Matt Kelly (DROPKICK MURPHYS)

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My Little Drummer Boy Folge 55

Matt Kelly ist zwar kein Gründungsmitglied der DROPKICK MURPHYS, aber seine Stimme ist bereits im Background der legendären MCD „Boys On The Docks“ von 1997 zu hören und er hat nach diesem Gastauftritt auf allen der bisher neun Studioalben der Band getrommelt. Sein Stil ist präzise wie ein Uhrwerk und seine treibenden Rhythmen haben maßgeblichen Anteil daran, dass die Band sich über die Jahrzehnte einen Ruf als hervorragende Live-Band erarbeitet hat. Dabei ist Matt Kelly der sympathische Junge von Nebenan geblieben, der sich in Hannover gern zum Ox-Interview bitten lässt.

Matt, wie und wann bist du das erste Mal mit einem Schlagzeug in Berührung gekommen?


Oh, das war sehr früh, denn mein Vater und mein Großvater waren beide Schlagzeuger und solange ich zurückdenken kann, hatte ich immer mit Live-Musik zu tun. Also waren Schlagzeuge immer um mich herum, was wohl der Grund dafür war, dass ich als Kind unbedingt Saxophon lernen wollte. Mein Vater hatte in den Siebzigern einige Schallplatten von Van Morrison und Stevie Wonder, auf denen großartige Saxophonparts zu hören waren. Ich war damals vier Jahre alt und wollte ein Saxophon, viele Tattoos und ein Motorrad.

Wie kam es, dass du dann doch lieber Schlagzeug gespielt hast?

Ich war acht Jahre alt, als mein Vater eines Tages sein Schlagzeug bei uns zu Hause aufgebaut hatte, um es zu reinigen und zu pflegen. Da habe ich ihn gefragt, ob ich mal spielen dürfte, und mir war schnell klar, dass ich – wie mein Vater – Schlagzeuger werden wollte. Mein Vater meinte: „Bist du sicher? Dann musst du aber auch Unterricht nehmen.“ Ein guter Freund der Familie war auch Schlagzeuger und bei ihm habe ich dann Unterricht genommen. Mein Vater selbst war Autodidakt und hat erst im Alter von 30 oder 40 Schlagzeugunterricht genommen. Dafür ist es nie zu spät und ich würde auch heute noch mal Unterricht nehmen, wenn mir der richtige Lehrer über den Weg laufen würde. Damals habe ich neben dem Unterricht viel zu Hause geübt. Ich habe mir die Kopfhörer aufgesetzt und zu meinen Lieblingsplatten gespielt. Beim Unterricht habe ich die Grundlagen und Musiktheorie gelernt, um Noten lesen zu können. Ich habe klassischen Jazz, Rock und Soul gelernt, während ich zu Hause zu AC/DC, IRON MAIDEN und LED ZEPPELIN getrommelt habe.

Welche Musik lief bei euch denn zu Hause?

Meine Eltern hörten viel Rock’n’Roll und Bands wie die KINKS und die BEATLES waren angesagt. Mein Vater spielte in Rock’n’Roll-Bands und als er später in den Achtzigern in Top-40-Bands gespielt hat, war auch viel Radiomusik wie von Billy Ocean oder ähnliches Zeug zu hören.

Hattest du als Teenager irgendwelche Schlagzeuger als Vorbilder?

Ich habe angefangen zu trommeln, als ich neun war, und meine erste eigene Schallplatte war „II“ von LED ZEPPELIN. Mein großes Vorbild war also John Bonham. Aber ich fand auch die beiden IRON MAIDEN-Drummer Clive Burr und Nicko McBrain großartig. Wesentliche Einflüsse waren für mich auch Ginger Baker, Mitch Mitchell und Ian Paice sowie diverse Rhythm & Blues-Drummer, von denen ich viele fantastisch fand. Der erste Song, den ich im Unterricht gelernt habe, war „Come together“ von den BEATLES und das war wirklich keine typische Rock’n’Roll-Nummer, sondern ein sehr ungewöhnlicher erster Song. Ich mag natürlich auch simple Sachen, die geradeaus nach vorn losgehen, doch für untypische Rhythmen wie Bossa Nova, Jazz oder spannende Latin-Sachen – wie bei Sade – habe ich schon ein Faible.

Hattest du als Linkshänder zu Beginn Probleme beim Schlagzeugunterricht?

Nein, mein Schlagzeuglehrer war Linkshänder wie ich. Es war faszinierend, wie gut er sowohl als Links- wie auch als Rechtshänder spielen konnte. Kein Außenstehender hätte je den Unterschied bemerkt. Als ich anfing zu spielen, hat mein Lehrer mich also verschiedene Varianten ausprobieren lassen und mich dann gefragt, ob ich mich mit dem Aufbau für Links- oder Rechtshänder wohler fühlte. Ich habe also sowohl Hi-Hat links als auch Hi-Hat rechts ausprobiert, und nach einigem Hin und Her habe ich dann beschlossen, als Linkshänder zu spielen. Ich hatte auch die Wahl, mich bei den Sticks zwischen dem traditionellen Griff oder dem modernen „Matched Grip“ zu entscheiden. Und als junger Kerl wollte ich natürlich mit dem traditionellen Griff der Jazzer nichts zu tun haben. Das einzige wirkliche Problem hatte ich immer, wenn wir Gigs mit anderen Bands gespielt haben und deren Drummer mich gefragt haben, ob sie meine Drums benutzen dürften. Ich sagte dann immer: „Kein Problem, aber ich bin Linkshänder.“ Dann haben die anderen Drummer doch lieber ihr eigenes Schlagzeug aufgebaut, um nicht meines umbauen zu müssen. Lustig ist auch, dass ich Bass und Gitarre als Rechtshänder spiele und nur Hockey und Schlagzeug als Linkshänder.

Wann hast du deine erste eigene Band gegründet?

Als ich zwölf war, habe ich zusammen mit Kevin, der jetzt bei den DROPKICK MURPHYS Bass spielt, unsere erste Band gegründet. Kevin spielte damals Gitarre und ich legte als DJ bei einer Schulparty Platten auf. Gegen Ende der Party stellten wir uns zu zweit auf die Bühne und spielten AC/DC-, SEX PISTOLS- und MISFITS-Songs. Insgesamt konnten wir vielleicht fünf oder sechs Songs spielen, aber das war mein erster Gig und es muss so 1988 gewesen sein.

Wie bist du mit der Szene in Boston in Kontakt gekommen?

Ich wohnte damals in Central Massachusetts, so ungefähr vierzig Meilen von Boston entfernt, und wir hatten unsere eigene, kleine Szene. Die Bostoner Bands spielten bei uns und wir spielten in Boston, so dass es da einen regelmäßigen Kontakt gab. Punkrock war damals so gut wie tot und die Hardcore-Szene wurde immer größer. 200 bis 300 Leute waren eigentlich bei jeder Show, wenn lokale Bands gespielt haben. Ich habe damals viele Shows gebucht und in mehreren Bands gespielt. Da habe ich auch Ken von den DROPKICK MURPHYS kennen gelernt. Ein Freund stellte uns vor und ich hatte noch nie von dieser Band gehört. Ich dachte, sie wären irgendeine Band aus Kalifornien, bis mich jemand aufklärte, sie wären aus Boston. Später bin ich dann regelmäßig nach Boston gefahren, wenn sie auftraten, denn ich fand die Band wirklich gut. Irgendwann spielte meine damalige Band zusammen mit den DROPKICK MURPHYS im Vorprogramm von H2O im Rathskeller in Boston. Der Rathskeller war damals das CBGB’s von Boston, wo alle großen Bands wie METALLICA, THE POLICE oder die RAMONES gespielt haben, und an diesem Abend hat unser gemeinsamer Freund Dave mich gefragt, ob ich nicht Schlagzeuger bei den DROPKICK MURPHYS werden wolle. Ihr damaliger Drummer wollte aussteigen, weil er keine Lust hatte, mit der Band auf Tour zu gehen, und als Ken mich dann tatsächlich fragte, ob ich es versuchen wolle, sagte ich: „Klar, warum nicht!?“ Was folgte, waren zwei bis drei harte Jahre auf Tour, in denen wir in winzigen Kellerräumen überall gespielt haben und häufig ohne Geld und Essen von einem Gig zum nächsten fuhren. Aber es hat uns immer viel Spaß gemacht.

War dir damals schon klar, dass du ein professioneller Drummer werden wolltest?

Ja, absolut. Entweder wollte ich Schlagzeuger werden oder Englischlehrer. Ich war immer fasziniert von der englischen Sprache und für den Fall, dass es mit der Karriere als Musiker nicht geklappt hätte, wollte ich mich vorher wenigstens gut absichern. Es ist aber bei dem Plan geblieben, denn eine Ausbildung habe ich nie abgeschlossen und zur Universität bin ich auch nie gegangen. Dazu waren wir mit der Band zu viel auf Tour und dann ging es mit der Band ja auch sehr schnell voran. Irgendwie ist es heute noch wie damals, nur dass heute mehr Leute zu den Shows kommen. Aber wir sind immer noch ein Haufen Arschlöcher, die Musik machen, weil sie wahrscheinlich nichts anderes gelernt haben und das lieben, was sie tun.

Live oder Studio, wo liegen deine Vorlieben?

Ich liebe es, live zu spielen. Ich habe nichts gegen die Arbeit im Studio, und manchmal macht es sogar Spaß aufzunehmen. Dann durchströmt einen dieser Fluss an Kreativität und alles ist gut, aber manchmal kann es furchtbar öde sein und du denkst nur: Nimm einfach diesen Song auf. Live ist eben immer live und du kannst nichts wiederholen. Wenn du es einmal verbockt hast, hast du es verbockt und kannst den Song nicht wiederholen. Bei der Arbeit im Studio hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte auch viel verändert. Wenn wir heute nicht sicher sind, welche Geschwindigkeit einem Song am besten steht, dann nehmen wir drei verschiedene Versionen auf und nach ein paar Tagen sind wir dann sicher, welche Geschwindigkeit die beste ist. Die ganzen digitalen Pro Tools, die heute im Einsatz sind, machen ja alles möglich und so muss ich im Gegensatz zu früher nicht mehr zwanzig Aufnahmen von einem Song machen, um die beste herauszufinden.

Gibt es bei den vielen Platten, die du aufgenommen hast, eine, die du besonders magst?

Es gibt zwei. Zunächst mal „Do Or Die“, weil es das erste Album war, das die DROPKICK MURPHYS aufgenommen haben, und weil es das erste Mal war, dass ich im Studio keinen Zeitdruck hatte. Wir konnten uns Zeit lassen und in aller Ruhe den besten Gitarren- und Drumsound umsetzen, den wir uns vorgestellt hatten. Diese Erfahrung war für mich sehr speziell. Und dann ist da noch das letzte Album „11 Short Stories Of Pain And Glory“, für das wir nach Texas in die Nähe der mexikanischen Grenze gefahren sind, um dort mitten im Nirgendwo das Album aufzunehmen. Da gab es für zwei Wochen nur uns und viele Liter Kaffee. Morgens nach dem Aufstehen haben wir mit den Aufnahmen begonnen, konnten uns bis in die Nacht voll auf uns konzentrieren und am nächsten Morgen ging es wieder von vorne los. Auch das war eine sehr prägende Erfahrung für uns als Band, die sich enorm auf unsere Kreativität ausgewirkt hat.

Wie würdest du deinen eigenen Drumstil beschreiben?

Ich mag das Ursprüngliche beim Schlagzeugspielen und spiele gern Doppelschlagwirbel, die ich nicht nur auf der Snare, sondern auch auf allen Toms einsetze. Dadurch wirkt mein Stil ein bisschen militärisch. Ich hatte insgesamt sechs Jahre Unterricht und mein Lehrer hat mir die grundsätzlichen Wirbel erst nach zwei Jahren beigebracht, als ich schon ein gewisses Verständnis für das Schlagzeug erlangt hatte. Daher kommt auch meine Vorliebe, die Basics auf das ganze Drumset zu verteilen.

Könntest du dir vorstellen, auch komplett andere Musik als bei DROPKICK MURPHYS zu spielen?

Ja, Blues macht mir zum Beispiel sehr viel Spaß oder vielleicht Achtziger-Jahre-Heavy Metal wie IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST. Ich könnte mir auch Siebziger-Jahre-Rock wie SLADE oder SWEET gut vorstellen, so bluesorientierter Heavy Rock wäre genau mein Ding. Zur Zeit nimmt die Band aber all meine Zeit in Anspruch, und wenn ich nach einer Tour wieder nach Hause komme, bin ich ein ganz normaler Familienvater. Allerdings übe ich auch zu Hause sehr viel und spiele möglichst drei bis vier Mal in der Woche für mich allein ein paar Stunden Schlagzeug. So versuche ich, mich immer weiter zu verbessern und fit zu bleiben, denn für mich ist nichts schlimmer, als auf einem Level zu stagnieren. Außerdem will ich gut vorbereitet sein, wenn wir unser neues Album aufnehmen, das im September oder Oktober erscheinen soll.