MEANBIRDS

Foto© by Arne Marenda

Eine neue Liebe

... ist wie ein neues Leben. Dass mal in einem Fuze-Interview Schlagertexte zitiert werden, gibt es auch nicht oft. Bei Magenta, Sänger und Gitarrist der MEANBIRDS aus Nürnberg, machen wir es trotzdem.

Der Schlagersänger Jürgen Marcus sang mal „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ – gilt das auch dafür, eine neue Band zu gründen? Man könnte ja auch annehmen, dass man irgendwann mal die Schnauze voll hat von der Musik. Wie fühlst du dich gerade mit MEANBIRDS?

Es hat auf jeden Fall etwas Erfrischendes. Wäre dem nicht so, sollte man es vielleicht auch gleich wieder sein lassen. Aber wenn man was Neues startet und merkt, dass alle mitziehen, macht das natürlich richtig Spaß. Die Kunst ist es nur, sich diese Frische auch langfristig zu erhalten. Leider zermürbt jahrelanges und intensives Touren, Proben, Studio- und Promotionarbeit viele Bands. Das war bei mir am Ende von REJECTED YOUTH auch so. Daher versuchen wir, irgendwie aus den Fehlern früherer Bands zu lernen. Im Moment ist das Einzige, was richtig nervt, die Situation rund um die Corona-Pandemie. Aber das liegt ja nicht in unserer Hand und geht natürlich allen Bands so.

Wenn man eine neue Band gründet, legt man ja einige Grundsteine für die Karriere: War eure Entscheidung, als Trio loszuziehen, eine bewusste? Was sind deiner Meinung nach die Vorteile von einer eher kleinen Besetzung?
Am Anfang war das schon eine bewusste Entscheidung. Allerdings hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass man so schneller vorankommt. Die Zeiten, in denen man als Teenager noch endlos viel Zeit im Proberaum verbracht hat, sind leider vorbei. Jeder von uns hat neben der Band viel um die Ohren und so wird es, je mehr Leute daran beteiligt sind, auch immer schwieriger, Termine für Proben zu finden. Das nervt dann schnell und killt nach kurzer Zeit jede weitere Motivation. Ich wollte zügig mit der Band vorankommen und baldmöglichst Songs aufnehmen, um dann live spielen zu können. Im Gegensatz zu früher nimmt dich ja heutzutage kaum jemand wahr, wenn du nicht gleich zu Beginn ein Album, Videos und Promo am Start hast. Aber die aktuelle Konstellation ist wirklich cool, weil jeder Bock auf die Band hat und auch vorankommen will. Das Trio-Ding ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Für Live-Shows ist auf jeden Fall geplant, mit einer zweiten Gitarre zu spielen, damit wir die Songs auch optimal umsetzen können. Wir wollen keine weiteren Spuren vom Band ablaufen lassen, wie es aktuell so viele machen. Und wer weiß, vielleicht werden wir sogar irgendwann mal noch zur Big-Band mutieren. So à la WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY. Fände ich auch spannend.

Ich muss sagen, dass euer Album ziemlich rough klingt, anders als die Hochglanzproduktionen, die man momentan sonst so vorgesetzt bekommt.
Da wir ja erst Ende 2018 angefangen haben, zu proben und die Songs zu arrangieren, hatten wir zu Beginn der Studioarbeit selber noch gar keine endgültige Vorstellung davon, wie wir eigentlich klingen wollen. Wir waren da noch mittendrin, unseren eigenen Sound zu finden. Wir wussten nur ziemlich genau, wie wir nicht klingen wollen. Wir wollten definitiv keinen glattgebügelten, austauschbaren Sound. Nicht noch eine 08/15-Punkrock-Produktion. Soll nicht heißen, dass jetzt alle aktuellen Bands scheiße klingen, aber bei mancher Produktion klingt das doch etwas beliebig, steif und totkomprimiert. Ich selber stehe sehr auf die Punk-Platten der Achtziger Jahre und deren rudimentären Sound. Die meisten davon würden wohl viele im Vergleich zu den heutigen Standards als soundtechnische Katastrophe bezeichnen. Aber die Platten von REAGAN YOUTH, MISFITS, 7 SECONDS, MINOR THREAT, ADOLESCENTS, BLITZ, CRASS, etc. leben auch irgendwie davon. Die Aufnahmen haben etwas, das du auch mit dem teuersten Equipment nicht reproduzieren kannst. Ich weiß nicht genau, wie ich es definieren soll, aber die Aufnahmen haben für mich mehr Seele. Und das fehlt eben leider vielen Produktionen heute. Wir hatten also schon vor, soundtechnisch eine gewisse Lebendigkeit und Roughness einzufangen. Auch einer der Gründe dafür, im Studio live aufzunehmen. Eher durch Zufall hat ein Freund von Stefan von unserer ersten Live-Show einen Mitschnitt gemixt und als wir das gehört hatten, wussten wir endlich, dass das die Richtung ist, in die wir mit diesem Album gehen wollen. Er hat es wirklich gleich auf Anhieb ganz gut verstanden, wonach wir suchten.

Wie sehr sitzt ihr gerade auf heißen Kohlen? Ich meine, neue Band, neues Album, und dann darf man keine Shows spielen. Was stellt ihr an, um das irgendwie zu kompensieren?
Das ist schon eine etwas absurde Situation für uns als Band. Da hat man sehr intensiv eineinhalb Jahre an einem Album gearbeitet, um endlich loslegen zu können, und dann zieht das Virus einem den Stecker, kurz bevor alles starten soll. Für eine Band, die gerade komplett am Anfange steht, ist das natürlich nicht optimal – aber wir wollen jetzt auch nicht ewig darüber jammern. Es ist eben eine außergewöhnliche Situation, in der wir uns befinden. Weitaus schlimmer ist es für alle, die gerade dadurch ihre Lebensgrundlage verlieren oder schon verloren haben. Oder noch mehr: die es gesundheitlich betrifft. Wir versuchen, die Zeit einfach bestmöglich zu nutzen und ein paar Videos zum Album zu produzieren. Eben das, was wahrscheinlich derzeit alle tun. Nur auf diese „Live from Home“-Streams, die gerade sehr viele machen, hatten wir definitiv keinen Bock. Mag sein, dass das eine neue Form der Promo ist, aber zum einen gibt es so viele davon, dass die meisten, vor allem kleinere Bands sowieso nur insignifikante Reichweiten generieren, und zum anderen wirkt es doch etwas albern auf mich, wenn dann via Zoom jeder Musiker einzeln aus seinem Wohnzimmer übers Internet spielt. Oder noch befremdlicher, über das Laptop-Mikro­fon Songs mit der Akustikgitarre vorspielt. Wem es taugt, okay – aber wir warten dann doch lieber, bis man uns wieder auf die Bühnen der miefigen, dunklen Clubs lässt und wir endlich die alten Verstärker aufreißen können. Uns juckt es auf jeden Fall in den Fingern.