Mary Westphal (24/7 DIVA HEAVEN)

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My Little Drummer Girl Folge 62

Um nach nur einem veröffentlichten Album zu dieser Kolumne eingeladen zu werden, braucht es wesentlich mehr, als nur den berühmten Kick. Und tatsächlich hat es Mary Westphal auf dem 24/7 DIVA HEAVEN-Debütalbum „Stress“ fertiggebracht, mich mit ihrem energiegeladenen Drumstil direkt vom Hocker zu hauen. Egal ob schnell oder langsam, bei Marys straighten Rhythmen gibt es kein Durchatmen und sie schiebt ihre Band unerbittlich vorwärts. Grunge war für mich tot, aber hier sollte man unbedingt ein zweites Mal hinhören, zumal Mary auch neben der Band sehr aktiv ist und mit dem Berliner Musiker:innenkollektiv Grrrl-Noisy dafür sorgt, dass der Anteil der Frauen in dieser Serie zukünftig deutlich höher liegen wird.

Mary, bist du schon als kleines Kind deinen Eltern auf die Nerven gegangen, weil du immer auf irgendwelchen Töpfen herumgetrommelt hast?

Nein, das tatsächlich nicht und meine Eltern sind auch nicht wirklich musikalisch, so dass sie mir keine Musikbegeisterung vermitteln konnten. Als Kind war ich eher auf der sportlichen Schiene unterwegs und habe die Wochenenden auf Schwimmwettkämpfen verbracht. Ich habe zwar zu Hause viel Krach gemacht, aber mit der Musik ging es bei mir wirklich erst als Teenager los. In der Zeit kamen dazu Einflüsse von meinem Vater, der eine gut sortierte Plattensammlung hatte und Sachen wie SMASHING PUMPKINS und AC/DC gehört hat.

Wann hast du entdeckt, dass das Schlagzeug das richtige Instrument für dich ist?
Ich habe als Teenager relativ schnell die Popmusik-Phase hinter mir gelassen und bin auf Punk umgestiegen. Danach dauerte es gar nicht lange, bis ich von diesem Instrument, dem Schlagzeug, begeistert war. Bei uns fanden zur Nachwuchsförderung immer Bandcontests statt und bei den Konzerten habe ich immer das Schlagzeug auf der Bühne stehen sehen. Da wusste ich ziemlich schnell, dass ich das auch spielen will. Mit 14 war auf meinem ersten Punkfestival, dem „Rock im Moor“ bei uns in Brandenburg, und da war ich von der Musik so begeistert, dass ich es kaum erwarten konnte selbst Musik zu machen. Als ich dann mit 14 Jugendweihe hatte, war es endlich soweit und ich konnte mir von meinem Jugendweihe-Geld mein erstes eigenes Schlagzeug kaufen.

Konntest du bei dir zu Hause üben oder musstest du dein Schlagzeug woanders aufbauen?
Meine Mutter ist damals in ihrem alten Opel Corsa mit mir zum Musikladen nach Schwerin gefahren, um mein Schlagzeug auszusuchen. Vor Ort hat der Verkäufer nicht schlecht gestaunt, als ich ihm direkt den großen Stapel Bargeld von meinem Jugendweihe-Geld auf den Tisch gelegt habe, um mir dafür ein Schlagzeug zu kaufen. Das war damals ein Yamaha-Set mit einem Satz Zildjian-Becken. Wir haben das ganze Schlagzeug und alle Becken in diesen kleinen Opel Corsa gequetscht und sind zum Glück auch heil wieder zu Hause angekommen. Wir hatten einem Keller unter unserer Wohnung und da durfte ich das Schlagzeug aufbauen und mir einen Übungsraum einrichten. Mit den Nachbarn war es sehr entspannt und es gab nie irgendwelche Probleme, so dass wir rund um die Uhr Krach machen konnten.

Bist du Autodidaktin oder hast du auch mal Unterricht genommen?
Mit dem Kauf des Schlagzeugs habe ich auch angefangen, Stunden zu nehmen. Ich hatte das Glück, dass bei uns im Nachbarort eine Musikschule aufgemacht hat, wo sie auch Schlagzeug unterrichteten. Mein erster Lehrer war ein total süßer Typ, so dass ich immer sehr unkonzentriert war. Das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt, denn ich wollte eigentlich ja Schlagzeug lernen. So war ich dann froh, als der Lehrer wechselte, nur bekam ich jetzt einen Lehrer, der in Swing-Bands spielte und mich die ganze Zeit mit Triolen, Shuffle-Rhythmen und schwierigsten Noten nervte, obwohl ich doch nur Punkrock spielen wollte. Heute bin ich natürlich dankbar für diese Ausbildung, die ich auch in Berlin fortgesetzt habe und die alles in allem circa vier Jahre gedauert hat.

Hast du damals nur für dich geübt oder gleich deine eigene Band gegründet?
Ich wollte nie nur für mich alleine Musik machen und ein Instrument beherrschen lernen, sondern habe gleich meine Mädels angesprochen, ob sie nicht mit mir in einer Band spielen wollten, und so haben wir unsere erste Girl-Punkband QUERGESTREIFT gegründet. Wir hatten gerade geregelt, wer welches Instrument spielen sollte, als plötzlich noch eine Freundin mitmachen wollte und wir eigentlich kein Instrument mehr zu vergeben hatten. Dann hatten wir eben zeitweise noch ein Keyboard in der Band. Das war irgendwie seltsam, denn kaum hatten wir die Band gegründet, wollten alle dabei sein.

Hattest du zu dieser Zeit irgendwelche Schlag-zeuger:innen als Vorbilder, denen du nacheifern wolltest?
Nein, eigentlich nicht. Ich war zwar großer DIE ÄRZTE-Fan und fand natürlich toll, wie Bela im Stehen spielt, aber ich hatte in dem Sinne nie Vorbilder, sondern war eher von bestimmten Sounds und Stilrichtungen begeistert. Sehr cool fand ich immer Meg White von THE WHITE STRIPES, weil sie so sehr reduziert und immer genau auf den Punkt war. Dieser minimalistische Ansatz mit straighten Rhythmen sagt mir sehr zu und so spiele ich selbst ja auch am liebsten. NIRVANA habe ich auch immer gern gehört und da schaue ich auch gern immer mal genauer hin, wie Dave Grohl bestimmte Sachen gespielt hat.

Hast du nach deinem Umzug nach Berlin lange nach geeigneten Mitmusiker:innen suchen müssen?
Ich hatte vorher in Lüneburg gewohnt und auch dort schon lange nach Musiker:innen für eine Band gesucht, und als ich dann nach Berlin umgezogen bin, war auch wieder sehr lange auf der Suche. Es gibt zwar in Berlin sehr viele Musiker, aber um wirklich passende Mitstreiter:innen zu finden, habe ich sehr lange gebraucht. Es musste ja nicht nur menschlich passen, sondern sollte natürlich auch musikalisch auf einer Wellenlänge sein. Mit irgendwelchen Leuten nur so herumzuschrammeln, darauf hatte ich natürlich keine Lust, und mit Typen, die so jazzy unterwegs sind, hätte es mit mir auch nicht gepasst. Ich war also total lange auf der Suche und hatte meine Ansprüche schon ganz schön weit runtergeschraubt, aber nichts passierte. Umso glücklicher war ich, als ich eines Abends Kat in einer Kneipe traf und sie mir im Laufe unseres Gesprächs erzählte, dass sie tatsächlich Gitarre spielt. Da dachte ich nur: Bingo! Uns war sofort klar, dass wir gemeinsam ein musikalisches Projekt starten wollten. Zusammen mit Karo haben wir dann relativ schnell 24/7 DIVA HEAVEN gegründet.

Übst du heutzutage nur mit der Band oder auch jede freie Minute für dich allein?
Jede freie Minute schaffe ich leider nicht, weil ich noch viele andere Projekte an Laufen habe, aber ich versuche schon, so viel wie möglich auch für mich allein zu üben. Ich möchte mich ja gern weiterentwickeln und neue Sachen ausprobieren und dafür brauche ich viel Zeit für mich allein. Insbesondere wenn es darum geht, neue Songs zu schreiben, nehme ich mir gern Zeit für mich, um konzentriert an neuen Ideen arbeiten zu können. Ich übe zwar auch zu Hause auf meinem Übungspad, aber eigentlich treffe ich mich lieber mit Freunden und wir arbeiten dann in Form von Jamsessions zusammen.

Könntest du dir auch vorstellen, in anderen musikalischen Projekten andere Instrumente zu spielen?
Da käme für mich eigentlich nur der Bass in Frage, weil das auch ein Rhythmusinstrument ist und ich eben gern den Rhythmus vorgebe oder mitspiele. Ich war mal bei einer Jamsession dabei und hatte mir zum ersten Mal in meinem Leben einen Bass umgehängt. Da wusste ich noch gar nicht, wie ich den halten muss, und habe meinen Fuß auf die Kickdrum gestellt, um sehen zu können, was ich mit meine Händen so mache. In der Pause kamen dann Leute auf mich zu und fragten mich, ob ich nicht für ihre neue Band als Bassistin vorspielen wollte. Da fühlte ich mich natürlich gut, habe denen aber gleich gestanden, dass das erste Mal war, dass ich überhaupt einen Bass in der Hand hatte. Mit den Mädels von 24/7 DIVA HEAVEN habe ich das Musikkollektiv „Grrrl-Noisy“ ins Leben gerufen, wo wir junge Mädchen dazu ermutigen wollen, Musik zu machen und sich in der Musikszene zu engagieren. Wir zeigen da den interessierten jungen Mädchen und Frauen, wie bunt und vielfältig die Musiklandschaft sein kann, und organisieren Jamsessions, die jetzt im Sommer hoffentlich nach dem Corona Lockdown auch wieder stattfinden können.

Bereitest du dich besonders vor, wenn du mit der Band für Aufnahmen ins Studio gehst?
Für unser Album „Stress“ habe ich mich wirklich extrem gut vorbereitet. In den Wochen vor den Aufnahmen war ich bestimmt jeden zweiten Abend und die Wochenenden im Übungsraum, um an den Songs zu arbeiteten. Da ich ja neben meinen Projekten auch noch einen Vierzig-Stunden-Job habe, war das schon ganz schön anstrengend, aber da wir das Album ja zusammen live eingespielt haben, musste ich natürlich gut vorbereitet sein. Mir war es wichtig, dass ich mich bei den Aufnahmen nicht zu sehr konzentrieren muss, sondern die Drums locker daherkommen und nicht verkrampft wirken. Das ist für mich das Schöne am Musikmachen. Man kann sich fallen lassen, der Adrenalinkick kommt und dann läuft alles von alleine. Ich bin da schon sehr ehrgeizig und möchte natürlich ein perfektes Ergebnis erreichen. Glücklicherweise hatten wir die meisten unserer Songs nach spätestens fünf Durchläufen im Kasten, so dass das Aufnehmen sich nicht zu stressig gestaltete.

Stehst du mehr auf die ruhigeren Grunge-Nummern oder gibst du, so wie bei „Death to“, gern Vollgas?
Ich mag wirklich die Mischung aus schnellen und langsameren Songs, die sich auch auf der Platte widerspiegelt. Tatsächlich spiele ich „Shamebath“ sehr gern, weil das etwas ruhiger auf den Toms anfängt und dann richtig geil in den Refrain übergeht. Ich habe eben Punkrock-Blut in den Adern und von daher liebe ich die schnellen Nummern, die dann auch live besonders gut abgehen und extrem viel Spaß machen. Aber am Ende zählt die Mischung, und Hauptsache ist, die Musik ist laut.

Wärst du schon zufrieden, wenn man deinen Stil mit „Hauptsache, laut“ beschreiben würde?
Ich würde sagen, ich spiele straight und pulsierend. Vor allem aber mit wenig Schnickschnack, denn als Trio mit Gitarre, Bass und Schlagzeug wollen wir natürlich immer das Machbare aus dieser Besetzung herausholen. Dabei ist uns ein minimalistischer Ansatz ganz wichtig und wir versuchen nicht, die Songs mit irgendwelchen Gimmicks wie künstlichen Breaks oder Fills zu überladen.

Hast du dich im Laufe der Jahre auch mal an einem richtig großen Metal-Drumset versucht?
Oh ja, auf alle Fälle. Ich hatte während des Studiums einen Freund, der in diversen Metal-und Death-Metal-Bands gespielt hat, und der hatte ein richtig großes Set im Übungsraum stehen. Das war zwar überhaupt nicht meine Welt, hat aber im diesem Moment riesigen Spaß gemacht. Ich wusste zuerst gar nicht. auf welches der vielen Becken ich zuerst schlagen und auf welchen der Toms ich beginnen sollte, aber nach dem Motto „Immer drauf“ habe ich dann einfach losgelegt. Doublebass war nie so mein Ding, weil ich immer dachte, das kommt viel zu protzig rüber, aber jetzt bin ich technisch doch daran interessiert, es irgendwann einmal mit Doublebass zu probieren. Einfach um für mich die Koordination der beiden Füße auf das nächste Level zu bringen. Wenn die Divas zusammen jammen, kann es mitunter auch sehr metalmäßig und doomig zur Sache gehen, aber am Ende würde natürlich kein Song für die Band dabei herauskommen.

Kannst du vorstellen, auch noch ganz andere musikalische Stilrichtungen auszuprobieren?
Ich bin großer Doom- und Doom-Metal-Fan und darauf hätte ich schon noch mal Bock. Ich müsste mir nur ein anderes Beckenset mit größeren Ridebecken zulegen und dann mein neues Tama-Granstar-Set tiefer stimmen, und schon könnte es losgehen. Aber nach Corona steht natürlich die Band im Fokus und wir freuen uns darauf, endlich wieder live spielen und auf Konzerte gehen zu können. Seit ein paar Wochen haben wir jetzt offiziell eine Booking-Agentur und für Ende des Jahres ist eine Tour in Planung, so dass wir jetzt erst einmal voll durchstarten wollen.