Wer sich jemals für New York Hardcore interessiert hat, wird sicherlich auch das ein oder andere Album in seiner Sammlung haben, auf dem Luke Abbey zu hören ist. In zu vielen Bands hat er im Laufe der letzten dreißig Jahre gespielt, als dass man nicht mal auf seinen treibenden Drumsound gestoßen sein könnte. Höchste Zeit also für ein Interview, das anlässlich des GORILLA BISCUITS-Konzerts im Leipziger Werk II stattfand.
Luke, gibt es aus deiner Kindheit Geschichten, dass du schon als kleiner Junge immer auf irgendwelchen Dingen herum getrommelt hast?
Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. In meiner eigenen Familie spielte niemand ein Instrument, aber da meine Freunde alle ein Instrument spielten, wollte ich das auch können. Im Alter von elf Jahren wollte ich eigentlich Saxophon spielen, aber dann fing ein Freund von mir an, Saxophon zu lernen, und so dachte ich mir, dass es besser sei, Schlagzeug zu lernen. Zum Glück spielte der Vater eines Freundes Schlagzeug und so bin ich manchmal zu ihm rübergegangen und habe auf seinem Set geübt.
Haben deine Eltern dich unterstützt, als ihnen klar wurde, dass du dich für Musik begeistern würdest?
Ja, das kann man sagen, denn sie erlaubten mir, bei uns zu Hause zu üben, und das bedeutet in einer Stadt wie New York City, wo viele Menschen um dich herum leben, die sich beschweren könnten, schon eine ganze Menge. Mein Vater hat sich zunächst mit dem Vater meines Freundes unterhalten, um zu erfahren, mit was für einem Schlagzeug man anfangen kann. Und das alte Pearl Export, das er mir daraufhin damals kaufte, habe ich tatsächlich noch heute.
Wie lange hat es von deinem ersten Schlagzeug bis zu deiner ersten Band gedauert?
Das ging alles relativ schnell. Als ich anfing zu trommeln, hörte ich schon sehr viel Punk- und Hardcore-Zeug und habe zu Hause einfach alles nachgespielt. Ein knappes Jahr später habe ich ein paar Typen getroffen, die von der Idee begeistert waren, einen so jungen Typen wie mich als Drummer in ihrer Band zu haben. Nicht weil ich so gut war, sondern weil sie es cool fanden, mich als Neuling dabei zu haben. Ich habe aber zum Glück schnell Fortschritte gemacht, und in dieser Zeit habe ich viel gelernt, was mir später von Nutzen war.
Welche Bands hast du zu dieser Zeit am häufigsten gehört?
Also Jimi Hendrix, ROLLING STONES und THE CLASH waren die Sachen, die ich schon immer gehört habe, bevor ich selbst anfing, Musik zu machen. Später habe ich dann AGNOSTIC FRONT, MINOR THREAT und die SEX PISTOLS für mich entdeckt. Ich habe eigentlich nicht besonders lange Punk gehört, sondern war schon sehr früh von Hardcore begeistert. In meiner Nachbarschaft in Brooklyn gab es damals eine lebendige Hardcore-Szene, der ich mich zugehörig fühlte. Da ich damals noch sehr jung war, war es nicht immer einfach, auf Konzerte zu gehen, aber je mehr wir mit der Band spielten, desto mehr wollten wir auch erreichen und so sind wir einfach in diese aktive New Yorker Szene hineingewachsen. Als ich 14 Jahre alt war, traf ich dann das erste Mal auf Ray Cappo, Porcell und Craig Setari von YOUTH OF TODAY und das führte dann zu so einem Schneeballeffekt, durch den sich die Sache verselbstständigt hat.
Hast du damals darüber nachgedacht, ob du als professioneller Drummer deinen Lebensunterhalt bestreiten würdest?
Nein, eigentlich nicht. Nachdem ich anfing zu trommeln und immer mehr und mehr Musik hörte, habe ich nur darüber nachgedacht, dass ich immer weiter trommeln wollte. Für viele Jahre gab es für mich nur Hardcore, über andere Sachen habe ich nicht viel nachgedacht.
Kommt es mir nur so vor oder hast du gegen Ende der Achtziger wirklich in vielen Bands gleichzeitig gespielt?
Oh ja, das stimmt wirklich, da waren JUDGE, WARZONE, GORILLA BISCUITS. In der Szene waren ja immer dieselben Typen dabei und wir haben alle versucht, so viel wie möglich zu spielen. Es gab da auch keine Konflikte unter den Bands, denn alle wollten einfach immer nur so viel wie möglich machen. Es gab auch keine Gründe, nein zu sagen, und ich hatte nie das Gefühl, irgendetwas ablehnen zu wollen. Es wurde mir nie zu viel, und wahrscheinlich hätte ich in noch mehr Bands gespielt, wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte.
Kurz nachdem „Start Today“ veröffentlicht wurde und GORILLA BISCUITS 1989 in Europa auf Tour waren, hast du dann die Band verlassen.
Oh nein, ich habe die Band gar nicht verlassen, sondern sie haben mich Ende 1990 rausgeschmissen. Das war damals eine schwierige Phase für mich, denn ich fühlte mich nicht mehr wirklich der Hardcore-Szene zugehörig. Ich spielte zwar noch eine Weile für GORILLA BISCUITS, aber mein Drumming wurde immer schlechter und darum kann ich ihnen keinen Vorwurf machen, dass sie mich gefeuert haben. Ich liebte die Band immer noch, aber ich hatte keine Lust mehr, in New York zu leben. Ich hatte mich in die Berge verliebt und wollte nur noch draußen sein und Ski fahren, und so bin ich dann nach Utah umgezogen. GORILLA BISCUITS wurden zu dieser Zeit immer populärer und die Jungs hatten ihr ganzes Leben auf die Band eingestellt, aber in meinen Kopf spielten sich andere Dinge ab. Ich hätte schon noch weiter gespielt, aber mir war es eben wichtig, auch mal für vier Monate Ski zu fahren und das war mit der Band nicht möglich. Der Rausschmiss war zwar hart für mich, aber irgendwie auch sehr befreiend.
Wie kam es zu deinem Comeback bei GORILLA BISCUITS?
Während meiner langen Skiphase hatte ich den Kontakt zu den Jungs in New York ja nie ganz abgebrochen und immer mal wieder Musik mit anderen Leuten gemacht. Als ich mich dann beim Skifahren verletzte, ging ich wieder zurück nach New York und hing zunächst ein bisschen ziellos in der Luft. Alle meine alten Freunde spielten immer noch in Bands, die relativ erfolgreich waren, und ich konnte nicht mehr Ski fahren und saß planlos in New York herum. Da ist mir bewusst geworden, dass ich gern wieder Musik machen würde, aber GORILLA BISCUITS spielten zu der Zeit nicht mehr und es gab keine wirklich gute Möglichkeit, in irgendeine Band einzusteigen. Jahre später, das muss so um 2004 herum gewesen sein, habe ich mit ALPHA JERK in New York gespielt und Walter Schreifels kam vorbei und erzählte mir von diesem anstehenden Benefiz-Gig, der im CBGB’s für den Erhalt des Clubs stattfinden sollte. Er und Civ hatten sich darüber verständigt, dass sie dort gern in der Originalbesetzung spielen würden, und Walter war wohl der Meinung, dass ich es schaffen könnte. Ich war im Laufe der Jahre als Drummer viel besser geworden und es wurde ein großartiger Abend, an dem wir alle viel Spaß hatten. Das war 14 Jahre, nachdem ich die Band verlassen musste, und es fühlte sich plötzlich so frisch an, dass es unglaublich war.
Gibt es irgendwelche Kollegen, die du wirklich gut findest oder von denen du dir Tricks abschaust?
Es gibt heute einfach so viele technisch perfekte Drummer, dass es schwer ist, da bestimmte herauszupicken. Viele sind so perfekt, dass ich nicht im Traum daran denke, auch jemals so gut spielen zu können. Ich mag es zwar, wenn Drummer sehr auffällig und technisch gut spielen, aber viel mehr beeindruckt es mich, wenn Drummer ganz entspannt spielen und die simplen Rhythmen großartig klingen lassen. So wie Steve Jordan zum Beispiel, der für die ROLLING STONES, Eric Clapton oder auch die BLUES BROTHERS gespielt hat. Viele Jazz- und R&B-Drummer haben einfach einen guten Blick für den ganzen Song, während viele Hardcore- und Metal-Drummer technisch zwar perfekt sind, aber mehr ihr Ego in den Mittelpunkt stellen als den Song.
Was ist dir für deinen eigenen Stil wichtig?
Timing ist für mich sehr wichtig. Jeder Schlag zählt und ich versuche mir immer bewusst zu sein, was ich gerade mache, um so zu spielen, wie es für die ganze Band am besten ist. Letztes Jahr habe ich für ungefähr ein Jahr mit EAST CAMERON FOLKCORE gespielt. Und da sie eher einer Big Band gleichen, habe ich sehr viel über den Einsatz unterschiedlicher Dynamiken gelernt, was meinen eigenen Stil weitergebracht hat. Es ist mir wichtig zu wissen, wo mein Platz in der Musik ist, ohne die anderen Instrumente oder Musiker zu dominieren. Und das zieht sich auch durch mein Leben, da ich immer versuche, mit der nötigen Bescheidenheit mit Dingen umzugehen. Mit Superstarkult habe ich nichts am Hut, sondern ich versuche immer, die einzelnen Aspekte meines Lebens, eben auch das Schlagzeugspielen, gut auszubalancieren.