SPERMBIRDS, WALTER ELF und KICK JONESES waren und sind klingende Namen im deutschen Punkrock-Universum. Als „Something To Prove“ 1986 erschien, war die Hardcore-Welt hierzulande danach nicht mehr wie zuvor. Nicht zuletzt der markante Schlagzeugsound zeichnete dieses Album aus – neben den herausragenden Songs – und hob es aus der Menge vergleichbarer Alben heraus. Auch 2011 sitzt ein gewisser Beppo immer noch hinter den Drums und sorgt dafür, dass der Motor der Band keinen Kolbenfresser bekommt. Es ist also höchste Zeit, ihn in unserer Drummerserie zu Wort kommen zu lassen.
Beppo, wie alt bist du und wie alt ist dein Schlagzeug?
Ich bin 47 Jahre alt und ich besitze überhaupt kein Schlagzeug! Das heißt nicht, dass ich nicht mehr spiele, im Gegenteil, in letzter Zeit tue ich das sogar sehr oft, aber ich benutze die Sets von anderen Leuten. Meistens das Tama-Set von Lagges, dem Drummer meiner anderen Band KICK JONESES, der zum Glück nichts dagegen hat. Auf Konzerten benutze ich oft das Schlagzeug der Vorband und bringe nur die Hardware mit. Dafür schenke ich dem Drummer dann ein SPERMBIRDS-Shirt oder eine CD als Dankeschön. Dass ich kein Schlagzeug mehr habe, liegt an der mehrjährigen SPERMBIRDS-Pause Ende der 90er Jahre, als Lee längst ausgestiegen war und wir uns nach vier Jahren mit dem Sänger Ken Haus getrennt hatten. Bevor Lee die Reunion initiierte, gab es für mich einfach keinen Anlass, ein Schlagzeug zu besitzen, weil ich bei KICK JONESES, meiner verbliebenen anderen Band, ja sang. Jetzt hätte ich sehr gerne wieder ein eigenes Set. Wenn ich irgendwann mal 2.000 Euro auf der hohen Kante habe, werde ich in den größten Musikladen der Region gehen und ungefähr zwei Tage Drumsets ausprobieren. Das würde auch deshalb Sinn machen, weil mein neunjähriger Sohn jetzt ebenfalls angefangen hat, Schlagzeug zu spielen.
Hast du schon vor den SPERMBIRDS getrommelt oder bist du erst durch die Band zur Musik gekommen?
Meine erste Band hieß KAHLSCHLAG. Und nein, es war keine Nazi-Band, sondern eine Punkrock-Cover-Gruppe. Ich hatte damals schon mein Schlagzeug, aber keine Band, und Markus, der spätere SPERMBIRDS-Bassist, hatte eine Band, aber keinen Drummer. Ein gemeinsamer Freund brachte uns zusammen. KAHLSCHLAG stellte im Grunde die Keimzelle für die späteren SPERMBIRDS dar, weil darin neben mir und Markus auch Gitarrist Frank spielte, der ja ebenfalls SPERMBIRDS Gründungsmitglied ist. Frank hat die Band vor zwei Jahren leider verlassen, spielt aber noch bei KICK JONESES. Ich mache mit einigen Leuten also schon seit 1979 Musik. Mit Roger von den SPERMBIRDS und Lee auch schon seit Beginn der Achtziger, und das finde ich geradezu sensationell. Wenn wir auf Konzertreisen sind, ist das wie Ferien mit sehr, sehr alten Freunden und viel gemeinsamer Vergangenheit.
Hast du in deinen Jugendtagen irgendwelche großen Vorbilder gehabt oder gibt es alte Punkrockklassiker, die du von vorn bis hinten nachgespielt hast?
Ich war als Kind ja ein irrer BEATLES-Freak, hätte in der Fernseh-Quizshow „Der große Preis“ mit dem Spezialgebiet „Die Geschichte der BEATLES“ mitmachen können und hätte wahrscheinlich sogar gewonnen. Aber mal ganz ehrlich: Ringo taugte nicht so recht zum Schlagzeug-Idol. Mein Held war dann etwas später Stuart Copeland von THE POLICE. Ich liebe es heute noch, wie er auf den ersten beiden Platten „Outlandos D’Amour“ und „Regatta de Blanc“ spielt. Der verzichtet auf überflüssigen Drummerschnickschnack, obwohl er den theoretisch draufhat, und ist einfach so was von dynamisch. Ich hatte damals noch keine Drums, sondern habe von meiner Mutter zwei Kochlöffel stibitzt und dann auf meinem Bett die Lieder versucht mitzuspielen. Das Kopfkissen war die Hi Hat. Ich merke heute oft noch, wie sehr mich seine treibende Art beeinflusst hat. Vor ein paar Jahren gab’s ja die POLICE-Abschiedstournee, und ich wollte eigentlich die wohl letzte Gelegenheit nutzen, Stuart Copeland live zu sehen. Ich hab dann drauf verzichtet, weil die Eintrittspreise unverschämt hoch waren. Später hab ich in der „Süddeutschen“ eine Konzertkritik gelesen, und da schrieb der Autor, dass Stuart Copelands Schlagzeug-Spiel allein das Eintrittsgeld wert gewesen sei, und dann habe ich es ein bisschen bereut, nicht hingegangen zu sein. Ein weiterer Schlagzeuger, der mich vielleicht nicht sonderlich in meinem Spiel beeinflusst hat, den ich aber absolut umwerfend finde, ist Pete Thomas, der Drummer von Elvis Costellos früher Begleitband THE ATTRACTIONS. Vor allem auf der Costello-Platte „This Years Model“ spielt er grandios. Vor ein paar Jahren habe ich mal ALKALINE TRIO live gesehen, und da fiel mir deren Drummer Derek Grant sehr positiv auf. Der spielte so ähnlich wie ich – nur viel besser. Ansonsten gibt es eigentlich keine Drummer, die mich besonders beeindruckt haben. Das liegt wohl auch daran, dass ich diesem Hochleistungs-Drumming, wie man es auf Schulungsvideos oder in Drum-Shows auf Messen sehen kann, wenig abgewinnen kann. Das ist supergutes Handwerk, da steckt viel Übung und Arbeit drin, und das verdient insofern natürlich Respekt, aber musikalisch lässt es mich kalt.
Mit was für einem Schlagzeug hast du angefangen und wie hat sich dein Set im Laufe der Jahre gewandelt?
Mein erstes Set war der Einsteiger-Klassiker: Ein Pearl Export. Einfach und preiswert, aber stabil. Meine Eltern hatten es mir zu Weihnachten geschenkt, ich glaube, ich war 16 oder 17. Als ich das kaputt gespielt hatte – ging für ein Pearl Export ziemlich schnell, aber junge Punkdrummer pflegen ihr Instrument nun mal nicht besonders gut –, bin ich mit meinem mühsam ersparten Geld zu Musik Schaller in Kaiserslautern gegangen und habe mir ein Set der Marke „Mark IV“ aufschwatzen lassen – ein Billigteil aus Südkorea. Ich weiß noch heute, wie der Verkäufer erzählte, sie hätten das auf der Musikmesse entdeckt und seien begeistert gewesen, wie toll und gut verarbeitet das Teil sei, kaum zu glauben bei dem Preis etc. etc. Ich hab’s geglaubt und mir dieses absolute Schrottset zugelegt, das nicht lang gehalten hat und klang, als würde ich auf Pappkartons spielen. Ich war richtig froh, als es endlich kaputt gespielt hatte. Ich habe dann vom WALTER ELF-Drummer King König dessen altes übernommen, als er sich ein neues kaufte. Und damit war ich wieder bei „Pearl Export“ gelandet – und habe wie gesagt seitdem nie wieder ein eigenes Schlagzeug gekauft.
Bist du eher Techniker oder Arbeiter an den Drums?
Ganz klar als Arbeiter. Technisch habe ich definitiv meine Grenzen, dafür bin ich schnell, was bei Punk ja ganz hilfreich ist. Außerdem finde ich, dass ich ein sehr einfallsreicher Drummer bin, was die rhythmische Ausgestaltung der Songs angeht. Aber ich hatte früher kaum Schlagzeugunterricht; einmal zwei Stunden beim Drummer der Lehrerband in meiner Schule, dann noch einmal zwei bei einem Schlagzeuglehrer, der aber lieber Bier trinken und quatschen wollte. Im Grunde bin ich ein Autodidakt, und Autodidakten kommen meistens relativ schnell auf ein ganz passables Grundlevel, stagnieren dann irgendwann aber. Zum Glück steht meine Band auf meine Art zu spielen. Als ich als erster bei den SPERMBIRDS Kinder bekam und deshalb weniger Zeit zum Proben und für Konzerte hatte, habe ich der Band vorgeschlagen, einen zweiten und besseren Drummer zu engagieren, der die Hauptarbeit übernehmen sollte, damit die Band wegen mir nicht kürzer treten muss. Ich hätte dann weiterhin als Songschreiber und gelegentlicher Drummer zur Verfügung gestanden. Die Band hat das dann aber abgelehnt mit der Begründung, dass nur ich genau so spiele, wie es die SPERMBIRDS brauchen. Das hat mich natürlich gefreut und meinem Drummer-Ego auch wieder ein bisschen Futter gegeben.
Heute sind wir alle keine Zwanzig mehr. Wie hältst du dich fit, um noch ein flottes Tempo vorgeben zu können
Ich komme als Vater, berufstätiger Mensch und derzeitiger Nicht-Besitzer eines Sets leider kaum zum Proben. Eine Ausnahme waren ein paar Monate im letzten Jahr, als ich regelmässig geübt habe, weil die Aufnahmen für die neue SPERMBIRDS Platte „A Columbus Feeling“ anstanden, und ich mich im Studio nicht blamieren wollte. Ich habe ein fremdes Set benutzt, mal wieder, das von Dennis, dem Drummer von SPERMBIRDS-Rogers anderer Band ZEHN NATTERN. Ich war anschließend erstaunt, wie positiv sich das Üben ausgewirkt hat: Auf einer anschließenden Tour mit YOUTH OF TODAY war ich topfit: ausdauernd, schnell, präzise – konnte also all das liefern, was ein technisch limitierter Drummer schon bieten sollte. Deshalb würde ich irgendwann auch mal gerne wieder Schlagzeugstunden bei einem Lehrer nehmen. Bis dahin wäre ein Elektro-Drumset gut, dann könnte ich mit Kopfhörern im Wohnzimmer üben. Aber das Geld muss ich erst mal haben
Du bist auch als Sänger aktiv. Hast du neben dem Schlagzeug je ein anderes Instrument in Erwägung gezogen?
Schlagzeug ist schon ein tolles Instrument, leider aber auch teuer und zeitaufwendig. Viel auf- und abbauen, viel rumschleppen, nimmt viel Platz im Auto weg etc. Es gibt praktischere Instrumente, aber wer will schon Piccolo-Flöte spielen? Ich spiele sehr gern Schlagzeug, aber wenn ich heute noch mal die Wahl hätte, wäre Bass eine große Versuchung. Das habe ich in den letzten Jahren immer mehr gemerkt, dass das ein Instrument wäre, das mir viel Spaß machen würde. Wenn das Schlagzeug das rhythmische Rückgrat der Band ist, ist der Bass das musikalische Rückgrat, und auch mit dem Bass kann man diese kleinen Kontrapünktchen und Betonungen setzen, mit denen man Songs verschnörkeln kann. Das Singen, na ja, da bin ich so reingerutscht, weil ich es etwas besser konnte als die anderen bei WALTER ELF beziehungsweise später KICK JONESES. Als Sänger hab ich mich zwar stetig verbessert in den Jahren, aber ein Pavarotti des Punk werde ich wohl nicht mehr werden. Der Vollständigkeit halber: bei KICK JONESES spiele ich auch Trompete – mein erstes Instrument überhaupt, da hatte ich auch jahrelang Unterricht.
Bist du in deinen Bands in den Songwriting-Prozess eingebunden und wie sieht dein Einfluss auf die Songs aus?
Das Songwriting sehe ich als meine eigentliche Existenzberechtigung bei den SPERMBIRDS an. Das ist etwas, was ich sehr gut kann, vermutlich besser als Schlagzeug spielen. Ich hab jede Menge Songs für die Band geschrieben, zum Beispiel „No punks in K-Town“, „Melt the ice“ oder „Only a phase“. „Try again“ ist – bis auf das Gitarrenriff – ebenfalls von mir. Das gibt es bei Drummern ja auch eher selten, dass die auch als Songwriter auftreten. Wir schreiben fast nie Lieder zusammen. Jeder kommt mit seinen Songs in den Proberaum, und dann werden sie – mit kleinen
Änderungen – mehr oder weniger so eingespielt, wie der Schreiber sich das vorgestellt hat. Diese Vorgehensweise ist sehr zeiteffektiv, was wichtig ist, wenn man so selten probt wie wir. Und die Tatsache, dass bei den SPERMBIRDS jedes Mitglied Songs schreibt, war auch schon immer ein ganz großer Vorteil: Wenn jemand mal in ein kreatives Loch fällt, gibt es immer noch vier andere, die Ideen haben. Bei den Liedern, die nicht von mir sind, bringe ich mich durch mein Schlagzeugspiel ein. Der Grundbeat und das Tempo sind dann zwar meistens vom jeweiligen Songschreiber vorgegeben, aber wie das gefüllt wird, lässt für mich als Drummer genügend kreativen Raum. Ich habe ja schon an anderer Stelle gesagt, dass ich mich für einen einfallsreichen Drummer halte. Ich habe immer Ideen für kleine Kontrapunkte, rhythmische Details, die markant sind und dem Song einige zusätzliche kleine Wiedererkennungsmerkmale verleihen. Das hört sich jetzt großkotzig an, aber ich finde, dass die Songs der Anderen durch mein Schlagzeugspiel immer noch ein kleines bisschen besser werden.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Christoph Lampert