tun.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #114 Juni/Juli 2014 und Christoph Lampert